Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

unserer Kenntniss gekommen, ist der Kasten des Kypselos und solche toreutische Werke waren auch die am meisten bewunderten Kolosse des Phidias und des Polyklet, auch viele Bilder der Dädaliden. Wie das Handwerk nicht von der Kunst noch verschieden war, waren im Ganzen auch die einzelnen Künste in den Kunstwerkstätten nicht getrennt, sondern wurden mit und nebeneinander in der Werkstätte und von den Künstlern betrieben, obwohl durch das besondere Geschick eines Meisters in dieser oder jener Kunst eine Werkstätte in diesem oder einem andern Kunstzweige mehr Ruhm und Auszeichnung erwerben mochte. Byzes aus Naxos soll Olymp. 46, 3 und 55, 1 die Kunst erfunden Jutben haben, den Marmor in Ziegeln zu sägen, und Kallimachus, dem auch die Erfindung der korinthischen Säule zugesehrieben wird, den Gebrauch des Bohrers bei der Bearbeitung des Marmors. - Während bei den Griechen die Sculptur, die Marmorkunst herrscht und überwiegt, tritt uns in den mittelalterlichen Bauhütten die Steimnetzkunst entgegen, mit welchem letztern Namen nicht allein die Verschiedenheit des Materials, sondern zugleich die verschiedene Stellung der Baukunst und der Sculptur in den germanischen Zeiten und bei den Christen bezeichnet ist. Die Steinmetzkunst, die Steinsculptur ist der Baukunst untergeordnet, dienet nur ihr durch Einfügung ihrer Kunst und ihrer Bilder in dieselbe; selbstständige und durch eigene Tempel und Wohnungen zu ehrende Götterbilder liebt das Christenthum von der unvorstellbaren, unsichtbaren und unerforschlichen Gottheit um so weniger, als in dem christlichen Gemeindehause solche Bilder keinen Raum hätten. Dagegen erhebt sich die Malerei bei den Christen zu einer bis dahin nicht gekannten Bedeutung und Höhe, indem sie die eigentliche Ausschmückung der sonst kahlen Wände des Gemeindehauses durch die triumphirende Verherrlichung der Thaten und Leiden des Herrn, seiner Mutter, Jünger und Heiligen, oder auch seiner Vorläufer im alten Bunde, übernimmt. Die Kirchenbaukunst, die Kirchenmalerei und der Kirchengesang mit Orgelbegleitung, mit der Kirchenmusik sind die drei grossen Pfeiler und Säulen, worauf aller christlicher Kirchen- und Gottesdienst ruht und ohne deren Vereinigung der letztere

unserer Kenntniss gekommen, ist der Kasten des Kypselos und solche toreutische Werke waren auch die am meisten bewunderten Kolosse des Phidias und des Polyklet, auch viele Bilder der Dädaliden. Wie das Handwerk nicht von der Kunst noch verschieden war, waren im Ganzen auch die einzelnen Künste in den Kunstwerkstätten nicht getrennt, sondern wurden mit und nebeneinander in der Werkstätte und von den Künstlern betrieben, obwohl durch das besondere Geschick eines Meisters in dieser oder jener Kunst eine Werkstätte in diesem oder einem andern Kunstzweige mehr Ruhm und Auszeichnung erwerben mochte. Byzes aus Naxos soll Olymp. 46, 3 und 55, 1 die Kunst erfunden Jutben haben, den Marmor in Ziegeln zu sägen, und Kallimachus, dem auch die Erfindung der korinthischen Säule zugesehrieben wird, den Gebrauch des Bohrers bei der Bearbeitung des Marmors. – Während bei den Griechen die Sculptur, die Marmorkunst herrscht und überwiegt, tritt uns in den mittelalterlichen Bauhütten die Steimnetzkunst entgegen, mit welchem letztern Namen nicht allein die Verschiedenheit des Materials, sondern zugleich die verschiedene Stellung der Baukunst und der Sculptur in den germanischen Zeiten und bei den Christen bezeichnet ist. Die Steinmetzkunst, die Steinsculptur ist der Baukunst untergeordnet, dienet nur ihr durch Einfügung ihrer Kunst und ihrer Bilder in dieselbe; selbstständige und durch eigene Tempel und Wohnungen zu ehrende Götterbilder liebt das Christenthum von der unvorstellbaren, unsichtbaren und unerforschlichen Gottheit um so weniger, als in dem christlichen Gemeindehause solche Bilder keinen Raum hätten. Dagegen erhebt sich die Malerei bei den Christen zu einer bis dahin nicht gekannten Bedeutung und Höhe, indem sie die eigentliche Ausschmückung der sonst kahlen Wände des Gemeindehauses durch die triumphirende Verherrlichung der Thaten und Leiden des Herrn, seiner Mutter, Jünger und Heiligen, oder auch seiner Vorläufer im alten Bunde, übernimmt. Die Kirchenbaukunst, die Kirchenmalerei und der Kirchengesang mit Orgelbegleitung, mit der Kirchenmusik sind die drei grossen Pfeiler und Säulen, worauf aller christlicher Kirchen- und Gottesdienst ruht und ohne deren Vereinigung der letztere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0122" n="102"/>
unserer Kenntniss gekommen, ist der Kasten des Kypselos und solche toreutische Werke waren auch die am meisten bewunderten Kolosse des Phidias und des Polyklet, auch viele Bilder der Dädaliden. Wie das Handwerk nicht von der Kunst noch verschieden war, waren im Ganzen auch die einzelnen Künste in den Kunstwerkstätten nicht getrennt, sondern wurden mit und nebeneinander in der Werkstätte und von den Künstlern betrieben, obwohl durch das besondere Geschick eines Meisters in dieser oder jener Kunst eine Werkstätte in diesem oder einem andern Kunstzweige mehr Ruhm und Auszeichnung erwerben mochte. Byzes aus Naxos soll Olymp. 46, 3 und 55, 1 die Kunst erfunden Jutben haben, den Marmor in Ziegeln zu sägen, und Kallimachus, dem auch die Erfindung der korinthischen Säule zugesehrieben wird, den Gebrauch des Bohrers bei der Bearbeitung des Marmors. &#x2013; Während bei den Griechen die Sculptur, die Marmorkunst herrscht und überwiegt, tritt uns in den mittelalterlichen Bauhütten die Steimnetzkunst entgegen, mit welchem letztern Namen nicht allein die Verschiedenheit des Materials, sondern zugleich die verschiedene Stellung der Baukunst und der Sculptur in den germanischen Zeiten und bei den Christen bezeichnet ist. Die Steinmetzkunst, die Steinsculptur ist der Baukunst untergeordnet, dienet nur ihr durch Einfügung ihrer Kunst und ihrer Bilder in dieselbe; selbstständige und durch eigene Tempel und Wohnungen zu ehrende Götterbilder liebt das Christenthum von der unvorstellbaren, unsichtbaren und unerforschlichen Gottheit um so weniger, als in dem christlichen Gemeindehause solche Bilder keinen Raum hätten. Dagegen erhebt sich die Malerei bei den Christen zu einer bis dahin nicht gekannten Bedeutung und Höhe, indem sie die eigentliche Ausschmückung der sonst kahlen Wände des Gemeindehauses durch die triumphirende Verherrlichung der Thaten und Leiden des Herrn, seiner Mutter, Jünger und Heiligen, oder auch seiner Vorläufer im alten Bunde, übernimmt. Die Kirchenbaukunst, die Kirchenmalerei und der Kirchengesang mit Orgelbegleitung, mit der Kirchenmusik sind die drei grossen Pfeiler und Säulen, worauf aller christlicher Kirchen- und Gottesdienst ruht und ohne deren Vereinigung der letztere
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0122] unserer Kenntniss gekommen, ist der Kasten des Kypselos und solche toreutische Werke waren auch die am meisten bewunderten Kolosse des Phidias und des Polyklet, auch viele Bilder der Dädaliden. Wie das Handwerk nicht von der Kunst noch verschieden war, waren im Ganzen auch die einzelnen Künste in den Kunstwerkstätten nicht getrennt, sondern wurden mit und nebeneinander in der Werkstätte und von den Künstlern betrieben, obwohl durch das besondere Geschick eines Meisters in dieser oder jener Kunst eine Werkstätte in diesem oder einem andern Kunstzweige mehr Ruhm und Auszeichnung erwerben mochte. Byzes aus Naxos soll Olymp. 46, 3 und 55, 1 die Kunst erfunden Jutben haben, den Marmor in Ziegeln zu sägen, und Kallimachus, dem auch die Erfindung der korinthischen Säule zugesehrieben wird, den Gebrauch des Bohrers bei der Bearbeitung des Marmors. – Während bei den Griechen die Sculptur, die Marmorkunst herrscht und überwiegt, tritt uns in den mittelalterlichen Bauhütten die Steimnetzkunst entgegen, mit welchem letztern Namen nicht allein die Verschiedenheit des Materials, sondern zugleich die verschiedene Stellung der Baukunst und der Sculptur in den germanischen Zeiten und bei den Christen bezeichnet ist. Die Steinmetzkunst, die Steinsculptur ist der Baukunst untergeordnet, dienet nur ihr durch Einfügung ihrer Kunst und ihrer Bilder in dieselbe; selbstständige und durch eigene Tempel und Wohnungen zu ehrende Götterbilder liebt das Christenthum von der unvorstellbaren, unsichtbaren und unerforschlichen Gottheit um so weniger, als in dem christlichen Gemeindehause solche Bilder keinen Raum hätten. Dagegen erhebt sich die Malerei bei den Christen zu einer bis dahin nicht gekannten Bedeutung und Höhe, indem sie die eigentliche Ausschmückung der sonst kahlen Wände des Gemeindehauses durch die triumphirende Verherrlichung der Thaten und Leiden des Herrn, seiner Mutter, Jünger und Heiligen, oder auch seiner Vorläufer im alten Bunde, übernimmt. Die Kirchenbaukunst, die Kirchenmalerei und der Kirchengesang mit Orgelbegleitung, mit der Kirchenmusik sind die drei grossen Pfeiler und Säulen, worauf aller christlicher Kirchen- und Gottesdienst ruht und ohne deren Vereinigung der letztere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/122
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/122>, abgerufen am 25.11.2024.