Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Festen Muth in schweren Leiden,
Hülfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königsthronen, -
Brüder, gält es Gut und Blut, -
Dem Verdienste seine Krone,
Untergang der Lügenbrut!
Der Chor stimmt ein: Schliesst den heil'gen Zirkel dichter,
Schwört bei diesem goldenen Wein,
Dem Gelübde treu zu sein,
Schwört es bei dem Sternenrichter.
Die historische Grundlage der Aufnahmsgebräuche zum Maurermeister sind allem Vermuthen nach die Gebräuche der Aufnahme in den dritten Grad der ägyptischen Mysterien, worin unter dem Bilde des erschlagenen Meisters und des Grabes die Abwesenheit der Sonne kurz vor der Rückkehr des Frühlings betrauert wurde.1) Der in den dritten Grad der ägyptischen Mysterien Aufzunehmende wurde von dem Vorbereitenden (Thesmophoros) durch die "Pforte des Todes" in ein grosses Zimmer geführt, worin ihm das Bild des Todes von allen Seiten entgegenkam. Da lagen Thier- und Menschenmumien von jeder Grösse und jedem Geschlecht, da standen Sarg an Sarg; aber mitten in dem Zimmer war ein Sarg offen hingestellt, in welchem eine mit Wunde bedeckten, ganz im Blute schwimmende Leiche befindlich war. Es stellte dies den Sarg des Osiris vor. Der Vorbereitende wandte sich hierauf an den Aufzunehmenden mit den Worten: "Siehe hier deinen erschlagenen Herren, den Osiris, hast du Theil genommen an seiner Ermordung, oder sind deine Hände rein von seinem Blute?"2) Obgleich der Gefragte seine

1) Vergl. Lenning, Encyklopädie, unter Osiris; ferner und besonders: Aufklärungen. für Freimaurer oder Einweihung in die ägyptischen Mysterien, Nordhausen 1825, S. 36 ff.
2) Die Frage, ob die Aufzunehmenden sich keines Verbrechens schuldig fühlen, hat natürlich den höhern und tiefern Sinn, dass in die Mysterien nur aufgenommen werden sollen, welche reinen Herzens und reinen Wandels, die gereinigt und entsühnt sind.

Festen Muth in schweren Leiden,
Hülfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königsthronen, –
Brüder, gält es Gut und Blut, –
Dem Verdienste seine Krone,
Untergang der Lügenbrut!
Der Chor stimmt ein: Schliesst den heil’gen Zirkel dichter,
Schwört bei diesem goldenen Wein,
Dem Gelübde treu zu sein,
Schwört es bei dem Sternenrichter.
Die historische Grundlage der Aufnahmsgebräuche zum Maurermeister sind allem Vermuthen nach die Gebräuche der Aufnahme in den dritten Grad der ägyptischen Mysterien, worin unter dem Bilde des erschlagenen Meisters und des Grabes die Abwesenheit der Sonne kurz vor der Rückkehr des Frühlings betrauert wurde.1) Der in den dritten Grad der ägyptischen Mysterien Aufzunehmende wurde von dem Vorbereitenden (Thesmophoros) durch die „Pforte des Todes“ in ein grosses Zimmer geführt, worin ihm das Bild des Todes von allen Seiten entgegenkam. Da lagen Thier- und Menschenmumien von jeder Grösse und jedem Geschlecht, da standen Sarg an Sarg; aber mitten in dem Zimmer war ein Sarg offen hingestellt, in welchem eine mit Wunde bedeckten, ganz im Blute schwimmende Leiche befindlich war. Es stellte dies den Sarg des Osiris vor. Der Vorbereitende wandte sich hierauf an den Aufzunehmenden mit den Worten: „Siehe hier deinen erschlagenen Herren, den Osiris, hast du Theil genommen an seiner Ermordung, oder sind deine Hände rein von seinem Blute?“2) Obgleich der Gefragte seine

1) Vergl. Lenning, Encyklopädie, unter Osiris; ferner und besonders: Aufklärungen. für Freimaurer oder Einweihung in die ägyptischen Mysterien, Nordhausen 1825, S. 36 ff.
2) Die Frage, ob die Aufzunehmenden sich keines Verbrechens schuldig fühlen, hat natürlich den höhern und tiefern Sinn, dass in die Mysterien nur aufgenommen werden sollen, welche reinen Herzens und reinen Wandels, die gereinigt und entsühnt sind.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0651" n="635"/><cit rendition="#et"><quote> Festen Muth in schweren Leiden,<lb/>
Hülfe, wo die Unschuld weint,<lb/>
Ewigkeit geschwornen
 Eiden,<lb/>
Wahrheit gegen Freund und Feind,<lb/>
Männerstolz vor Königsthronen, &#x2013;<lb/>
Brüder, gält
 es Gut und Blut, &#x2013;<lb/>
Dem Verdienste seine Krone,<lb/>
Untergang der Lügenbrut!</quote></cit> Der Chor stimmt ein: <cit rendition="#et"><quote> Schliesst den heil&#x2019;gen Zirkel dichter,<lb/>
Schwört bei diesem goldenen Wein,<lb/>
Dem
 Gelübde treu zu sein,<lb/>
Schwört es bei dem Sternenrichter.</quote></cit> Die historische Grundlage der Aufnahmsgebräuche zum Maurermeister sind allem Vermuthen nach
 die Gebräuche der Aufnahme in den dritten Grad der ägyptischen Mysterien, worin unter dem Bilde des
 erschlagenen Meisters und des Grabes die Abwesenheit der Sonne kurz vor der Rückkehr des Frühlings
 betrauert wurde.<note place="foot" n="1)">Vergl. Lenning, Encyklopädie, unter Osiris; ferner und
 besonders: Aufklärungen. für Freimaurer oder Einweihung in die ägyptischen Mysterien, Nordhausen
 1825, S. 36 ff.</note> Der in den dritten Grad der ägyptischen Mysterien Aufzunehmende wurde von dem
   Vorbereitenden (<choice><sic>Thosmophores</sic><corr>Thesmophoros</corr></choice>) durch die &#x201E;Pforte des Todes&#x201C; in ein grosses Zimmer geführt, worin ihm
 das Bild des Todes von allen Seiten entgegenkam. Da lagen Thier- und Menschenmumien von jeder Grösse
 und jedem Geschlecht, da standen Sarg an Sarg; aber mitten in dem Zimmer war ein Sarg offen
 hingestellt, in welchem eine mit Wunde bedeckten, ganz im Blute schwimmende Leiche befindlich war.
 Es stellte dies den Sarg des Osiris vor. Der Vorbereitende wandte sich hierauf an den Aufzunehmenden
 mit den Worten: &#x201E;Siehe hier deinen erschlagenen Herren, den Osiris, hast du Theil genommen an seiner
 Ermordung, oder sind deine Hände rein von seinem Blute?&#x201C;<note place="foot" n="2)">Die Frage, ob die
 Aufzunehmenden sich keines Verbrechens schuldig fühlen, hat natürlich den höhern und tiefern Sinn,
 dass in die Mysterien nur aufgenommen werden sollen, welche reinen Herzens und reinen Wandels, die
 gereinigt und entsühnt sind.</note> Obgleich der Gefragte seine
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[635/0651] Festen Muth in schweren Leiden, Hülfe, wo die Unschuld weint, Ewigkeit geschwornen Eiden, Wahrheit gegen Freund und Feind, Männerstolz vor Königsthronen, – Brüder, gält es Gut und Blut, – Dem Verdienste seine Krone, Untergang der Lügenbrut! Der Chor stimmt ein: Schliesst den heil’gen Zirkel dichter, Schwört bei diesem goldenen Wein, Dem Gelübde treu zu sein, Schwört es bei dem Sternenrichter. Die historische Grundlage der Aufnahmsgebräuche zum Maurermeister sind allem Vermuthen nach die Gebräuche der Aufnahme in den dritten Grad der ägyptischen Mysterien, worin unter dem Bilde des erschlagenen Meisters und des Grabes die Abwesenheit der Sonne kurz vor der Rückkehr des Frühlings betrauert wurde. 1) Der in den dritten Grad der ägyptischen Mysterien Aufzunehmende wurde von dem Vorbereitenden (Thesmophoros) durch die „Pforte des Todes“ in ein grosses Zimmer geführt, worin ihm das Bild des Todes von allen Seiten entgegenkam. Da lagen Thier- und Menschenmumien von jeder Grösse und jedem Geschlecht, da standen Sarg an Sarg; aber mitten in dem Zimmer war ein Sarg offen hingestellt, in welchem eine mit Wunde bedeckten, ganz im Blute schwimmende Leiche befindlich war. Es stellte dies den Sarg des Osiris vor. Der Vorbereitende wandte sich hierauf an den Aufzunehmenden mit den Worten: „Siehe hier deinen erschlagenen Herren, den Osiris, hast du Theil genommen an seiner Ermordung, oder sind deine Hände rein von seinem Blute?“ 2) Obgleich der Gefragte seine 1) Vergl. Lenning, Encyklopädie, unter Osiris; ferner und besonders: Aufklärungen. für Freimaurer oder Einweihung in die ägyptischen Mysterien, Nordhausen 1825, S. 36 ff. 2) Die Frage, ob die Aufzunehmenden sich keines Verbrechens schuldig fühlen, hat natürlich den höhern und tiefern Sinn, dass in die Mysterien nur aufgenommen werden sollen, welche reinen Herzens und reinen Wandels, die gereinigt und entsühnt sind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/651
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/651>, abgerufen am 05.05.2024.