ist doch ihre gemeinschaftliche Wirksamkeit und die gegenseitige Unterstützung, welche sie sich leisten, nicht zu verkennen. Ueberhaupt muß ich hier ein für allemal die Bemerkung machen, daß man die Unterscheidung der Begriffe der Seelenvermö- gen nicht für eine Trennung der Seelenvermö- gen selbst halte, welche sich (wie sollte dies ge- schehen können?) nicht von einander absondern lassen, sondern jede Seelenhandlung als ihr ge- meinschaftliches Resultat hervorbringen. Wir sondern sie indeß in Begriffen von einander ab, um auf diese Weise leichter die Art und die Ge- setze ihrer Activität erforschen zu können, welches uns ohnedieß bey einem so zusammengesetzten Spiel unmöglich seyn würde. Beym Nachden- ken, sagt Herr Moritz in seiner bekannten Ab- handlung über die bildende Nachahmung des Schönen, kommt es blos aufs Unterscheiden an; und müssen, so wie auf dem Globus gewisse feste Grenzlinien, die in der Natur selbst nicht statt finden, gezogen werden, wenn die Begriffe sich nicht wiederum eben so, wie ihre Gegenstände, unmerklich in einander verlieren und verschwim- men sollen.
Wenn man durch das Gedächtniß etwas re- produciren will, ist die Einbildungskraft beschäf- tigt, alle die einzelnen Umstände, unter welchen das zu reproducirende aufgefaßt wurde, zu samm-
len,
iſt doch ihre gemeinſchaftliche Wirkſamkeit und die gegenſeitige Unterſtuͤtzung, welche ſie ſich leiſten, nicht zu verkennen. Ueberhaupt muß ich hier ein fuͤr allemal die Bemerkung machen, daß man die Unterſcheidung der Begriffe der Seelenvermoͤ- gen nicht fuͤr eine Trennung der Seelenvermoͤ- gen ſelbſt halte, welche ſich (wie ſollte dies ge- ſchehen koͤnnen?) nicht von einander abſondern laſſen, ſondern jede Seelenhandlung als ihr ge- meinſchaftliches Reſultat hervorbringen. Wir ſondern ſie indeß in Begriffen von einander ab, um auf dieſe Weiſe leichter die Art und die Ge- ſetze ihrer Activitaͤt erforſchen zu koͤnnen, welches uns ohnedieß bey einem ſo zuſammengeſetzten Spiel unmoͤglich ſeyn wuͤrde. Beym Nachden- ken, ſagt Herr Moritz in ſeiner bekannten Ab- handlung uͤber die bildende Nachahmung des Schoͤnen, kommt es blos aufs Unterſcheiden an; und muͤſſen, ſo wie auf dem Globus gewiſſe feſte Grenzlinien, die in der Natur ſelbſt nicht ſtatt finden, gezogen werden, wenn die Begriffe ſich nicht wiederum eben ſo, wie ihre Gegenſtaͤnde, unmerklich in einander verlieren und verſchwim- men ſollen.
Wenn man durch das Gedaͤchtniß etwas re- produciren will, iſt die Einbildungskraft beſchaͤf- tigt, alle die einzelnen Umſtaͤnde, unter welchen das zu reproducirende aufgefaßt wurde, zu ſamm-
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iſt doch ihre gemeinſchaftliche Wirkſamkeit und die
gegenſeitige Unterſtuͤtzung, welche ſie ſich leiſten,
nicht zu verkennen. Ueberhaupt muß ich hier ein
fuͤr allemal die Bemerkung machen, daß man
die Unterſcheidung der Begriffe der Seelenvermoͤ-
gen nicht fuͤr eine Trennung der Seelenvermoͤ-
gen ſelbſt halte, welche ſich (wie ſollte dies ge-
ſchehen koͤnnen?) nicht von einander abſondern
laſſen, ſondern jede Seelenhandlung als ihr ge-
meinſchaftliches Reſultat hervorbringen. Wir
ſondern ſie indeß in Begriffen von einander ab,
um auf dieſe Weiſe leichter die Art und die Ge-
ſetze ihrer Activitaͤt erforſchen zu koͤnnen, welches
uns ohnedieß bey einem ſo zuſammengeſetzten
Spiel unmoͤglich ſeyn wuͤrde. Beym Nachden-
ken, ſagt Herr Moritz in ſeiner bekannten Ab-
handlung uͤber die bildende Nachahmung des
Schoͤnen, kommt es blos aufs Unterſcheiden an;
und muͤſſen, ſo wie auf dem Globus gewiſſe feſte
Grenzlinien, die in der Natur ſelbſt nicht ſtatt
finden, gezogen werden, wenn die Begriffe ſich
nicht wiederum eben ſo, wie ihre Gegenſtaͤnde,
unmerklich in einander verlieren und verſchwim-
men ſollen.
Wenn man durch das Gedaͤchtniß etwas re-
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tigt, alle die einzelnen Umſtaͤnde, unter welchen
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/152>, abgerufen am 02.05.2024.
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