Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Tode ein Schlachtfeld und Feinde. -- Der
wollüstige Orientaler hingegen, volle Sättigung
seiner Begierden in den Armen der Huris. --
Die Grönländer hoffen, auch künftig in einem
Grönland zu leben, und Seehunde, Wallfische
und Rennthiere, wie in ihrem itzigen Lande, nur
mit leichtrer Mühe, zu fangen. -- Alles, was die
Griechen im Leben genossen und thaten, hofften
sie auch jenseit des Stix thun und genießen zu
können.

Seine Freuden traf der frohe Schatten
Jn Elysiens Haynen wieder an;
Treue Liebe fand den treuen Gatten
Und der Wagenlenker seine Bahn;
Orpheus Spiel tönt die gewohnten Lieder,
Jn Alcestens Arme sinkt Admet.
Seinen Freund erkennt Orestes wieder,
Seine Waffen Philoktet.

Weil aber die Phantasie nur aus der Schaale
der Empfindung die Farben zu ihren Bildern ent-
lehnen kann, erreicht sie auch nur solche Gegen-
stände, die für die Sinne gemacht sind; und
schwingt vergebens ihre Flügel, um Jdeen ihr
Bild abzustehlen. -- Gott im Bilde ist ein
Götze, und der Gesetzgeber der Jsraeliten gab mit
Recht seinem Volke die Lehre: Von Jehovah müßt
ihr euch kein Bild oder Gleichniß machen. --

Darum

dem Tode ein Schlachtfeld und Feinde. — Der
wolluͤſtige Orientaler hingegen, volle Saͤttigung
ſeiner Begierden in den Armen der Huris. —
Die Groͤnlaͤnder hoffen, auch kuͤnftig in einem
Groͤnland zu leben, und Seehunde, Wallfiſche
und Rennthiere, wie in ihrem itzigen Lande, nur
mit leichtrer Muͤhe, zu fangen. — Alles, was die
Griechen im Leben genoſſen und thaten, hofften
ſie auch jenſeit des Stix thun und genießen zu
koͤnnen.

Seine Freuden traf der frohe Schatten
Jn Elyſiens Haynen wieder an;
Treue Liebe fand den treuen Gatten
Und der Wagenlenker ſeine Bahn;
Orpheus Spiel toͤnt die gewohnten Lieder,
Jn Alceſtens Arme ſinkt Admet.
Seinen Freund erkennt Oreſtes wieder,
Seine Waffen Philoktet.

Weil aber die Phantaſie nur aus der Schaale
der Empfindung die Farben zu ihren Bildern ent-
lehnen kann, erreicht ſie auch nur ſolche Gegen-
ſtaͤnde, die fuͤr die Sinne gemacht ſind; und
ſchwingt vergebens ihre Fluͤgel, um Jdeen ihr
Bild abzuſtehlen. — Gott im Bilde iſt ein
Goͤtze, und der Geſetzgeber der Jſraeliten gab mit
Recht ſeinem Volke die Lehre: Von Jehovah muͤßt
ihr euch kein Bild oder Gleichniß machen. —

Darum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0064" n="40"/>
dem Tode ein Schlachtfeld und Feinde. &#x2014; Der<lb/>
wollu&#x0364;&#x017F;tige Orientaler hingegen, volle Sa&#x0364;ttigung<lb/>
&#x017F;einer Begierden in den Armen der Huris. &#x2014;<lb/>
Die Gro&#x0364;nla&#x0364;nder hoffen, auch ku&#x0364;nftig in einem<lb/>
Gro&#x0364;nland zu leben, und Seehunde, Wallfi&#x017F;che<lb/>
und Rennthiere, wie in ihrem itzigen Lande, nur<lb/>
mit leichtrer Mu&#x0364;he, zu fangen. &#x2014; Alles, was die<lb/>
Griechen im Leben geno&#x017F;&#x017F;en und thaten, hofften<lb/>
&#x017F;ie auch jen&#x017F;eit des Stix thun und genießen zu<lb/>
ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Seine Freuden traf der frohe Schatten</l><lb/>
            <l>Jn Ely&#x017F;iens Haynen wieder an;</l><lb/>
            <l>Treue Liebe fand den treuen Gatten</l><lb/>
            <l>Und der Wagenlenker &#x017F;eine Bahn;</l><lb/>
            <l>Orpheus Spiel to&#x0364;nt die gewohnten Lieder,</l><lb/>
            <l>Jn Alce&#x017F;tens Arme &#x017F;inkt Admet.</l><lb/>
            <l>Seinen Freund erkennt Ore&#x017F;tes wieder,</l><lb/>
            <l>Seine Waffen Philoktet.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Weil aber die Phanta&#x017F;ie nur aus der Schaale<lb/>
der Empfindung die Farben zu ihren Bildern ent-<lb/>
lehnen kann, erreicht &#x017F;ie auch nur &#x017F;olche Gegen-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde, die fu&#x0364;r die Sinne gemacht &#x017F;ind; und<lb/>
&#x017F;chwingt vergebens ihre Flu&#x0364;gel, um Jdeen ihr<lb/>
Bild abzu&#x017F;tehlen. &#x2014; Gott im Bilde i&#x017F;t ein<lb/>
Go&#x0364;tze, und der Ge&#x017F;etzgeber der J&#x017F;raeliten gab mit<lb/>
Recht &#x017F;einem Volke die Lehre: Von Jehovah mu&#x0364;ßt<lb/>
ihr euch kein Bild oder Gleichniß machen. &#x2014;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Darum</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0064] dem Tode ein Schlachtfeld und Feinde. — Der wolluͤſtige Orientaler hingegen, volle Saͤttigung ſeiner Begierden in den Armen der Huris. — Die Groͤnlaͤnder hoffen, auch kuͤnftig in einem Groͤnland zu leben, und Seehunde, Wallfiſche und Rennthiere, wie in ihrem itzigen Lande, nur mit leichtrer Muͤhe, zu fangen. — Alles, was die Griechen im Leben genoſſen und thaten, hofften ſie auch jenſeit des Stix thun und genießen zu koͤnnen. Seine Freuden traf der frohe Schatten Jn Elyſiens Haynen wieder an; Treue Liebe fand den treuen Gatten Und der Wagenlenker ſeine Bahn; Orpheus Spiel toͤnt die gewohnten Lieder, Jn Alceſtens Arme ſinkt Admet. Seinen Freund erkennt Oreſtes wieder, Seine Waffen Philoktet. Weil aber die Phantaſie nur aus der Schaale der Empfindung die Farben zu ihren Bildern ent- lehnen kann, erreicht ſie auch nur ſolche Gegen- ſtaͤnde, die fuͤr die Sinne gemacht ſind; und ſchwingt vergebens ihre Fluͤgel, um Jdeen ihr Bild abzuſtehlen. — Gott im Bilde iſt ein Goͤtze, und der Geſetzgeber der Jſraeliten gab mit Recht ſeinem Volke die Lehre: Von Jehovah muͤßt ihr euch kein Bild oder Gleichniß machen. — Darum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/64
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/64>, abgerufen am 23.11.2024.