Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.versucht haben, zufrieden damit, wenn nur der Grundgedanke Anerkennung und weitere Durchführung erhalten sollte. Die der Freimaurerei zu Grunde liegenden Grundsätze der allgemeinen Duldung des Glaubens aller Völker und aller Menschen und die Anerkennung des Allgemeinmenschlichen ist in England das einfache versöhnende Erzeugniss des Jahrhunderte langen Kampfes, welchen zuletzt noch in den Bauhütten und Bauzünften das unterdrückte Volk und der unterdrückte Glaube gegen den siegreichen Eroberer und die herrschende Kirche geführt hat. Das blaue Kleid, welches der walische Oberbarde (Bardd ynys Prydain) trug1) und woher auch das blaue Band der Maurer stammen möchte, könnte als das Symbol der unerschütterlichen Vaterlandstreue und alten Volkssitte gedeutet werden. Die Freimaurerei dürfte vielleicht der keltische Ritterroman der britischen Bauleute, das Ritterthum der Bauleute genannt werden, und jedenfalls sind das Ritterthum und die Freimaurerei denselben Wurzeln entsprossen. Fr. Schlegel, Philosophie der Gesch., II. S. 152 sagt: "Die Zeit und die Geschichte des Ritterthums waren schon an sich eine Poesie in der Wirklichkeit und im Leben selbst", und dieses darf mit allem Rechte auch auf die heutige Freimaurerei angewandt werden, darin allein liegt ihr Bedürfniss und ihr ganz unschätzbarer Werth. In einer so kalten, so flachen, so eigennützigen und feindlichen Welt, wie der unsrigen, ist es unendlich erhebend und stärkend, doch zuweilen auf einige Stunden den schönen Traum der allgemeinen Menschenliebe, Gleichheit und Freiheit zu träumen. Die tadelnden Ansichten, welche Fr. Schlegel in der 18ten Vorlesung seiner Philosophie der Geschichte über die Freimaurerei vorgetragen hat und wobei der nach ihm über die Brücke des Ordens der Tempelherrn nach dem Abendlande gekommenen Freimaurerei einerseits eine in die Sentenzen der allgemeinen Menschenliebe eingehüllte unchristliche Gesinnung vorgeworfen und andererseits die mit Absicht im Stillen geschehene Vorbereitung mancher geschichtlichen Begebenheiten zugeschrieben wird, beruht 1) Eckermann, III. 2. S. 132.
versucht haben, zufrieden damit, wenn nur der Grundgedanke Anerkennung und weitere Durchführung erhalten sollte. Die der Freimaurerei zu Grunde liegenden Grundsätze der allgemeinen Duldung des Glaubens aller Völker und aller Menschen und die Anerkennung des Allgemeinmenschlichen ist in England das einfache versöhnende Erzeugniss des Jahrhunderte langen Kampfes, welchen zuletzt noch in den Bauhütten und Bauzünften das unterdrückte Volk und der unterdrückte Glaube gegen den siegreichen Eroberer und die herrschende Kirche geführt hat. Das blaue Kleid, welches der walische Oberbarde (Bardd ynys Prydain) trug1) und woher auch das blaue Band der Maurer stammen möchte, könnte als das Symbol der unerschütterlichen Vaterlandstreue und alten Volkssitte gedeutet werden. Die Freimaurerei dürfte vielleicht der keltische Ritterroman der britischen Bauleute, das Ritterthum der Bauleute genannt werden, und jedenfalls sind das Ritterthum und die Freimaurerei denselben Wurzeln entsprossen. Fr. Schlegel, Philosophie der Gesch., II. S. 152 sagt: „Die Zeit und die Geschichte des Ritterthums waren schon an sich eine Poesie in der Wirklichkeit und im Leben selbst“, und dieses darf mit allem Rechte auch auf die heutige Freimaurerei angewandt werden, darin allein liegt ihr Bedürfniss und ihr ganz unschätzbarer Werth. In einer so kalten, so flachen, so eigennützigen und feindlichen Welt, wie der unsrigen, ist es unendlich erhebend und stärkend, doch zuweilen auf einige Stunden den schönen Traum der allgemeinen Menschenliebe, Gleichheit und Freiheit zu träumen. Die tadelnden Ansichten, welche Fr. Schlegel in der 18ten Vorlesung seiner Philosophie der Geschichte über die Freimaurerei vorgetragen hat und wobei der nach ihm über die Brücke des Ordens der Tempelherrn nach dem Abendlande gekommenen Freimaurerei einerseits eine in die Sentenzen der allgemeinen Menschenliebe eingehüllte unchristliche Gesinnung vorgeworfen und andererseits die mit Absicht im Stillen geschehene Vorbereitung mancher geschichtlichen Begebenheiten zugeschrieben wird, beruht 1) Eckermann, III. 2. S. 132.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0627" n="607"/><hi rendition="#g">versucht</hi> haben, zufrieden damit, wenn nur der Grundgedanke Anerkennung und weitere Durchführung erhalten sollte. Die der Freimaurerei zu Grunde liegenden Grundsätze der allgemeinen Duldung des Glaubens aller Völker und aller Menschen und die Anerkennung des Allgemeinmenschlichen ist in England das einfache versöhnende Erzeugniss des Jahrhunderte langen Kampfes, welchen zuletzt noch in den Bauhütten und Bauzünften das unterdrückte Volk und der unterdrückte Glaube gegen den siegreichen Eroberer und die herrschende Kirche geführt hat. Das blaue Kleid, welches der walische Oberbarde (Bardd ynys Prydain) trug<note place="foot" n="1)">Eckermann, III. 2. S. 132.</note> und woher auch das blaue Band der Maurer stammen möchte, könnte als das Symbol der unerschütterlichen Vaterlandstreue und alten Volkssitte gedeutet werden. Die Freimaurerei dürfte vielleicht der keltische Ritterroman der britischen Bauleute, das Ritterthum der Bauleute genannt werden, und jedenfalls sind das Ritterthum und die Freimaurerei denselben Wurzeln entsprossen. Fr. Schlegel, Philosophie der Gesch., II. S. 152 sagt: „Die Zeit und die Geschichte des Ritterthums waren schon an sich eine Poesie in der Wirklichkeit und im Leben selbst“, und dieses darf mit allem Rechte auch auf die heutige Freimaurerei angewandt werden, darin allein liegt ihr Bedürfniss und ihr ganz unschätzbarer Werth. In einer so kalten, so flachen, so eigennützigen und feindlichen Welt, wie der unsrigen, ist es unendlich erhebend und stärkend, doch zuweilen auf einige Stunden den schönen Traum der allgemeinen Menschenliebe, Gleichheit und Freiheit zu träumen. Die tadelnden Ansichten, welche Fr. Schlegel in der 18ten Vorlesung seiner Philosophie der Geschichte über die Freimaurerei vorgetragen hat und wobei der nach ihm über die Brücke des Ordens der Tempelherrn nach dem Abendlande gekommenen Freimaurerei einerseits eine in die Sentenzen der allgemeinen Menschenliebe eingehüllte unchristliche Gesinnung vorgeworfen und andererseits die mit Absicht im Stillen geschehene Vorbereitung mancher geschichtlichen Begebenheiten zugeschrieben wird, beruht </p> </div> </body> </text> </TEI> [607/0627]
versucht haben, zufrieden damit, wenn nur der Grundgedanke Anerkennung und weitere Durchführung erhalten sollte. Die der Freimaurerei zu Grunde liegenden Grundsätze der allgemeinen Duldung des Glaubens aller Völker und aller Menschen und die Anerkennung des Allgemeinmenschlichen ist in England das einfache versöhnende Erzeugniss des Jahrhunderte langen Kampfes, welchen zuletzt noch in den Bauhütten und Bauzünften das unterdrückte Volk und der unterdrückte Glaube gegen den siegreichen Eroberer und die herrschende Kirche geführt hat. Das blaue Kleid, welches der walische Oberbarde (Bardd ynys Prydain) trug 1) und woher auch das blaue Band der Maurer stammen möchte, könnte als das Symbol der unerschütterlichen Vaterlandstreue und alten Volkssitte gedeutet werden. Die Freimaurerei dürfte vielleicht der keltische Ritterroman der britischen Bauleute, das Ritterthum der Bauleute genannt werden, und jedenfalls sind das Ritterthum und die Freimaurerei denselben Wurzeln entsprossen. Fr. Schlegel, Philosophie der Gesch., II. S. 152 sagt: „Die Zeit und die Geschichte des Ritterthums waren schon an sich eine Poesie in der Wirklichkeit und im Leben selbst“, und dieses darf mit allem Rechte auch auf die heutige Freimaurerei angewandt werden, darin allein liegt ihr Bedürfniss und ihr ganz unschätzbarer Werth. In einer so kalten, so flachen, so eigennützigen und feindlichen Welt, wie der unsrigen, ist es unendlich erhebend und stärkend, doch zuweilen auf einige Stunden den schönen Traum der allgemeinen Menschenliebe, Gleichheit und Freiheit zu träumen. Die tadelnden Ansichten, welche Fr. Schlegel in der 18ten Vorlesung seiner Philosophie der Geschichte über die Freimaurerei vorgetragen hat und wobei der nach ihm über die Brücke des Ordens der Tempelherrn nach dem Abendlande gekommenen Freimaurerei einerseits eine in die Sentenzen der allgemeinen Menschenliebe eingehüllte unchristliche Gesinnung vorgeworfen und andererseits die mit Absicht im Stillen geschehene Vorbereitung mancher geschichtlichen Begebenheiten zugeschrieben wird, beruht
1) Eckermann, III. 2. S. 132.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/627 |
Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/627>, abgerufen am 23.06.2024. |