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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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geraden Weg nach dem Lichte im Osten wählen und wandeln solle. Der Maurerlehrling ist der Pilgrim, dem Schiller zurufet:

"Wandle, rief's, der Weg ist offen,
Immer nach dem Aufgang fort,
Bis zu einer goldnen Pforten
Du gelangst, da gehst du ein;
Denn das Irdische wird dorten
Himmlisch, unvergänglich sein."

Die Lehrlingsaufnahme führt nicht schon wirklich in das Himmelslicht, der Maurerlehrling ist noch kein reinerer und besserer Mensch; die Lehrlingsaufnahme ist blos das Symbol und die Lehre des Lebens, welches der Mensch leben, und des Weges, den er gehen müsse, wolle er dereinstens in das Licht und zu Gott einzugehen hoffen. Der Maurerlehrling soll und wird ein reinerer und besserer Mensch, ein unvergängliches Licht werden, wenn er dem Rufe und Gebote des Meisters in dem Himmel oben folgt, wenn er nach der Mahnung Zoroasters stets lichtvoll, rein und gut denkt, spricht und handelt. Der Maurer wird sicher das Licht finden, wenn er es redlich und beharrlich sucht, und es so suchen zu wollen, haben alle Maurer feierlich gelobet und geschworen. Die beiden Säulen vor dem Eingange in die Loge und in die Welt sind der gute und der böse Genius, welche nach dem Glauben vieler Völker des Alterthums dem Menschen bei seiner Geburt als seine Lebensbegleiter und Lebensführer beigegeben werden und die gleichsam um seine Seele streiten. Der gute und der böse Genius des Menschen ist indessen blos das Symbol der ihm freigelassenen Wahl der zwei Schicksalswege des Guten und des Bösen, des in ihm selbstliegenden guten und bösen freien Willens und Geistes. Den bösen Genius, den bösen Willen und Geist in sich selbst soll der Mensch durch den guten bekämpfen und überwinden; - die Sonne, das Gestirn des Tages, soll aufgehen, und der Mond, das Gestirn der Nacht, soll untergehen, - die Nacht soll dem Tage, die Finsterniss dem Lichte, das Böse dem Guten weichen. Die Maurerweihe ist die Weihe zum heiligen und unablässigen Streite für das Licht gegen die Finsterniss, und zum Symbole dieser Weihe wird dem Maurer-

geraden Weg nach dem Lichte im Osten wählen und wandeln solle. Der Maurerlehrling ist der Pilgrim, dem Schiller zurufet:

„Wandle, rief’s, der Weg ist offen,
Immer nach dem Aufgang fort,
Bis zu einer goldnen Pforten
Du gelangst, da gehst du ein;
Denn das Irdische wird dorten
Himmlisch, unvergänglich sein.“

Die Lehrlingsaufnahme führt nicht schon wirklich in das Himmelslicht, der Maurerlehrling ist noch kein reinerer und besserer Mensch; die Lehrlingsaufnahme ist blos das Symbol und die Lehre des Lebens, welches der Mensch leben, und des Weges, den er gehen müsse, wolle er dereinstens in das Licht und zu Gott einzugehen hoffen. Der Maurerlehrling soll und wird ein reinerer und besserer Mensch, ein unvergängliches Licht werden, wenn er dem Rufe und Gebote des Meisters in dem Himmel oben folgt, wenn er nach der Mahnung Zoroasters stets lichtvoll, rein und gut denkt, spricht und handelt. Der Maurer wird sicher das Licht finden, wenn er es redlich und beharrlich sucht, und es so suchen zu wollen, haben alle Maurer feierlich gelobet und geschworen. Die beiden Säulen vor dem Eingange in die Loge und in die Welt sind der gute und der böse Genius, welche nach dem Glauben vieler Völker des Alterthums dem Menschen bei seiner Geburt als seine Lebensbegleiter und Lebensführer beigegeben werden und die gleichsam um seine Seele streiten. Der gute und der böse Genius des Menschen ist indessen blos das Symbol der ihm freigelassenen Wahl der zwei Schicksalswege des Guten und des Bösen, des in ihm selbstliegenden guten und bösen freien Willens und Geistes. Den bösen Genius, den bösen Willen und Geist in sich selbst soll der Mensch durch den guten bekämpfen und überwinden; – die Sonne, das Gestirn des Tages, soll aufgehen, und der Mond, das Gestirn der Nacht, soll untergehen, – die Nacht soll dem Tage, die Finsterniss dem Lichte, das Böse dem Guten weichen. Die Maurerweihe ist die Weihe zum heiligen und unablässigen Streite für das Licht gegen die Finsterniss, und zum Symbole dieser Weihe wird dem Maurer-

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 Licht und zu Gott einzugehen hoffen. Der Maurerlehrling soll und wird ein reinerer und besserer
 Mensch, ein unvergängliches Licht werden, wenn er dem Rufe und Gebote des Meisters in dem Himmel
 oben folgt, wenn er nach der Mahnung Zoroasters stets lichtvoll, rein und gut denkt, spricht und
 handelt. Der Maurer wird sicher das Licht finden, wenn er es redlich und beharrlich sucht, und es so
 suchen zu wollen, haben alle Maurer feierlich gelobet und geschworen. Die beiden Säulen vor dem
 Eingange in die Loge und in die Welt sind der gute und der böse Genius, welche nach dem Glauben
 vieler Völker des Alterthums dem Menschen bei seiner Geburt als seine Lebensbegleiter und
 Lebensführer beigegeben werden und die gleichsam um seine Seele streiten. Der gute und der böse
 Genius des Menschen ist indessen blos das Symbol der ihm freigelassenen Wahl der zwei Schicksalswege
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[652/0668] geraden Weg nach dem Lichte im Osten wählen und wandeln solle. Der Maurerlehrling ist der Pilgrim, dem Schiller zurufet: „Wandle, rief’s, der Weg ist offen, Immer nach dem Aufgang fort, Bis zu einer goldnen Pforten Du gelangst, da gehst du ein; Denn das Irdische wird dorten Himmlisch, unvergänglich sein.“ Die Lehrlingsaufnahme führt nicht schon wirklich in das Himmelslicht, der Maurerlehrling ist noch kein reinerer und besserer Mensch; die Lehrlingsaufnahme ist blos das Symbol und die Lehre des Lebens, welches der Mensch leben, und des Weges, den er gehen müsse, wolle er dereinstens in das Licht und zu Gott einzugehen hoffen. Der Maurerlehrling soll und wird ein reinerer und besserer Mensch, ein unvergängliches Licht werden, wenn er dem Rufe und Gebote des Meisters in dem Himmel oben folgt, wenn er nach der Mahnung Zoroasters stets lichtvoll, rein und gut denkt, spricht und handelt. Der Maurer wird sicher das Licht finden, wenn er es redlich und beharrlich sucht, und es so suchen zu wollen, haben alle Maurer feierlich gelobet und geschworen. Die beiden Säulen vor dem Eingange in die Loge und in die Welt sind der gute und der böse Genius, welche nach dem Glauben vieler Völker des Alterthums dem Menschen bei seiner Geburt als seine Lebensbegleiter und Lebensführer beigegeben werden und die gleichsam um seine Seele streiten. Der gute und der böse Genius des Menschen ist indessen blos das Symbol der ihm freigelassenen Wahl der zwei Schicksalswege des Guten und des Bösen, des in ihm selbstliegenden guten und bösen freien Willens und Geistes. Den bösen Genius, den bösen Willen und Geist in sich selbst soll der Mensch durch den guten bekämpfen und überwinden; – die Sonne, das Gestirn des Tages, soll aufgehen, und der Mond, das Gestirn der Nacht, soll untergehen, – die Nacht soll dem Tage, die Finsterniss dem Lichte, das Böse dem Guten weichen. Die Maurerweihe ist die Weihe zum heiligen und unablässigen Streite für das Licht gegen die Finsterniss, und zum Symbole dieser Weihe wird dem Maurer-

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 652. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/668>, abgerufen am 24.11.2024.