nachsagen; aber wie nimmt denn nun die Seele diese Jmpressionen aus dem Gehirn auf und wie macht sie dieselben zu Vorstellungen? -- Davon sagen uns die Nervenhypothesen so wenig, als irgend eine andre. --
Das Vermögen der Seele, nach welchem sie Eindrücke von Dingen aufnehmen kann, ist die Sinnlichkeit, welche in so fern die auf den Men- schen wirkende Dinge außerhalb seines Jchs sich befinden, äußerer Sinn genannt wird, im Gegensatz des innern Sinnes oder des Vermö- gens, seine eignen Veränderungen wahrzunehmen.
Wir können aber vermittelst des äußern Sin- nes auf fünf verschiedne Arten afficirt werden, da- her zählet man fünf Sinne.
Von diesen giebt man dem Gesicht und Ge- hör den Namen der feinern und edlen Sinne, weil durch sie das Herz vorzüglich zu feinen Ge- fühlen geweckt wird, und sie überhaupt mit dem edelsten Theil des Menschen, der Seele, im ge- nauesten Zusammenhange stehen. -- Durch das Auge erfreut uns die Natur, erfüllt uns die Schönheit mit Wohlgefallen und Liebe, und die Erhabenheit mit Bewundrung und Erstaunen. Durch das Ohr dringt die harmoniereiche Spra- che der Musik zu unserm Herzen und bewegt uns -- und Auge und Ohr machen es möglich, was un-
mög-
nachſagen; aber wie nimmt denn nun die Seele dieſe Jmpreſſionen aus dem Gehirn auf und wie macht ſie dieſelben zu Vorſtellungen? — Davon ſagen uns die Nervenhypotheſen ſo wenig, als irgend eine andre. —
Das Vermoͤgen der Seele, nach welchem ſie Eindruͤcke von Dingen aufnehmen kann, iſt die Sinnlichkeit, welche in ſo fern die auf den Men- ſchen wirkende Dinge außerhalb ſeines Jchs ſich befinden, aͤußerer Sinn genannt wird, im Gegenſatz des innern Sinnes oder des Vermoͤ- gens, ſeine eignen Veraͤnderungen wahrzunehmen.
Wir koͤnnen aber vermittelſt des aͤußern Sin- nes auf fuͤnf verſchiedne Arten afficirt werden, da- her zaͤhlet man fuͤnf Sinne.
Von dieſen giebt man dem Geſicht und Ge- hoͤr den Namen der feinern und edlen Sinne, weil durch ſie das Herz vorzuͤglich zu feinen Ge- fuͤhlen geweckt wird, und ſie uͤberhaupt mit dem edelſten Theil des Menſchen, der Seele, im ge- naueſten Zuſammenhange ſtehen. — Durch das Auge erfreut uns die Natur, erfuͤllt uns die Schoͤnheit mit Wohlgefallen und Liebe, und die Erhabenheit mit Bewundrung und Erſtaunen. Durch das Ohr dringt die harmoniereiche Spra- che der Muſik zu unſerm Herzen und bewegt uns — und Auge und Ohr machen es moͤglich, was un-
moͤg-
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nachſagen; aber wie nimmt denn nun die Seele
dieſe Jmpreſſionen aus dem Gehirn auf und wie
macht ſie dieſelben zu Vorſtellungen? — Davon
ſagen uns die Nervenhypotheſen ſo wenig, als
irgend eine andre. —
Das Vermoͤgen der Seele, nach welchem
ſie Eindruͤcke von Dingen aufnehmen kann, iſt die
Sinnlichkeit, welche in ſo fern die auf den Men-
ſchen wirkende Dinge außerhalb ſeines Jchs ſich
befinden, aͤußerer Sinn genannt wird, im
Gegenſatz des innern Sinnes oder des Vermoͤ-
gens, ſeine eignen Veraͤnderungen wahrzunehmen.
Wir koͤnnen aber vermittelſt des aͤußern Sin-
nes auf fuͤnf verſchiedne Arten afficirt werden, da-
her zaͤhlet man fuͤnf Sinne.
Von dieſen giebt man dem Geſicht und Ge-
hoͤr den Namen der feinern und edlen Sinne,
weil durch ſie das Herz vorzuͤglich zu feinen Ge-
fuͤhlen geweckt wird, und ſie uͤberhaupt mit dem
edelſten Theil des Menſchen, der Seele, im ge-
naueſten Zuſammenhange ſtehen. — Durch das
Auge erfreut uns die Natur, erfuͤllt uns die
Schoͤnheit mit Wohlgefallen und Liebe, und die
Erhabenheit mit Bewundrung und Erſtaunen.
Durch das Ohr dringt die harmoniereiche Spra-
che der Muſik zu unſerm Herzen und bewegt uns —
und Auge und Ohr machen es moͤglich, was un-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/38>, abgerufen am 16.02.2025.
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