Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

das Menschliche und Sündliche zurücklassen und ablegen müsse, wer das Göttliche umfassen wolle. - Unwillkürlich wird man gedrängt, in diesen symbolischen, ja scheinbar mystischen Kreis auch den mit vier Nägeln durch die beiden Hände und Füsse an das Kreuz genagelten sterbenden Christus zu ziehen, indem er den Tod des aus den 4 Elementen geschaffenen Menschen mit der Hoffnung seiner Wiederauferstehung ausdrückt. Eine andere, nahe liegende symboliche Bedeutung hat es, wenn Christus mit 3 Nägeln an das Kreuz genagelt und seine Dornenkrone aus 3 Dornen geflochten ist.1) - Wenn Christus nur mit 3 Nägeln angenagelt ist, wie z. B. auf dem aus dem Beginne des 15ten Jahrh. stammenden Reliquienkästchen des h. Fridolin zu Glarus,2) zwischen der Jungfrau und Johannes d. E., sind natürlich die beiden Füsse über einander gelegt und von einem gemeinsamen Nagel durchbohrt. Es ist dabei noch zugleich hervorzuheben, dass der zur linken Seite des Kreuzes stehende Johannes ganz im maurerischen Lehrlingszeichen gleichsam steht oder die rechte Hand auf die linke Brust gelegt hat, während Maria die Hände betend zusammenfaltet. Eine ganz ähnliche Darstellung der Kreuzigung wie auf dem Reliquienkästehen zu Glarus befand sich früher auch an einem Thore zu Ulm, welche Mauch im deutschen Kunstblatte, 1856, S. 168, beschrieben hat. - In dem äussersten südlichen gemalten und noch erhaltenen Fenster der vormaligen Cistereienser-Abtei Cappel im Kanton Zürich erblickt man gleichfalls in dem mittlern Felde den Heiland am Kreuze, zu beiden Seiten Maria und Johannes. Das Schiff der in schönem gothischen Style erbauten Abteikirche wurde von 12 Säulen getragen und hatte auf jeder Seite 6 grössere obere und 6 kleinere zierliche Abseiten-Fenster. Im Anfange des 13ten Jahrh. veranlasste Abt Wido von Cappel die Uebertragung der von ihm oder schon vor ihm aus dem Griechischen in das Lateinische übersetzten berühmten Legende Barlaam und Josaphat in

1) Schnaase, IV. S. 389 und 392.
2) Anzeiger für schweizer. Gesch. und Alterthumskunde für 1862, S. 22.

das Menschliche und Sündliche zurücklassen und ablegen müsse, wer das Göttliche umfassen wolle. – Unwillkürlich wird man gedrängt, in diesen symbolischen, ja scheinbar mystischen Kreis auch den mit vier Nägeln durch die beiden Hände und Füsse an das Kreuz genagelten sterbenden Christus zu ziehen, indem er den Tod des aus den 4 Elementen geschaffenen Menschen mit der Hoffnung seiner Wiederauferstehung ausdrückt. Eine andere, nahe liegende symboliche Bedeutung hat es, wenn Christus mit 3 Nägeln an das Kreuz genagelt und seine Dornenkrone aus 3 Dornen geflochten ist.1) – Wenn Christus nur mit 3 Nägeln angenagelt ist, wie z. B. auf dem aus dem Beginne des 15ten Jahrh. stammenden Reliquienkästchen des h. Fridolin zu Glarus,2) zwischen der Jungfrau und Johannes d. E., sind natürlich die beiden Füsse über einander gelegt und von einem gemeinsamen Nagel durchbohrt. Es ist dabei noch zugleich hervorzuheben, dass der zur linken Seite des Kreuzes stehende Johannes ganz im maurerischen Lehrlingszeichen gleichsam steht oder die rechte Hand auf die linke Brust gelegt hat, während Maria die Hände betend zusammenfaltet. Eine ganz ähnliche Darstellung der Kreuzigung wie auf dem Reliquienkästehen zu Glarus befand sich früher auch an einem Thore zu Ulm, welche Mauch im deutschen Kunstblatte, 1856, S. 168, beschrieben hat. – In dem äussersten südlichen gemalten und noch erhaltenen Fenster der vormaligen Cistereienser-Abtei Cappel im Kanton Zürich erblickt man gleichfalls in dem mittlern Felde den Heiland am Kreuze, zu beiden Seiten Maria und Johannes. Das Schiff der in schönem gothischen Style erbauten Abteikirche wurde von 12 Säulen getragen und hatte auf jeder Seite 6 grössere obere und 6 kleinere zierliche Abseiten-Fenster. Im Anfange des 13ten Jahrh. veranlasste Abt Wido von Cappel die Uebertragung der von ihm oder schon vor ihm aus dem Griechischen in das Lateinische übersetzten berühmten Legende Barlaam und Josaphat in

1) Schnaase, IV. S. 389 und 392.
2) Anzeiger für schweizer. Gesch. und Alterthumskunde für 1862, S. 22.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0363" n="343"/>
das Menschliche und Sündliche zurücklassen und ablegen müsse, wer das Göttliche umfassen wolle. &#x2013; Unwillkürlich wird man gedrängt, in diesen symbolischen, ja scheinbar mystischen Kreis auch den mit vier Nägeln durch die beiden Hände und Füsse an das Kreuz genagelten sterbenden Christus zu ziehen, indem er den Tod des aus den 4 Elementen geschaffenen Menschen mit der Hoffnung seiner Wiederauferstehung ausdrückt. Eine andere, nahe liegende symboliche Bedeutung hat es, wenn Christus mit 3 Nägeln an das Kreuz genagelt und seine Dornenkrone aus 3 Dornen geflochten ist.<note place="foot" n="1)">Schnaase, IV. S. 389 und 392.<lb/></note> &#x2013; Wenn Christus nur mit 3 Nägeln angenagelt ist, wie z. B. auf dem aus dem Beginne des 15ten Jahrh. stammenden Reliquienkästchen des h. Fridolin zu Glarus,<note place="foot" n="2)">Anzeiger für schweizer. Gesch. und Alterthumskunde für 1862, S. 22.</note> zwischen der Jungfrau und Johannes d. E., sind natürlich die beiden Füsse über einander gelegt und von einem gemeinsamen Nagel durchbohrt. Es ist dabei noch zugleich hervorzuheben, dass der zur linken Seite des Kreuzes stehende Johannes ganz im maurerischen Lehrlingszeichen gleichsam steht oder die rechte Hand auf die linke Brust gelegt hat, während Maria die Hände betend zusammenfaltet. Eine ganz ähnliche Darstellung der Kreuzigung wie auf dem Reliquienkästehen zu Glarus befand sich früher auch an einem Thore zu Ulm, welche Mauch im deutschen Kunstblatte, 1856, S. 168, beschrieben hat. &#x2013; In dem äussersten südlichen gemalten und noch erhaltenen Fenster der vormaligen Cistereienser-Abtei Cappel im Kanton Zürich erblickt man gleichfalls in dem mittlern Felde den Heiland am Kreuze, zu beiden Seiten Maria und Johannes. Das Schiff der in schönem gothischen Style erbauten Abteikirche wurde von 12 Säulen getragen und hatte auf jeder Seite 6 grössere obere und 6 kleinere zierliche Abseiten-Fenster. Im Anfange des 13ten Jahrh. veranlasste Abt Wido von Cappel die Uebertragung der von ihm oder schon vor ihm aus dem Griechischen in das Lateinische übersetzten berühmten Legende Barlaam und Josaphat in
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0363] das Menschliche und Sündliche zurücklassen und ablegen müsse, wer das Göttliche umfassen wolle. – Unwillkürlich wird man gedrängt, in diesen symbolischen, ja scheinbar mystischen Kreis auch den mit vier Nägeln durch die beiden Hände und Füsse an das Kreuz genagelten sterbenden Christus zu ziehen, indem er den Tod des aus den 4 Elementen geschaffenen Menschen mit der Hoffnung seiner Wiederauferstehung ausdrückt. Eine andere, nahe liegende symboliche Bedeutung hat es, wenn Christus mit 3 Nägeln an das Kreuz genagelt und seine Dornenkrone aus 3 Dornen geflochten ist. 1) – Wenn Christus nur mit 3 Nägeln angenagelt ist, wie z. B. auf dem aus dem Beginne des 15ten Jahrh. stammenden Reliquienkästchen des h. Fridolin zu Glarus, 2) zwischen der Jungfrau und Johannes d. E., sind natürlich die beiden Füsse über einander gelegt und von einem gemeinsamen Nagel durchbohrt. Es ist dabei noch zugleich hervorzuheben, dass der zur linken Seite des Kreuzes stehende Johannes ganz im maurerischen Lehrlingszeichen gleichsam steht oder die rechte Hand auf die linke Brust gelegt hat, während Maria die Hände betend zusammenfaltet. Eine ganz ähnliche Darstellung der Kreuzigung wie auf dem Reliquienkästehen zu Glarus befand sich früher auch an einem Thore zu Ulm, welche Mauch im deutschen Kunstblatte, 1856, S. 168, beschrieben hat. – In dem äussersten südlichen gemalten und noch erhaltenen Fenster der vormaligen Cistereienser-Abtei Cappel im Kanton Zürich erblickt man gleichfalls in dem mittlern Felde den Heiland am Kreuze, zu beiden Seiten Maria und Johannes. Das Schiff der in schönem gothischen Style erbauten Abteikirche wurde von 12 Säulen getragen und hatte auf jeder Seite 6 grössere obere und 6 kleinere zierliche Abseiten-Fenster. Im Anfange des 13ten Jahrh. veranlasste Abt Wido von Cappel die Uebertragung der von ihm oder schon vor ihm aus dem Griechischen in das Lateinische übersetzten berühmten Legende Barlaam und Josaphat in 1) Schnaase, IV. S. 389 und 392. 2) Anzeiger für schweizer. Gesch. und Alterthumskunde für 1862, S. 22.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/363
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/363>, abgerufen am 17.05.2024.