andre gesetzt wird, wie es bey jener der Fall seyn kann. Das Plötzliche und Unerwartete greift stark in das Gefühl: und setzt das Herz zuweilen in sehr heftige Bewegung, die einem Zittern ähn- lich ist. Das Unerwartete nemlich hemmt mit einemmal den Fluß der Vorstellungen, in welcher die Thätigkeit der Seele sich itzo hinbewegte; und die Seele muß viel Anstrengung und Kraft an- wenden, um die Vorstellungen aufzufassen und zu halten, welche nichts im Gemüth vorfinden, woran sie sich schließen könnten. Kömmt irgend etwas erwartet, so ist die Seele schon vorbereitet, sie darf nicht eine Vorstellungsreihe zerreißen, und ihre ganze Kraft anspannen, um eine ganz frem- de Vorstellung zu fassen.
Das Herz wird endlich von den Dingen am stärksten gerührt, die ihm eine Aehnlichkeit mit seinem eignen Zustande vorstellen: es sieht sich selbst dann durch die Phantasie in diesem Zustande leiden und handeln. Eine Handlung, die ich selbst einmal unternommen, eine Begebenheit, in deren ähnliche ich einst verwickelt war, eine Lage, die ich aus meiner Erfahrung kenne, inte- ressiren mich (wenn, wie natürlich, das übrige gleich ist,) mehr, als Handlungen, Begebenheiten und Lagen, welche in meiner eignen Erfahrung noch nicht vorgekommen sind.
Bis
andre geſetzt wird, wie es bey jener der Fall ſeyn kann. Das Ploͤtzliche und Unerwartete greift ſtark in das Gefuͤhl: und ſetzt das Herz zuweilen in ſehr heftige Bewegung, die einem Zittern aͤhn- lich iſt. Das Unerwartete nemlich hemmt mit einemmal den Fluß der Vorſtellungen, in welcher die Thaͤtigkeit der Seele ſich itzo hinbewegte; und die Seele muß viel Anſtrengung und Kraft an- wenden, um die Vorſtellungen aufzufaſſen und zu halten, welche nichts im Gemuͤth vorfinden, woran ſie ſich ſchließen koͤnnten. Koͤmmt irgend etwas erwartet, ſo iſt die Seele ſchon vorbereitet, ſie darf nicht eine Vorſtellungsreihe zerreißen, und ihre ganze Kraft anſpannen, um eine ganz frem- de Vorſtellung zu faſſen.
Das Herz wird endlich von den Dingen am ſtaͤrkſten geruͤhrt, die ihm eine Aehnlichkeit mit ſeinem eignen Zuſtande vorſtellen: es ſieht ſich ſelbſt dann durch die Phantaſie in dieſem Zuſtande leiden und handeln. Eine Handlung, die ich ſelbſt einmal unternommen, eine Begebenheit, in deren aͤhnliche ich einſt verwickelt war, eine Lage, die ich aus meiner Erfahrung kenne, inte- reſſiren mich (wenn, wie natuͤrlich, das uͤbrige gleich iſt,) mehr, als Handlungen, Begebenheiten und Lagen, welche in meiner eignen Erfahrung noch nicht vorgekommen ſind.
Bis
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[302/0018]
andre geſetzt wird, wie es bey jener der Fall ſeyn
kann. Das Ploͤtzliche und Unerwartete greift
ſtark in das Gefuͤhl: und ſetzt das Herz zuweilen
in ſehr heftige Bewegung, die einem Zittern aͤhn-
lich iſt. Das Unerwartete nemlich hemmt mit
einemmal den Fluß der Vorſtellungen, in welcher
die Thaͤtigkeit der Seele ſich itzo hinbewegte; und
die Seele muß viel Anſtrengung und Kraft an-
wenden, um die Vorſtellungen aufzufaſſen und
zu halten, welche nichts im Gemuͤth vorfinden,
woran ſie ſich ſchließen koͤnnten. Koͤmmt irgend
etwas erwartet, ſo iſt die Seele ſchon vorbereitet,
ſie darf nicht eine Vorſtellungsreihe zerreißen, und
ihre ganze Kraft anſpannen, um eine ganz frem-
de Vorſtellung zu faſſen.
Das Herz wird endlich von den Dingen am
ſtaͤrkſten geruͤhrt, die ihm eine Aehnlichkeit mit
ſeinem eignen Zuſtande vorſtellen: es ſieht ſich
ſelbſt dann durch die Phantaſie in dieſem Zuſtande
leiden und handeln. Eine Handlung, die ich
ſelbſt einmal unternommen, eine Begebenheit,
in deren aͤhnliche ich einſt verwickelt war, eine
Lage, die ich aus meiner Erfahrung kenne, inte-
reſſiren mich (wenn, wie natuͤrlich, das uͤbrige
gleich iſt,) mehr, als Handlungen, Begebenheiten
und Lagen, welche in meiner eignen Erfahrung
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/18>, abgerufen am 23.11.2024.
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