und in ihr; vergißt an ihrem Busen der Lasten und Leiden des Lebens, weil sie uns dem großen, gütigen Vater der Menschen nähert, dessen all- mächtige Hand die Lasten des Lebens erleichtert, und dessen liebevolle Vorsehung alle Leiden in himmlische Freuden auflöst. O, mein Freund und meine Freundin, auf dem kleinen, anmuthi- gen, grünenden Hügel bey deinem Dörfchen oder Städtchen kannst du fühlen, was der so schön und wahr schildernde Brydone auf dem Gipfel des Aetna fühlte. "Es schien, sagt er, so wie wir über die Wohnungen der Menschen erhaben waren, als blieben alle niedere und gemeine Empfindun- gen zurück, als legte die Seele, da sie sich den ätherischen Regionen näherte, ihre irdischen Lei- denschaften ab, und als empfinge sie schon etwas von ihrer unveränderlichen Reinheit."
Lehrer und Erzieher eurer Brüder! wollt ihr diese Rührung des moralischen Gefühls, welche gleich einem fruchtbaren Sommerregen den Saa- men des Guten aufschwellt, und zum baldigen Keimen reizt, hervorbringen, so ahmt der Na- tur nach!
Wer, wie sie, die Herzen an sich zu ziehen und mit Liebe und Ehrfurcht für sich zu erfüllen weiß; wie sie, Wahrheit redet, dem Bedürf- nisse jedes einzelnen entgegenkömmt, und selbst fühlt, was er will, daß Andre fühlen sollen,
der
und in ihr; vergißt an ihrem Buſen der Laſten und Leiden des Lebens, weil ſie uns dem großen, guͤtigen Vater der Menſchen naͤhert, deſſen all- maͤchtige Hand die Laſten des Lebens erleichtert, und deſſen liebevolle Vorſehung alle Leiden in himmliſche Freuden aufloͤſt. O, mein Freund und meine Freundin, auf dem kleinen, anmuthi- gen, gruͤnenden Huͤgel bey deinem Doͤrfchen oder Staͤdtchen kannſt du fuͤhlen, was der ſo ſchoͤn und wahr ſchildernde Brydone auf dem Gipfel des Aetna fuͤhlte. „Es ſchien, ſagt er, ſo wie wir uͤber die Wohnungen der Menſchen erhaben waren, als blieben alle niedere und gemeine Empfindun- gen zuruͤck, als legte die Seele, da ſie ſich den aͤtheriſchen Regionen naͤherte, ihre irdiſchen Lei- denſchaften ab, und als empfinge ſie ſchon etwas von ihrer unveraͤnderlichen Reinheit.„
Lehrer und Erzieher eurer Bruͤder! wollt ihr dieſe Ruͤhrung des moraliſchen Gefuͤhls, welche gleich einem fruchtbaren Sommerregen den Saa- men des Guten aufſchwellt, und zum baldigen Keimen reizt, hervorbringen, ſo ahmt der Na- tur nach!
Wer, wie ſie, die Herzen an ſich zu ziehen und mit Liebe und Ehrfurcht fuͤr ſich zu erfuͤllen weiß; wie ſie, Wahrheit redet, dem Beduͤrf- niſſe jedes einzelnen entgegenkoͤmmt, und ſelbſt fuͤhlt, was er will, daß Andre fuͤhlen ſollen,
der
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und in ihr; vergißt an ihrem Buſen der Laſten
und Leiden des Lebens, weil ſie uns dem großen,
guͤtigen Vater der Menſchen naͤhert, deſſen all-
maͤchtige Hand die Laſten des Lebens erleichtert,
und deſſen liebevolle Vorſehung alle Leiden in
himmliſche Freuden aufloͤſt. O, mein Freund
und meine Freundin, auf dem kleinen, anmuthi-
gen, gruͤnenden Huͤgel bey deinem Doͤrfchen oder
Staͤdtchen kannſt du fuͤhlen, was der ſo ſchoͤn und
wahr ſchildernde Brydone auf dem Gipfel des Aetna
fuͤhlte. „Es ſchien, ſagt er, ſo wie wir uͤber
die Wohnungen der Menſchen erhaben waren,
als blieben alle niedere und gemeine Empfindun-
gen zuruͤck, als legte die Seele, da ſie ſich den
aͤtheriſchen Regionen naͤherte, ihre irdiſchen Lei-
denſchaften ab, und als empfinge ſie ſchon etwas
von ihrer unveraͤnderlichen Reinheit.„
Lehrer und Erzieher eurer Bruͤder! wollt ihr
dieſe Ruͤhrung des moraliſchen Gefuͤhls, welche
gleich einem fruchtbaren Sommerregen den Saa-
men des Guten aufſchwellt, und zum baldigen
Keimen reizt, hervorbringen, ſo ahmt der Na-
tur nach!
Wer, wie ſie, die Herzen an ſich zu ziehen
und mit Liebe und Ehrfurcht fuͤr ſich zu erfuͤllen
weiß; wie ſie, Wahrheit redet, dem Beduͤrf-
niſſe jedes einzelnen entgegenkoͤmmt, und ſelbſt
fuͤhlt, was er will, daß Andre fuͤhlen ſollen,
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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