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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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worden, in ein Kloster. Er konnte nichts mehr erlernen als die einzigen Worte: Ave Maria; sie aber sprach er, wo er ging und stand. Als er starb, wuchs eine Lilie aus seinem Grabe, und auf jedem ihrer Blätter stand mit goldenen Buchstaben: Ave Maria. Man grub nach und fand, dass die Blume im Munde des Todten wurzelte. - In Volksliedern der Lithauer erscheint die Rose entschieden als die Seele der Verstorbenen. Ein Mädchen bricht die Rose auf dem Grabe des Jünglings, und wie sie dieselbe der Mutter bringt, spricht diese:

Das ist ja die Rose nicht!
Ist des Jünglings Seele,
Welchem brach sein Angesicht
Durch den Gram der Liebe.

Koberstein, S. 97, glaubt, dass diesen Sagen offenbar die Vorstellung zu Grunde liege, dass die Seele, die ihren Leib verlässt, in eine Blume, sei es vorübergehend oder dauernd wandere, um darin wie in einem Leibe zu verweilen. In Erweiterung dieses Glaubens verwandelten sich dann, besonders in den griechischen Mythen, die Menschen mit ihrem Leibe und mit ihrer Seele in Gewächse, wie Daphne zum Lorbeer wird, Syrinx zum Rohr, Phaetons Schwestern zu Pappeln, Philemon und Baucis zu Bäumen, Narkissos zu Narzisse u. s. w. In den deutschen Gedichten und Sagen ist es vorzüglich die weisse Lilie und Rose, welche die den Leidenschaften der Menschenwelt entrückte und schuldentsühnte, reine Seele in sich aufnimmt und birgt. Und wer könnte auf dem Grabe seiner Lieben eine Blume brechen, ohne sich von Geisterhauch umweht zu fühlen, - ohne zu denken, dass die Grabesblumen aus dem Seelenreiche herüberreichen. Wenn die Maurer mit blühenden Blumen, mit weissen Lilien und Rosen den Sarg eines dahingeschiedenen Bruders umkleiden, dürfen auch sie den hoffenden Gedanken hegen, dass der Abgeschiedene im ewigen Garten Gottes als eine reine Lilie und Rose erblühen möge und dass auch uns einst vergönnt werde, in diesem Garten zu blühen und nicht mehr zu welken. Der Blumenkranz auf dem Leichname und dem Sarge der Todten soll die Todten mit den Lebenden, den Himmel mit der Erde leuchtend und liebend vereinen.

worden, in ein Kloster. Er konnte nichts mehr erlernen als die einzigen Worte: Ave Maria; sie aber sprach er, wo er ging und stand. Als er starb, wuchs eine Lilie aus seinem Grabe, und auf jedem ihrer Blätter stand mit goldenen Buchstaben: Ave Maria. Man grub nach und fand, dass die Blume im Munde des Todten wurzelte. – In Volksliedern der Lithauer erscheint die Rose entschieden als die Seele der Verstorbenen. Ein Mädchen bricht die Rose auf dem Grabe des Jünglings, und wie sie dieselbe der Mutter bringt, spricht diese:

Das ist ja die Rose nicht!
Ist des Jünglings Seele,
Welchem brach sein Angesicht
Durch den Gram der Liebe.

Koberstein, S. 97, glaubt, dass diesen Sagen offenbar die Vorstellung zu Grunde liege, dass die Seele, die ihren Leib verlässt, in eine Blume, sei es vorübergehend oder dauernd wandere, um darin wie in einem Leibe zu verweilen. In Erweiterung dieses Glaubens verwandelten sich dann, besonders in den griechischen Mythen, die Menschen mit ihrem Leibe und mit ihrer Seele in Gewächse, wie Daphne zum Lorbeer wird, Syrinx zum Rohr, Phaetons Schwestern zu Pappeln, Philemon und Baucis zu Bäumen, Narkissos zu Narzisse u. s. w. In den deutschen Gedichten und Sagen ist es vorzüglich die weisse Lilie und Rose, welche die den Leidenschaften der Menschenwelt entrückte und schuldentsühnte, reine Seele in sich aufnimmt und birgt. Und wer könnte auf dem Grabe seiner Lieben eine Blume brechen, ohne sich von Geisterhauch umweht zu fühlen, – ohne zu denken, dass die Grabesblumen aus dem Seelenreiche herüberreichen. Wenn die Maurer mit blühenden Blumen, mit weissen Lilien und Rosen den Sarg eines dahingeschiedenen Bruders umkleiden, dürfen auch sie den hoffenden Gedanken hegen, dass der Abgeschiedene im ewigen Garten Gottes als eine reine Lilie und Rose erblühen möge und dass auch uns einst vergönnt werde, in diesem Garten zu blühen und nicht mehr zu welken. Der Blumenkranz auf dem Leichname und dem Sarge der Todten soll die Todten mit den Lebenden, den Himmel mit der Erde leuchtend und liebend vereinen.

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[46/0066] worden, in ein Kloster. Er konnte nichts mehr erlernen als die einzigen Worte: Ave Maria; sie aber sprach er, wo er ging und stand. Als er starb, wuchs eine Lilie aus seinem Grabe, und auf jedem ihrer Blätter stand mit goldenen Buchstaben: Ave Maria. Man grub nach und fand, dass die Blume im Munde des Todten wurzelte. – In Volksliedern der Lithauer erscheint die Rose entschieden als die Seele der Verstorbenen. Ein Mädchen bricht die Rose auf dem Grabe des Jünglings, und wie sie dieselbe der Mutter bringt, spricht diese: Das ist ja die Rose nicht! Ist des Jünglings Seele, Welchem brach sein Angesicht Durch den Gram der Liebe. Koberstein, S. 97, glaubt, dass diesen Sagen offenbar die Vorstellung zu Grunde liege, dass die Seele, die ihren Leib verlässt, in eine Blume, sei es vorübergehend oder dauernd wandere, um darin wie in einem Leibe zu verweilen. In Erweiterung dieses Glaubens verwandelten sich dann, besonders in den griechischen Mythen, die Menschen mit ihrem Leibe und mit ihrer Seele in Gewächse, wie Daphne zum Lorbeer wird, Syrinx zum Rohr, Phaetons Schwestern zu Pappeln, Philemon und Baucis zu Bäumen, Narkissos zu Narzisse u. s. w. In den deutschen Gedichten und Sagen ist es vorzüglich die weisse Lilie und Rose, welche die den Leidenschaften der Menschenwelt entrückte und schuldentsühnte, reine Seele in sich aufnimmt und birgt. Und wer könnte auf dem Grabe seiner Lieben eine Blume brechen, ohne sich von Geisterhauch umweht zu fühlen, – ohne zu denken, dass die Grabesblumen aus dem Seelenreiche herüberreichen. Wenn die Maurer mit blühenden Blumen, mit weissen Lilien und Rosen den Sarg eines dahingeschiedenen Bruders umkleiden, dürfen auch sie den hoffenden Gedanken hegen, dass der Abgeschiedene im ewigen Garten Gottes als eine reine Lilie und Rose erblühen möge und dass auch uns einst vergönnt werde, in diesem Garten zu blühen und nicht mehr zu welken. Der Blumenkranz auf dem Leichname und dem Sarge der Todten soll die Todten mit den Lebenden, den Himmel mit der Erde leuchtend und liebend vereinen.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/66>, abgerufen am 24.11.2024.