Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


auch in dem Hause des Elends nicht ausgehalten.
Die Bilder der unglücklichen Bewohner zittern
noch vor meiner Phantasie.

Hier, liebster B., haben Sie eine Schilde-
rung von dem Elend, was ich sah: so gut ich sie
Jhnen geben konnte. Es ist zu bedauern, daß man
in solchen Anstalten sehr selten etwas Bestimmtes
von der Ursache, durch welche die hieher gebrach-
ten um ihren Verstand gebracht wurden, erfah-
ren kann. Jn manchen Fällen würde diese Nach-
richt freylich nicht gut eingezogen werden können;
indeß oft würde es doch ohne viel Schwierigkeit
möglich seyn. Wenn die Aufseher dieser Jnstitu-
te sich genau darum bekümmerten, und dann die
Gelegenheit, welche sie haben, den Gang der
Verrücktheit zu beobachten, nutzten, welch' eine
pragmatische Geschichte dieser Seelenkrankheit
würde sich aus ihren Beobachtungen abfassen lassen,
welch ein Verdienst würden sich diese Männer um
die Menschheit erwerben! --

Unter ähnlichen Häusern hat gewiß das Cel-
lische Jrrhaus, wo nicht den ersten, doch einen
der ersten Plätze. Man ist, was so oft in solchen
Anstalten vermißt wird, äußerst besorgt, um
Reinlichkeit, Ordnung und Pflege der Unglück-
lichen. Der Tollgang wird, wenn ich mich recht
erinnere, alle Tage oder einen Tag um den andern
gereinigt, und so verhältnißmäßig die übrigen

Zim-
P 2


auch in dem Hauſe des Elends nicht ausgehalten.
Die Bilder der ungluͤcklichen Bewohner zittern
noch vor meiner Phantaſie.

Hier, liebſter B., haben Sie eine Schilde-
rung von dem Elend, was ich ſah: ſo gut ich ſie
Jhnen geben konnte. Es iſt zu bedauern, daß man
in ſolchen Anſtalten ſehr ſelten etwas Beſtimmtes
von der Urſache, durch welche die hieher gebrach-
ten um ihren Verſtand gebracht wurden, erfah-
ren kann. Jn manchen Faͤllen wuͤrde dieſe Nach-
richt freylich nicht gut eingezogen werden koͤnnen;
indeß oft wuͤrde es doch ohne viel Schwierigkeit
moͤglich ſeyn. Wenn die Aufſeher dieſer Jnſtitu-
te ſich genau darum bekuͤmmerten, und dann die
Gelegenheit, welche ſie haben, den Gang der
Verruͤcktheit zu beobachten, nutzten, welch' eine
pragmatiſche Geſchichte dieſer Seelenkrankheit
wuͤrde ſich aus ihren Beobachtungen abfaſſen laſſen,
welch ein Verdienſt wuͤrden ſich dieſe Maͤnner um
die Menſchheit erwerben! —

Unter aͤhnlichen Haͤuſern hat gewiß das Cel-
liſche Jrrhaus, wo nicht den erſten, doch einen
der erſten Plaͤtze. Man iſt, was ſo oft in ſolchen
Anſtalten vermißt wird, aͤußerſt beſorgt, um
Reinlichkeit, Ordnung und Pflege der Ungluͤck-
lichen. Der Tollgang wird, wenn ich mich recht
erinnere, alle Tage oder einen Tag um den andern
gereinigt, und ſo verhaͤltnißmaͤßig die uͤbrigen

Zim-
P 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <div type="letter">
                <p><pb facs="#f0251" n="227"/><lb/>
auch in dem Hau&#x017F;e des Elends nicht ausgehalten.<lb/>
Die Bilder der unglu&#x0364;cklichen Bewohner zittern<lb/>
noch vor meiner Phanta&#x017F;ie.</p><lb/>
                <p>Hier, lieb&#x017F;ter B., haben Sie eine Schilde-<lb/>
rung von dem Elend, was ich &#x017F;ah: &#x017F;o gut ich &#x017F;ie<lb/>
Jhnen geben konnte. Es i&#x017F;t zu bedauern, daß man<lb/>
in &#x017F;olchen An&#x017F;talten &#x017F;ehr &#x017F;elten etwas Be&#x017F;timmtes<lb/>
von der Ur&#x017F;ache, durch welche die hieher gebrach-<lb/>
ten um ihren Ver&#x017F;tand gebracht wurden, erfah-<lb/>
ren kann. Jn manchen Fa&#x0364;llen wu&#x0364;rde die&#x017F;e Nach-<lb/>
richt freylich nicht gut eingezogen werden ko&#x0364;nnen;<lb/>
indeß oft wu&#x0364;rde es doch ohne viel Schwierigkeit<lb/>
mo&#x0364;glich &#x017F;eyn. Wenn die Auf&#x017F;eher die&#x017F;er Jn&#x017F;titu-<lb/>
te &#x017F;ich genau darum beku&#x0364;mmerten, und dann die<lb/>
Gelegenheit, welche &#x017F;ie haben, den Gang der<lb/>
Verru&#x0364;cktheit zu beobachten, nutzten, welch' eine<lb/>
pragmati&#x017F;che Ge&#x017F;chichte die&#x017F;er Seelenkrankheit<lb/>
wu&#x0364;rde &#x017F;ich aus ihren Beobachtungen abfa&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
welch ein Verdien&#x017F;t wu&#x0364;rden &#x017F;ich die&#x017F;e Ma&#x0364;nner um<lb/>
die Men&#x017F;chheit erwerben! &#x2014;</p><lb/>
                <p>Unter a&#x0364;hnlichen Ha&#x0364;u&#x017F;ern hat gewiß das Cel-<lb/>
li&#x017F;che Jrrhaus, wo nicht den er&#x017F;ten, doch einen<lb/>
der er&#x017F;ten Pla&#x0364;tze. Man i&#x017F;t, was &#x017F;o oft in &#x017F;olchen<lb/>
An&#x017F;talten vermißt wird, a&#x0364;ußer&#x017F;t be&#x017F;orgt, um<lb/>
Reinlichkeit, Ordnung und Pflege der Unglu&#x0364;ck-<lb/>
lichen. Der Tollgang wird, wenn ich mich recht<lb/>
erinnere, alle Tage oder einen Tag um den andern<lb/>
gereinigt, und &#x017F;o verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig die u&#x0364;brigen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Zim-</fw><lb/></p>
              </div>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0251] auch in dem Hauſe des Elends nicht ausgehalten. Die Bilder der ungluͤcklichen Bewohner zittern noch vor meiner Phantaſie. Hier, liebſter B., haben Sie eine Schilde- rung von dem Elend, was ich ſah: ſo gut ich ſie Jhnen geben konnte. Es iſt zu bedauern, daß man in ſolchen Anſtalten ſehr ſelten etwas Beſtimmtes von der Urſache, durch welche die hieher gebrach- ten um ihren Verſtand gebracht wurden, erfah- ren kann. Jn manchen Faͤllen wuͤrde dieſe Nach- richt freylich nicht gut eingezogen werden koͤnnen; indeß oft wuͤrde es doch ohne viel Schwierigkeit moͤglich ſeyn. Wenn die Aufſeher dieſer Jnſtitu- te ſich genau darum bekuͤmmerten, und dann die Gelegenheit, welche ſie haben, den Gang der Verruͤcktheit zu beobachten, nutzten, welch' eine pragmatiſche Geſchichte dieſer Seelenkrankheit wuͤrde ſich aus ihren Beobachtungen abfaſſen laſſen, welch ein Verdienſt wuͤrden ſich dieſe Maͤnner um die Menſchheit erwerben! — Unter aͤhnlichen Haͤuſern hat gewiß das Cel- liſche Jrrhaus, wo nicht den erſten, doch einen der erſten Plaͤtze. Man iſt, was ſo oft in ſolchen Anſtalten vermißt wird, aͤußerſt beſorgt, um Reinlichkeit, Ordnung und Pflege der Ungluͤck- lichen. Der Tollgang wird, wenn ich mich recht erinnere, alle Tage oder einen Tag um den andern gereinigt, und ſo verhaͤltnißmaͤßig die uͤbrigen Zim- P 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/251
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/251>, abgerufen am 25.11.2024.