Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.wischt. Glaube nicht, daß Verführung der So sehr man sich zu bestreben hat, seine spielen *) O möchte ich doch irren, wenn ich glaube, daß die-
se Kunst, die Namen des Lasters zu verfälschen, um das Laster zu schmücken, noch viel zu häufig geübt wird! Ja daß man in dieser Kunst viel klüger ge- worden ist -- den Ehrlichen belachen und seiner spotten, heißt klüger und aufgeklärter als er seyn; Verstel- lung, Falschheit und Betrug, heißt Politik. -- Muthwillige Reden und Aeußerungen, Witz. Wer diese Kunst, seine Schlechtigkeit hinter der Larve schöner Namen zu verstecken, versteht, sollte sich doch wenigstens mit dem Prädikat klug behel- fen, und sich nicht für aufgeklärt: andre hingegen, die noch auf Gewissen, Pflicht, Tugend u. s. w. Rücksicht nehmen, für Dummköpfe und gemeine Menschen ausschreyen! wiſcht. Glaube nicht, daß Verfuͤhrung der So ſehr man ſich zu beſtreben hat, ſeine ſpielen *) O moͤchte ich doch irren, wenn ich glaube, daß die-
ſe Kunſt, die Namen des Laſters zu verfaͤlſchen, um das Laſter zu ſchmuͤcken, noch viel zu haͤufig geuͤbt wird! Ja daß man in dieſer Kunſt viel kluͤger ge- worden iſt — den Ehrlichen belachen und ſeiner ſpotten, heißt kluͤger und aufgeklaͤrter als er ſeyn; Verſtel- lung, Falſchheit und Betrug, heißt Politik. — Muthwillige Reden und Aeußerungen, Witz. Wer dieſe Kunſt, ſeine Schlechtigkeit hinter der Larve ſchoͤner Namen zu verſtecken, verſteht, ſollte ſich doch wenigſtens mit dem Praͤdikat klug behel- fen, und ſich nicht fuͤr aufgeklaͤrt: andre hingegen, die noch auf Gewiſſen, Pflicht, Tugend u. ſ. w. Ruͤckſicht nehmen, fuͤr Dummkoͤpfe und gemeine Menſchen ausſchreyen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0308" n="284"/> wiſcht. Glaube nicht, daß Verfuͤhrung der<lb/> Unſchuld und Verletzung des heiligſten Buͤndniſſes<lb/> deswegen weniger laſterhaft iſt, weil die große<lb/> Welt es <hi rendition="#b">Galanterie</hi> nennt. <hi rendition="#b">Das Laſter bleibt<lb/> Laſter, und wenn es ſich mit dem erhabnen<lb/> Namen der Tugend benennte</hi><note place="foot" n="*)">O moͤchte ich doch irren, wenn ich glaube, daß die-<lb/> ſe Kunſt, die Namen des Laſters zu verfaͤlſchen, um<lb/> das Laſter zu ſchmuͤcken, noch viel zu haͤufig geuͤbt<lb/> wird! Ja daß man in dieſer Kunſt viel kluͤger ge-<lb/> worden iſt — den Ehrlichen belachen und ſeiner ſpotten,<lb/> heißt <hi rendition="#fr">kluͤger</hi> und <hi rendition="#fr">aufgeklaͤrter</hi> als er ſeyn; Verſtel-<lb/> lung, Falſchheit und Betrug, heißt <hi rendition="#fr">Politik</hi>. —<lb/> Muthwillige Reden und Aeußerungen, <hi rendition="#fr">Witz</hi>.<lb/> Wer dieſe Kunſt, ſeine Schlechtigkeit hinter der<lb/> Larve ſchoͤner Namen zu verſtecken, verſteht, ſollte<lb/> ſich doch wenigſtens mit dem Praͤdikat <hi rendition="#fr">klug</hi> behel-<lb/> fen, und ſich nicht fuͤr <hi rendition="#fr">aufgeklaͤrt</hi>: andre hingegen,<lb/> die noch auf <hi rendition="#fr">Gewiſſen, Pflicht, Tugend</hi> u. ſ. w.<lb/> Ruͤckſicht nehmen, fuͤr <hi rendition="#fr">Dummkoͤpfe</hi> und <hi rendition="#fr">gemeine<lb/> Menſchen</hi> ausſchreyen!</note>.</p><lb/> <p>So ſehr man ſich zu beſtreben hat, ſeine<lb/> Einbildungskraft von ſolchen Bildern rein zu er-<lb/> halten, welche mit dem Laſter verwandt ſind, und<lb/> zu demſelben verfuͤhren; ſo ſehr muß man beeifert<lb/> ſeyn, ſie mit ſolchen Vorſtellungen zu erfuͤllen,<lb/> welche der Tugend gehoͤren, und ihr nachzufolgen,<lb/> einladen koͤnnen. Man mache ſich daher mit der<lb/> Tugend bekannt, und ſammle ſich in den Bey-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſpielen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [284/0308]
wiſcht. Glaube nicht, daß Verfuͤhrung der
Unſchuld und Verletzung des heiligſten Buͤndniſſes
deswegen weniger laſterhaft iſt, weil die große
Welt es Galanterie nennt. Das Laſter bleibt
Laſter, und wenn es ſich mit dem erhabnen
Namen der Tugend benennte *).
So ſehr man ſich zu beſtreben hat, ſeine
Einbildungskraft von ſolchen Bildern rein zu er-
halten, welche mit dem Laſter verwandt ſind, und
zu demſelben verfuͤhren; ſo ſehr muß man beeifert
ſeyn, ſie mit ſolchen Vorſtellungen zu erfuͤllen,
welche der Tugend gehoͤren, und ihr nachzufolgen,
einladen koͤnnen. Man mache ſich daher mit der
Tugend bekannt, und ſammle ſich in den Bey-
ſpielen
*) O moͤchte ich doch irren, wenn ich glaube, daß die-
ſe Kunſt, die Namen des Laſters zu verfaͤlſchen, um
das Laſter zu ſchmuͤcken, noch viel zu haͤufig geuͤbt
wird! Ja daß man in dieſer Kunſt viel kluͤger ge-
worden iſt — den Ehrlichen belachen und ſeiner ſpotten,
heißt kluͤger und aufgeklaͤrter als er ſeyn; Verſtel-
lung, Falſchheit und Betrug, heißt Politik. —
Muthwillige Reden und Aeußerungen, Witz.
Wer dieſe Kunſt, ſeine Schlechtigkeit hinter der
Larve ſchoͤner Namen zu verſtecken, verſteht, ſollte
ſich doch wenigſtens mit dem Praͤdikat klug behel-
fen, und ſich nicht fuͤr aufgeklaͤrt: andre hingegen,
die noch auf Gewiſſen, Pflicht, Tugend u. ſ. w.
Ruͤckſicht nehmen, fuͤr Dummkoͤpfe und gemeine
Menſchen ausſchreyen!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |