dem Wasser geschehen können. Er dachte viel über die Ursache dieses Wassertraums nach, und wußte sie im Anfange durchaus nicht zu finden. Endlich fällt ihm, da er von ohngefehr ans Fen- ster tritt, ein Wasserbehälter in die Augen, aus welchem das Wasser mit einem ziemlichen Ge- räusch in ein unter demselben befindliches Bassin hinabstürzte, und siehe da, er hatte die Quelle seines Traumes gefunden. Weil ihn nemlich die Hypochondrie nicht ganz fest schlafen ließ, so konnte bey der Stille der Nacht das Geräusch des Wassers wohl zu seinem Ohre dringen und ihn zu jenen Träumen veranlassen. -- Ein An- drer träumte einmal von Ohrenschmerzen und wußte gar nicht, wie er grade auf diese hatte kommen können. Die Ursache ergab sich aber sehr bald. Es schlief nemlich in einem Zimmer mit ihm eine Person, welcher schon öfter der Ohrenzwang eine schlaflose Nacht gemacht und laute Seufzer ausgepreßt hatte. Dies war auch in dieser Nacht der Fall gewesen. Das Wim- mern des Kranken war in das Ohr des Träu- menden gedrungen, ob dieser gleich, weil er ziem- lich fest schlief, es sich nicht bewußt war, und hatte also den Traum von Ohrenschmerzen leicht erzeugen können. --
Weil nun aber die Urtheilskraft im Traum, da nicht alle Empfindungswege offen sind, nur
ein-
E 4
dem Waſſer geſchehen koͤnnen. Er dachte viel uͤber die Urſache dieſes Waſſertraums nach, und wußte ſie im Anfange durchaus nicht zu finden. Endlich faͤllt ihm, da er von ohngefehr ans Fen- ſter tritt, ein Waſſerbehaͤlter in die Augen, aus welchem das Waſſer mit einem ziemlichen Ge- raͤuſch in ein unter demſelben befindliches Baſſin hinabſtuͤrzte, und ſiehe da, er hatte die Quelle ſeines Traumes gefunden. Weil ihn nemlich die Hypochondrie nicht ganz feſt ſchlafen ließ, ſo konnte bey der Stille der Nacht das Geraͤuſch des Waſſers wohl zu ſeinem Ohre dringen und ihn zu jenen Traͤumen veranlaſſen. — Ein An- drer traͤumte einmal von Ohrenſchmerzen und wußte gar nicht, wie er grade auf dieſe hatte kommen koͤnnen. Die Urſache ergab ſich aber ſehr bald. Es ſchlief nemlich in einem Zimmer mit ihm eine Perſon, welcher ſchon oͤfter der Ohrenzwang eine ſchlafloſe Nacht gemacht und laute Seufzer ausgepreßt hatte. Dies war auch in dieſer Nacht der Fall geweſen. Das Wim- mern des Kranken war in das Ohr des Traͤu- menden gedrungen, ob dieſer gleich, weil er ziem- lich feſt ſchlief, es ſich nicht bewußt war, und hatte alſo den Traum von Ohrenſchmerzen leicht erzeugen koͤnnen. —
Weil nun aber die Urtheilskraft im Traum, da nicht alle Empfindungswege offen ſind, nur
ein-
E 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0095"n="71"/>
dem Waſſer geſchehen koͤnnen. Er dachte viel<lb/>
uͤber die Urſache dieſes Waſſertraums nach, und<lb/>
wußte ſie im Anfange durchaus nicht zu finden.<lb/>
Endlich faͤllt ihm, da er von ohngefehr ans Fen-<lb/>ſter tritt, ein Waſſerbehaͤlter in die Augen, aus<lb/>
welchem das Waſſer mit einem ziemlichen Ge-<lb/>
raͤuſch in ein unter demſelben befindliches Baſſin<lb/>
hinabſtuͤrzte, und ſiehe da, er hatte die Quelle<lb/>ſeines Traumes gefunden. Weil ihn nemlich die<lb/>
Hypochondrie nicht ganz feſt ſchlafen ließ, ſo<lb/>
konnte bey der Stille der Nacht das Geraͤuſch<lb/>
des Waſſers wohl zu ſeinem Ohre dringen und<lb/>
ihn zu jenen Traͤumen veranlaſſen. — Ein An-<lb/>
drer traͤumte einmal von Ohrenſchmerzen und<lb/>
wußte gar nicht, wie er grade auf dieſe hatte<lb/>
kommen koͤnnen. Die Urſache ergab ſich aber<lb/>ſehr bald. Es ſchlief nemlich in einem Zimmer<lb/>
mit ihm eine Perſon, welcher ſchon oͤfter der<lb/>
Ohrenzwang eine ſchlafloſe Nacht gemacht und<lb/>
laute Seufzer ausgepreßt hatte. Dies war auch<lb/>
in dieſer Nacht der Fall geweſen. Das Wim-<lb/>
mern des Kranken war in das Ohr des Traͤu-<lb/>
menden gedrungen, ob dieſer gleich, weil er ziem-<lb/>
lich feſt ſchlief, es ſich nicht bewußt war, und<lb/>
hatte alſo den Traum von Ohrenſchmerzen leicht<lb/>
erzeugen koͤnnen. —</p><lb/><p>Weil nun aber die Urtheilskraft im Traum,<lb/>
da nicht alle Empfindungswege offen ſind, nur<lb/><fwplace="bottom"type="sig">E 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">ein-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[71/0095]
dem Waſſer geſchehen koͤnnen. Er dachte viel
uͤber die Urſache dieſes Waſſertraums nach, und
wußte ſie im Anfange durchaus nicht zu finden.
Endlich faͤllt ihm, da er von ohngefehr ans Fen-
ſter tritt, ein Waſſerbehaͤlter in die Augen, aus
welchem das Waſſer mit einem ziemlichen Ge-
raͤuſch in ein unter demſelben befindliches Baſſin
hinabſtuͤrzte, und ſiehe da, er hatte die Quelle
ſeines Traumes gefunden. Weil ihn nemlich die
Hypochondrie nicht ganz feſt ſchlafen ließ, ſo
konnte bey der Stille der Nacht das Geraͤuſch
des Waſſers wohl zu ſeinem Ohre dringen und
ihn zu jenen Traͤumen veranlaſſen. — Ein An-
drer traͤumte einmal von Ohrenſchmerzen und
wußte gar nicht, wie er grade auf dieſe hatte
kommen koͤnnen. Die Urſache ergab ſich aber
ſehr bald. Es ſchlief nemlich in einem Zimmer
mit ihm eine Perſon, welcher ſchon oͤfter der
Ohrenzwang eine ſchlafloſe Nacht gemacht und
laute Seufzer ausgepreßt hatte. Dies war auch
in dieſer Nacht der Fall geweſen. Das Wim-
mern des Kranken war in das Ohr des Traͤu-
menden gedrungen, ob dieſer gleich, weil er ziem-
lich feſt ſchlief, es ſich nicht bewußt war, und
hatte alſo den Traum von Ohrenſchmerzen leicht
erzeugen koͤnnen. —
Weil nun aber die Urtheilskraft im Traum,
da nicht alle Empfindungswege offen ſind, nur
ein-
E 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/95>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.