einer himmlischen Seele in den menschlichen Körper erfolge. Die Wolkengöttin Holda mit ihren Seelenbrunnen in den Wolken wurde späterhin nach einem besonders in der griechischen und germanischen Mythologie so häufig erscheinenden Vorgange von dem Himmel auf die Erde versetzt, irdisch localisirt, so dass in Deutschland wenigstens noch jetzt fast jede Stadt und jedes Dorf ihren Kindsbrunnen haben, woher die Hebammen die Kinder holen und den gebärenden Müttern zutragen. Zu dem Hergottvögelein (coccinella) wird gesungen:
Hergottsmogggela flieg auf, flieg mir in den Himmel nauf, bring a goldis schüssela runder und a goldis wickelkindla runder.
Hieran schliesst sich die von Aristoteles ausdrücklich als orphisch oder pythagoreisch bezeichnete, d. h., wie er sich genau ausdrückt, in dem sog. orphischen Gedichte vorgetragene Vorstellung, dass die Seelen aus dem Weltall von den Winden herbeigetragen und von den Neugebornen aufgenommen werden. Umgekehrt werden nach dem germanischen Volksglauben dann wieder der Neugebornen Sprüche von den vier Winden nach allen Weltgegenden getragen. In diesen Sagenzügen drückt sich nur der allgemeine Glaube an das ätherische Wesen der Seele, - an die Seele als ein nach allen Seiten und also namentlich nach den vier Weltgegenden leuchtendes Lichtwesen aus, wie eben deshalb auch die Licht- und Sonnengötter gewöhnlich auf einem von vier weissen oder auch rothen Rossen gezogenen Wagen an dem Himmel dahinfahren. Nach dem Mihir Yast fährt z. B. Mithra auf einem von vier weissen Rennern gezogenen Wagen. Damit in Uebereinstimmung stehend heisst es dann im Vendidad Farg. 19, 52: "Ich preise den Mithra, der ein grosses Gebiet hat, den Siegreichen, den Glänzendsten der Siegreichen, den Siegreichsten der Siegreichen." Mithra wird der Unbesiegliche auf den Mithradenkmalen genannt, indem dieselben die beständige Aufschrift haben: Deo Soli invicto Mithrae. Unbesieglieh ist Mithra, weil die Finsterniss niemals bleibend das Licht zu überwinden vermag, die anbrechende Morgensonne stets die Nacht verscheucht. Zum
einer himmlischen Seele in den menschlichen Körper erfolge. Die Wolkengöttin Holda mit ihren Seelenbrunnen in den Wolken wurde späterhin nach einem besonders in der griechischen und germanischen Mythologie so häufig erscheinenden Vorgange von dem Himmel auf die Erde versetzt, irdisch localisirt, so dass in Deutschland wenigstens noch jetzt fast jede Stadt und jedes Dorf ihren Kindsbrunnen haben, woher die Hebammen die Kinder holen und den gebärenden Müttern zutragen. Zu dem Hergottvögelein (coccinella) wird gesungen:
Hergottsmogggela flieg auf, flieg mir in den Himmel nauf, bring a goldis schüssela runder und a goldis wickelkindla runder.
Hieran schliesst sich die von Aristoteles ausdrücklich als orphisch oder pythagoreisch bezeichnete, d. h., wie er sich genau ausdrückt, in dem sog. orphischen Gedichte vorgetragene Vorstellung, dass die Seelen aus dem Weltall von den Winden herbeigetragen und von den Neugebornen aufgenommen werden. Umgekehrt werden nach dem germanischen Volksglauben dann wieder der Neugebornen Sprüche von den vier Winden nach allen Weltgegenden getragen. In diesen Sagenzügen drückt sich nur der allgemeine Glaube an das ätherische Wesen der Seele, – an die Seele als ein nach allen Seiten und also namentlich nach den vier Weltgegenden leuchtendes Lichtwesen aus, wie eben deshalb auch die Licht- und Sonnengötter gewöhnlich auf einem von vier weissen oder auch rothen Rossen gezogenen Wagen an dem Himmel dahinfahren. Nach dem Mihir Yast fährt z. B. Mithra auf einem von vier weissen Rennern gezogenen Wagen. Damit in Uebereinstimmung stehend heisst es dann im Vendidad Farg. 19, 52: „Ich preise den Mithra, der ein grosses Gebiet hat, den Siegreichen, den Glänzendsten der Siegreichen, den Siegreichsten der Siegreichen.“ Mithra wird der Unbesiegliche auf den Mithradenkmalen genannt, indem dieselben die beständige Aufschrift haben: Deo Soli invicto Mithrae. Unbesieglieh ist Mithra, weil die Finsterniss niemals bleibend das Licht zu überwinden vermag, die anbrechende Morgensonne stets die Nacht verscheucht. Zum
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einer himmlischen Seele in den menschlichen Körper erfolge. Die Wolkengöttin Holda mit ihren Seelenbrunnen in den Wolken wurde späterhin nach einem besonders in der griechischen und germanischen Mythologie so häufig erscheinenden Vorgange von dem Himmel auf die Erde versetzt, irdisch localisirt, so dass in Deutschland wenigstens noch jetzt fast jede Stadt und jedes Dorf ihren Kindsbrunnen haben, woher die Hebammen die Kinder holen und den gebärenden Müttern zutragen. Zu dem Hergottvögelein (coccinella) wird gesungen:</p><citrendition="#c"><quote><p>
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Hieran schliesst sich die von Aristoteles ausdrücklich als orphisch oder pythagoreisch bezeichnete, d. h., wie er sich genau ausdrückt, in dem sog. orphischen Gedichte vorgetragene Vorstellung, dass die Seelen aus dem Weltall von den Winden herbeigetragen und von den Neugebornen aufgenommen werden. Umgekehrt werden nach dem germanischen Volksglauben dann wieder der Neugebornen Sprüche von den vier Winden nach allen Weltgegenden getragen. In diesen Sagenzügen drückt sich nur der allgemeine Glaube an das ätherische Wesen der Seele, – an die Seele als ein nach allen Seiten und also namentlich nach den vier Weltgegenden leuchtendes Lichtwesen aus, wie eben deshalb auch die Licht- und Sonnengötter gewöhnlich auf einem von vier weissen oder auch rothen Rossen gezogenen Wagen an dem Himmel dahinfahren. Nach dem Mihir Yast fährt z. B. Mithra auf einem von vier weissen Rennern gezogenen Wagen. Damit in Uebereinstimmung stehend heisst es dann im Vendidad Farg. 19, 52: „Ich preise den Mithra, der ein grosses Gebiet hat, den Siegreichen, den Glänzendsten der Siegreichen, den Siegreichsten der Siegreichen.“ Mithra wird der Unbesiegliche auf den Mithradenkmalen genannt, indem dieselben die beständige Aufschrift haben: Deo Soli invicto Mithrae. Unbesieglieh ist Mithra, weil die Finsterniss niemals bleibend das Licht zu überwinden vermag, die anbrechende Morgensonne stets die Nacht verscheucht. Zum
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einer himmlischen Seele in den menschlichen Körper erfolge. Die Wolkengöttin Holda mit ihren Seelenbrunnen in den Wolken wurde späterhin nach einem besonders in der griechischen und germanischen Mythologie so häufig erscheinenden Vorgange von dem Himmel auf die Erde versetzt, irdisch localisirt, so dass in Deutschland wenigstens noch jetzt fast jede Stadt und jedes Dorf ihren Kindsbrunnen haben, woher die Hebammen die Kinder holen und den gebärenden Müttern zutragen. Zu dem Hergottvögelein (coccinella) wird gesungen:
Hergottsmogggela flieg auf,
flieg mir in den Himmel nauf,
bring a goldis schüssela runder
und a goldis wickelkindla runder.
Hieran schliesst sich die von Aristoteles ausdrücklich als orphisch oder pythagoreisch bezeichnete, d. h., wie er sich genau ausdrückt, in dem sog. orphischen Gedichte vorgetragene Vorstellung, dass die Seelen aus dem Weltall von den Winden herbeigetragen und von den Neugebornen aufgenommen werden. Umgekehrt werden nach dem germanischen Volksglauben dann wieder der Neugebornen Sprüche von den vier Winden nach allen Weltgegenden getragen. In diesen Sagenzügen drückt sich nur der allgemeine Glaube an das ätherische Wesen der Seele, – an die Seele als ein nach allen Seiten und also namentlich nach den vier Weltgegenden leuchtendes Lichtwesen aus, wie eben deshalb auch die Licht- und Sonnengötter gewöhnlich auf einem von vier weissen oder auch rothen Rossen gezogenen Wagen an dem Himmel dahinfahren. Nach dem Mihir Yast fährt z. B. Mithra auf einem von vier weissen Rennern gezogenen Wagen. Damit in Uebereinstimmung stehend heisst es dann im Vendidad Farg. 19, 52: „Ich preise den Mithra, der ein grosses Gebiet hat, den Siegreichen, den Glänzendsten der Siegreichen, den Siegreichsten der Siegreichen.“ Mithra wird der Unbesiegliche auf den Mithradenkmalen genannt, indem dieselben die beständige Aufschrift haben: Deo Soli invicto Mithrae. Unbesieglieh ist Mithra, weil die Finsterniss niemals bleibend das Licht zu überwinden vermag, die anbrechende Morgensonne stets die Nacht verscheucht. Zum
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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/49>, abgerufen am 27.07.2024.
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