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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792.

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Uneingenommenheit und der richtigen An-
sicht der Sache nachtheilig werden könnte.
Er sucht sich die Ruhe und Gleichmüthigkeit
zu erhalten, in welcher man alles sieht, wie
es ist. Erfüllung seiner Pflicht ist sein erstes
Gesetz, und die daraus entspringende Selbst-
zufriedenheit sein höchster Genuss. Die Rech-
te der Menschheit sind ihm heilig: nur zu ih-
rem Schutz und zu ihrer Vertheidigung hält
er sich berufen. Vor seinem Tribunal gilt
kein Ansehn der Person: er sieht, in dem
Armen und Reichen, in den Hohen und Nie-
dern nichts -- als den Menschen. Innig ver-
traut mit dem Geist der Gesetze, tödtet er nie
durch den Buchstaben -- und hat edle Frey-
müthigkeit genug, gegen gefühllose Förm-
lichkeit und kaltes System auf die Seite der
Menschheit zu treten. Jede Untersuchung ist
ihm ein ernstes, ein wichtiges Geschäfft, das
er nie ohne sich gesammelt und durch prü-
fendes Nachdenken vorbereitet zu haben an-

fängt,
D 2

Uneingenommenheit und der richtigen An-
ſicht der Sache nachtheilig werden könnte.
Er ſucht ſich die Ruhe und Gleichmüthigkeit
zu erhalten, in welcher man alles ſieht, wie
es iſt. Erfüllung ſeiner Pflicht iſt ſein erſtes
Geſetz, und die daraus entſpringende Selbſt-
zufriedenheit ſein höchſter Genuſs. Die Rech-
te der Menſchheit ſind ihm heilig: nur zu ih-
rem Schutz und zu ihrer Vertheidigung hält
er ſich berufen. Vor ſeinem Tribunal gilt
kein Anſehn der Perſon: er ſieht, in dem
Armen und Reichen, in den Hohen und Nie-
dern nichts — als den Menſchen. Innig ver-
traut mit dem Geiſt der Geſetze, tödtet er nie
durch den Buchſtaben — und hat edle Frey-
müthigkeit genug, gegen gefühlloſe Förm-
lichkeit und kaltes Syſtem auf die Seite der
Menſchheit zu treten. Jede Unterſuchung iſt
ihm ein ernſtes, ein wichtiges Geſchäfft, das
er nie ohne ſich geſammelt und durch prü-
fendes Nachdenken vorbereitet zu haben an-

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[51/0053] Uneingenommenheit und der richtigen An- ſicht der Sache nachtheilig werden könnte. Er ſucht ſich die Ruhe und Gleichmüthigkeit zu erhalten, in welcher man alles ſieht, wie es iſt. Erfüllung ſeiner Pflicht iſt ſein erſtes Geſetz, und die daraus entſpringende Selbſt- zufriedenheit ſein höchſter Genuſs. Die Rech- te der Menſchheit ſind ihm heilig: nur zu ih- rem Schutz und zu ihrer Vertheidigung hält er ſich berufen. Vor ſeinem Tribunal gilt kein Anſehn der Perſon: er ſieht, in dem Armen und Reichen, in den Hohen und Nie- dern nichts — als den Menſchen. Innig ver- traut mit dem Geiſt der Geſetze, tödtet er nie durch den Buchſtaben — und hat edle Frey- müthigkeit genug, gegen gefühlloſe Förm- lichkeit und kaltes Syſtem auf die Seite der Menſchheit zu treten. Jede Unterſuchung iſt ihm ein ernſtes, ein wichtiges Geſchäfft, das er nie ohne ſich geſammelt und durch prü- fendes Nachdenken vorbereitet zu haben an- fängt, D 2

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792/53>, abgerufen am 21.11.2024.