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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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vorbildend und nachbildend zu einander verhalten. Zu Trier, also Nordfrankreich benachbart, erscheint die im J. 1227 begonnene und 1243 beendete Liebfrauenkirche (oben S. 523) als der erste Bau im wirklichen deutschen gothischen Style1) und zwar nach Schnaase, obgleich von französischen Vorbildern hergeleitet, schon bei seinem ersten Auftreten auf deutschem Boden mit voller Selbstständigkeit und mit tieferem Verständniss des Princips; der deutsche Geist behandelte ihn nicht als eine fremde, fertige Schöpfung, sondern als sein Eigenthum. Dieses glückliche und geistvolle Auftreten der deutschen, und wir möchten sagen, der rheinisch-deutschen Bauschule auf dem neuen Stylfelde beweiset, auf welcher allgemeinen Bildungshöhe dieselbe in den damaligen Zeiten gestanden. Die durch Mertens entdeckte Planähnlichkeit der Liebfrauenkirche zu Trier und der Stiftskirche St. Yved in Braine bei Soissons führt Schnaase auf die mögliche Vermuthung, dass auch schon die Choranlage der letztern Kirche das Werk eines deutschen, aber in französischer Schule gebildeten Meisters gewesen sei, der dann später dasselbe Motiv in reicherer Weise an der Liebfrauenkirche zu Trier anwandte. Nach Schnaase, V. S. 485, sind sodann von der Trierer Bauhütte viele Schüler ausgegangen, welche in näheren und entfernteren Gegenden die romanischen Bauten in gothische umbauten oder vollendeten, z. B. an der Klosterkirche zu Offenbach am Glan, in der Stiftskirche zu Carden, in der St. Martinskirche zu Münstermaifeld, zu Hirzenach zwischen Boppart und St. Goar, in der ehemaligen Dominikanerkirche zu Coblenz, an der Carmeliterkirche zu Creuznach; an allen diesen Bauten, die freilich nicht vor 1240 entstanden sein werden, sehe man den Einfluss der Liebfrauenkirche, wenn auch zum Theil noch in romanisirender Behandlung. Die Bauhütte von Trier führt den nordfranzösischen Baustyl in der selbstständigen deutschen Ausbildung gleichmässig nach dem Gebiete der Bauhütte von Cöln und derjenigen von Strassburg. Auch der Meister oder die Bauhütte, welche die St. Elisabethkirche zu Marburg von 1235 - 1283 baute,

1) Schnaase, V. S. 476 ff.; Otte, S. 91 ff.

vorbildend und nachbildend zu einander verhalten. Zu Trier, also Nordfrankreich benachbart, erscheint die im J. 1227 begonnene und 1243 beendete Liebfrauenkirche (oben S. 523) als der erste Bau im wirklichen deutschen gothischen Style1) und zwar nach Schnaase, obgleich von französischen Vorbildern hergeleitet, schon bei seinem ersten Auftreten auf deutschem Boden mit voller Selbstständigkeit und mit tieferem Verständniss des Princips; der deutsche Geist behandelte ihn nicht als eine fremde, fertige Schöpfung, sondern als sein Eigenthum. Dieses glückliche und geistvolle Auftreten der deutschen, und wir möchten sagen, der rheinisch-deutschen Bauschule auf dem neuen Stylfelde beweiset, auf welcher allgemeinen Bildungshöhe dieselbe in den damaligen Zeiten gestanden. Die durch Mertens entdeckte Planähnlichkeit der Liebfrauenkirche zu Trier und der Stiftskirche St. Yved in Braine bei Soissons führt Schnaase auf die mögliche Vermuthung, dass auch schon die Choranlage der letztern Kirche das Werk eines deutschen, aber in französischer Schule gebildeten Meisters gewesen sei, der dann später dasselbe Motiv in reicherer Weise an der Liebfrauenkirche zu Trier anwandte. Nach Schnaase, V. S. 485, sind sodann von der Trierer Bauhütte viele Schüler ausgegangen, welche in näheren und entfernteren Gegenden die romanischen Bauten in gothische umbauten oder vollendeten, z. B. an der Klosterkirche zu Offenbach am Glan, in der Stiftskirche zu Carden, in der St. Martinskirche zu Münstermaifeld, zu Hirzenach zwischen Boppart und St. Goar, in der ehemaligen Dominikanerkirche zu Coblenz, an der Carmeliterkirche zu Creuznach; an allen diesen Bauten, die freilich nicht vor 1240 entstanden sein werden, sehe man den Einfluss der Liebfrauenkirche, wenn auch zum Theil noch in romanisirender Behandlung. Die Bauhütte von Trier führt den nordfranzösischen Baustyl in der selbstständigen deutschen Ausbildung gleichmässig nach dem Gebiete der Bauhütte von Cöln und derjenigen von Strassburg. Auch der Meister oder die Bauhütte, welche die St. Elisabethkirche zu Marburg von 1235 – 1283 baute,

1) Schnaase, V. S. 476 ff.; Otte, S. 91 ff.
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[598/0618] vorbildend und nachbildend zu einander verhalten. Zu Trier, also Nordfrankreich benachbart, erscheint die im J. 1227 begonnene und 1243 beendete Liebfrauenkirche (oben S. 523) als der erste Bau im wirklichen deutschen gothischen Style 1) und zwar nach Schnaase, obgleich von französischen Vorbildern hergeleitet, schon bei seinem ersten Auftreten auf deutschem Boden mit voller Selbstständigkeit und mit tieferem Verständniss des Princips; der deutsche Geist behandelte ihn nicht als eine fremde, fertige Schöpfung, sondern als sein Eigenthum. Dieses glückliche und geistvolle Auftreten der deutschen, und wir möchten sagen, der rheinisch-deutschen Bauschule auf dem neuen Stylfelde beweiset, auf welcher allgemeinen Bildungshöhe dieselbe in den damaligen Zeiten gestanden. Die durch Mertens entdeckte Planähnlichkeit der Liebfrauenkirche zu Trier und der Stiftskirche St. Yved in Braine bei Soissons führt Schnaase auf die mögliche Vermuthung, dass auch schon die Choranlage der letztern Kirche das Werk eines deutschen, aber in französischer Schule gebildeten Meisters gewesen sei, der dann später dasselbe Motiv in reicherer Weise an der Liebfrauenkirche zu Trier anwandte. Nach Schnaase, V. S. 485, sind sodann von der Trierer Bauhütte viele Schüler ausgegangen, welche in näheren und entfernteren Gegenden die romanischen Bauten in gothische umbauten oder vollendeten, z. B. an der Klosterkirche zu Offenbach am Glan, in der Stiftskirche zu Carden, in der St. Martinskirche zu Münstermaifeld, zu Hirzenach zwischen Boppart und St. Goar, in der ehemaligen Dominikanerkirche zu Coblenz, an der Carmeliterkirche zu Creuznach; an allen diesen Bauten, die freilich nicht vor 1240 entstanden sein werden, sehe man den Einfluss der Liebfrauenkirche, wenn auch zum Theil noch in romanisirender Behandlung. Die Bauhütte von Trier führt den nordfranzösischen Baustyl in der selbstständigen deutschen Ausbildung gleichmässig nach dem Gebiete der Bauhütte von Cöln und derjenigen von Strassburg. Auch der Meister oder die Bauhütte, welche die St. Elisabethkirche zu Marburg von 1235 – 1283 baute, 1) Schnaase, V. S. 476 ff.; Otte, S. 91 ff.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/618>, abgerufen am 22.11.2024.