Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.stehung aus dem Tode auf die Thatsache der steten Wiedererneuerung des Naturlebens stützte. Die orphischen Lehren sind die ägyptischen Lehren über Gott, die Welt und den Menschen, welche Pythagoras mit aus Aegypten nach Griechenland gebracht und auf den griechischen Boden verpflanzt hat; die Orphiker aber sind die Schüler des Pythagoras, die sogenannten Pythagoriker, welche nach vorausgegangener Mysterienweihe diese Lehren von Pythagoras nach und nach mitgetheilt erhielten. Herodot nimmt daher Orphiker und Pythagoriker als durchaus gleichbedeutende Bezeichnungen derselben Schule oder Klasse und ebenso muss orphisch im engern oder geistigen Sinne, man dürfte sagen im schöneren griechischen und nicht tracischen oder böotischen Sinne, als gleichbedeutend mit pythagoreisch-ägyptisch genommen werden. Pythagoras hatte seine religiöse Grundlehre, seine Gotteslehre, seine Dogmatik oder sein theologisches System, wie sie bei den Einweihungen und für die Eingeweihten vorgetragen werden sollte und wurde, in einem epischen Gedichte in Hexametern schriftlich niedergelegt, welches Gedicht im Alterthume allgemein fälschlich dem Orpheus beigelegt wurde, während es nur ein Gedicht des Pythagoras für seine Vertrauten oder Schüler, die Orphiker war.1) Die alexandrinische Schule anerkannte vollständig den Pythagoras als den Verfasser des orphischen Gedichtes, der orphischen Hymnen oder Epen. Das Gedicht bestand nach Suidas Angabe aus 24 Gesängen oder Rapsodien, war also eine förmliche Epopäe, von dem Umfange der Ilias und Odyssee.2) Das im Alterthume im höchsten Ansehen stehende, als ein heiliges Buch und als eine Art göttliche Offenbarung geltende Gedicht hiess die "orphische Theologie" oder auch "die orphische Epopöe und Theologie' und ihr Verfasser selbst der Theologe. Natürlich wurde bei der Aufnahme zum Orphiker oder Pythagoriker nicht das ganze Gedicht vorgelesen, sondern das Gedicht bildete gleichsam das heilige Buch, den Katechismus, des 1) Röth, a. a. O., II. S. 611 ff.; Schoemann, II. S. 330 ff.: "Orphiker und Orpheotelesten." 2) Röth, a. a. O., II. S. 623 ff.
stehung aus dem Tode auf die Thatsache der steten Wiedererneuerung des Naturlebens stützte. Die orphischen Lehren sind die ägyptischen Lehren über Gott, die Welt und den Menschen, welche Pythagoras mit aus Aegypten nach Griechenland gebracht und auf den griechischen Boden verpflanzt hat; die Orphiker aber sind die Schüler des Pythagoras, die sogenannten Pythagoriker, welche nach vorausgegangener Mysterienweihe diese Lehren von Pythagoras nach und nach mitgetheilt erhielten. Herodot nimmt daher Orphiker und Pythagoriker als durchaus gleichbedeutende Bezeichnungen derselben Schule oder Klasse und ebenso muss orphisch im engern oder geistigen Sinne, man dürfte sagen im schöneren griechischen und nicht tracischen oder böotischen Sinne, als gleichbedeutend mit pythagoreisch-ägyptisch genommen werden. Pythagoras hatte seine religiöse Grundlehre, seine Gotteslehre, seine Dogmatik oder sein theologisches System, wie sie bei den Einweihungen und für die Eingeweihten vorgetragen werden sollte und wurde, in einem epischen Gedichte in Hexametern schriftlich niedergelegt, welches Gedicht im Alterthume allgemein fälschlich dem Orpheus beigelegt wurde, während es nur ein Gedicht des Pythagoras für seine Vertrauten oder Schüler, die Orphiker war.1) Die alexandrinische Schule anerkannte vollständig den Pythagoras als den Verfasser des orphischen Gedichtes, der orphischen Hymnen oder Epen. Das Gedicht bestand nach Suidas Angabe aus 24 Gesängen oder Rapsodien, war also eine förmliche Epopäe, von dem Umfange der Ilias und Odyssee.2) Das im Alterthume im höchsten Ansehen stehende, als ein heiliges Buch und als eine Art göttliche Offenbarung geltende Gedicht hiess die „orphische Theologie“ oder auch „die orphische Epopöe und Theologie’ und ihr Verfasser selbst der Theologe. Natürlich wurde bei der Aufnahme zum Orphiker oder Pythagoriker nicht das ganze Gedicht vorgelesen, sondern das Gedicht bildete gleichsam das heilige Buch, den Katechismus, des 1) Röth, a. a. O., II. S. 611 ff.; Schoemann, II. S. 330 ff.: „Orphiker und Orpheotelesten.“ 2) Röth, a. a. O., II. S. 623 ff.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0603" n="583"/> stehung aus dem Tode auf die Thatsache der steten Wiedererneuerung des Naturlebens stützte. Die orphischen Lehren sind die ägyptischen Lehren über Gott, die Welt und den Menschen, welche Pythagoras mit aus Aegypten nach Griechenland gebracht und auf den griechischen Boden verpflanzt hat; die Orphiker aber sind die Schüler des Pythagoras, die sogenannten Pythagoriker, welche nach vorausgegangener Mysterienweihe diese Lehren von Pythagoras nach und nach mitgetheilt erhielten. Herodot nimmt daher Orphiker und Pythagoriker als durchaus gleichbedeutende Bezeichnungen derselben Schule oder Klasse und ebenso muss orphisch im engern oder geistigen Sinne, man dürfte sagen im schöneren griechischen und nicht tracischen oder böotischen Sinne, als gleichbedeutend mit pythagoreisch-ägyptisch genommen werden. Pythagoras hatte seine religiöse Grundlehre, seine Gotteslehre, seine Dogmatik oder sein theologisches System, wie sie bei den Einweihungen und für die Eingeweihten vorgetragen werden sollte und wurde, in einem epischen Gedichte in Hexametern schriftlich niedergelegt, welches Gedicht im Alterthume allgemein fälschlich dem Orpheus beigelegt wurde, während es nur ein Gedicht des Pythagoras für seine Vertrauten oder Schüler, die Orphiker war.<note place="foot" n="1)">Röth, a. a. O., II. S. 611 ff.; Schoemann, II. S. 330 ff.: „Orphiker und Orpheotelesten.“<lb/></note> Die alexandrinische Schule anerkannte vollständig den Pythagoras als den Verfasser des orphischen Gedichtes, der orphischen Hymnen oder Epen. Das Gedicht bestand nach Suidas Angabe aus 24 Gesängen oder Rapsodien, war also eine förmliche Epopäe, von dem Umfange der Ilias und Odyssee.<note place="foot" n="2)">Röth, a. a. O., II. S. 623 ff.<lb/></note> Das im Alterthume im höchsten Ansehen stehende, als ein heiliges Buch und als eine Art göttliche Offenbarung geltende Gedicht hiess die „orphische Theologie“ oder auch „die orphische Epopöe und Theologie’ und ihr Verfasser selbst der Theologe. Natürlich wurde bei der Aufnahme zum Orphiker oder Pythagoriker nicht das ganze Gedicht vorgelesen, sondern das Gedicht bildete gleichsam das heilige Buch, den Katechismus, des </p> </div> </body> </text> </TEI> [583/0603]
stehung aus dem Tode auf die Thatsache der steten Wiedererneuerung des Naturlebens stützte. Die orphischen Lehren sind die ägyptischen Lehren über Gott, die Welt und den Menschen, welche Pythagoras mit aus Aegypten nach Griechenland gebracht und auf den griechischen Boden verpflanzt hat; die Orphiker aber sind die Schüler des Pythagoras, die sogenannten Pythagoriker, welche nach vorausgegangener Mysterienweihe diese Lehren von Pythagoras nach und nach mitgetheilt erhielten. Herodot nimmt daher Orphiker und Pythagoriker als durchaus gleichbedeutende Bezeichnungen derselben Schule oder Klasse und ebenso muss orphisch im engern oder geistigen Sinne, man dürfte sagen im schöneren griechischen und nicht tracischen oder böotischen Sinne, als gleichbedeutend mit pythagoreisch-ägyptisch genommen werden. Pythagoras hatte seine religiöse Grundlehre, seine Gotteslehre, seine Dogmatik oder sein theologisches System, wie sie bei den Einweihungen und für die Eingeweihten vorgetragen werden sollte und wurde, in einem epischen Gedichte in Hexametern schriftlich niedergelegt, welches Gedicht im Alterthume allgemein fälschlich dem Orpheus beigelegt wurde, während es nur ein Gedicht des Pythagoras für seine Vertrauten oder Schüler, die Orphiker war. 1) Die alexandrinische Schule anerkannte vollständig den Pythagoras als den Verfasser des orphischen Gedichtes, der orphischen Hymnen oder Epen. Das Gedicht bestand nach Suidas Angabe aus 24 Gesängen oder Rapsodien, war also eine förmliche Epopäe, von dem Umfange der Ilias und Odyssee. 2) Das im Alterthume im höchsten Ansehen stehende, als ein heiliges Buch und als eine Art göttliche Offenbarung geltende Gedicht hiess die „orphische Theologie“ oder auch „die orphische Epopöe und Theologie’ und ihr Verfasser selbst der Theologe. Natürlich wurde bei der Aufnahme zum Orphiker oder Pythagoriker nicht das ganze Gedicht vorgelesen, sondern das Gedicht bildete gleichsam das heilige Buch, den Katechismus, des
1) Röth, a. a. O., II. S. 611 ff.; Schoemann, II. S. 330 ff.: „Orphiker und Orpheotelesten.“
2) Röth, a. a. O., II. S. 623 ff.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |