Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.nige stillere Männer folgten. Unter diesen rühr- Wir kamen nach diesen an einen Käficht, der Jch halte es, beyläufig gesagt, für sehr schäd- stens
nige ſtillere Maͤnner folgten. Unter dieſen ruͤhr- Wir kamen nach dieſen an einen Kaͤficht, der Jch halte es, beylaͤufig geſagt, fuͤr ſehr ſchaͤd- ſtens
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0248" n="224"/> nige ſtillere Maͤnner folgten. Unter dieſen ruͤhr-<lb/> te mich vornemlich einer, der bey dem Verſpre-<lb/> chen des Zuchtmeiſters, heute noch ein Stuͤnd-<lb/> chen ausgelaſſen zu werden, ſich recht herzlich<lb/> freute.</p><lb/> <p>Wir kamen nach dieſen an einen Kaͤficht, der<lb/> einen Mann einſchloß, welchen die Liebe verruͤckt<lb/> hat. Er war ein geborner Goͤttinger. Er lag<lb/> ſtill auf ſeinem Lager, und achtete und antwortete<lb/> auf keine Frage. Er ſchien fuͤr nichts eine Vor-<lb/> ſtellung und Sinn zu haben, als fuͤr die Urſache<lb/> ſeines Elends. Denn, ſobald der Name ſeiner<lb/> Geliebten genannt wurde, ſprang er ſogleich von<lb/> ſeinem Lager auf, kam ans Gitter, und fragte,<lb/> was man wolle. Als darauf der Name, welcher<lb/> ihn aufgerufen hatte, wiederhohlt wurde, ward er<lb/> verdrießlich, und warf ſich, ohne zu antworten,<lb/> wieder auf ſein Lager.</p><lb/> <p>Jch halte es, beylaͤufig geſagt, fuͤr ſehr ſchaͤd-<lb/> lich, einem auf dieſe Art Verruͤcktgewordnen an<lb/> die Urſach ſeiner Verruͤcktheit zu erinnern oder<lb/> vielmehr durch Reden und Anſpielungen auf die-<lb/> ſelbe, die fuͤr ſich ſchon zu lebendige Vorſtellung<lb/> noch feuriger und lebendiger zu machen. Leiden-<lb/> ſchaft macht den Menſchen verruͤckt, wenn die ihr<lb/> angehoͤrigen Jdeen ſo maͤchtig werden, daß ſie<lb/> allein in dem Gemuͤthe herrſchen, und alle uͤbrigen<lb/> Vorſtellungen ganz verdraͤngen, oder ihnen wenig-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſtens</fw><lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </body> </text> </TEI> [224/0248]
nige ſtillere Maͤnner folgten. Unter dieſen ruͤhr-
te mich vornemlich einer, der bey dem Verſpre-
chen des Zuchtmeiſters, heute noch ein Stuͤnd-
chen ausgelaſſen zu werden, ſich recht herzlich
freute.
Wir kamen nach dieſen an einen Kaͤficht, der
einen Mann einſchloß, welchen die Liebe verruͤckt
hat. Er war ein geborner Goͤttinger. Er lag
ſtill auf ſeinem Lager, und achtete und antwortete
auf keine Frage. Er ſchien fuͤr nichts eine Vor-
ſtellung und Sinn zu haben, als fuͤr die Urſache
ſeines Elends. Denn, ſobald der Name ſeiner
Geliebten genannt wurde, ſprang er ſogleich von
ſeinem Lager auf, kam ans Gitter, und fragte,
was man wolle. Als darauf der Name, welcher
ihn aufgerufen hatte, wiederhohlt wurde, ward er
verdrießlich, und warf ſich, ohne zu antworten,
wieder auf ſein Lager.
Jch halte es, beylaͤufig geſagt, fuͤr ſehr ſchaͤd-
lich, einem auf dieſe Art Verruͤcktgewordnen an
die Urſach ſeiner Verruͤcktheit zu erinnern oder
vielmehr durch Reden und Anſpielungen auf die-
ſelbe, die fuͤr ſich ſchon zu lebendige Vorſtellung
noch feuriger und lebendiger zu machen. Leiden-
ſchaft macht den Menſchen verruͤckt, wenn die ihr
angehoͤrigen Jdeen ſo maͤchtig werden, daß ſie
allein in dem Gemuͤthe herrſchen, und alle uͤbrigen
Vorſtellungen ganz verdraͤngen, oder ihnen wenig-
ſtens
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