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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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tuche umhüllt, wird er beerdigt und seine Beerdigung gefeiert. Die Aufnahme zum Maurermeister soll das Begraben des irdischen Menschen, das Abstreifen aller menschlichen Gebrechen und Irrthümer, das Eingehen zum reinern und vollkommeneren Leben und Lichte sein. Haben die Maurermeister in dem einzigen Augenblicke ihrer symbolischen Grabesruhe sich nicht selbst das heilige Gelübde abgelegt, die alten Unvollkommenheiten und Mängel dem modernden Grabe zurückzulassen und als ein anderer und besserer Mensch aufzuerstehen, bleibt das Meisterwort ewig verloren und sie werden niemals aus dem Grabe erweckt werden. Lassen aber dieselben den alten Menschen sterben, suchen sie das verlorene Meisterwort, d. h. das Licht, Gott, das Rechte und Gute, dann allein werden sie zum wahrhaften Maurermeister, - dann allein wird ihr Sterben nur ein kurzer Schlummer, das lohnende Hinübergehen in ein schöneres Leben sein. Die Aufnahme zum Maurermeister soll eine zweite Geburt, die Geburt eines neuen Menschen sein, wie es bei den Indern die verwandte religiöse Weihe der Aufnahme in die drei Kasten ist und woher die Aufgenommenen den Namen der Zweifachgeborenen (dvig' as) tragen.1) Die Einweihung in die drei obern indischen Kasten, welche mit religiösen Ceremonien verbunden ist, geschieht vermittelst Anlegung einer Schnur, welche von der linken Schulter quer über die Brust getragen wird. Bei den Brahmanen kann sie zwischen dem 8. bis 15. Jahre angelegt werden und ist von Baumwolle; bei den Kschattrijas, welche sie vom 11. Jahre an erhalten können, ist sie von Kusagras, und bei den Vaicjas, die sie erst im 12. Jahre erhalten dürfen, ist sie von Wolle. Ebenso wurden auch die zum Christenthum bekehrten Heiden, Neophyten, Neugeborene, Neugepflanzte und Gewachsene, Menschen mit einer neuen Natur und einem neuen Geiste genannt. Auch der Name Novizze deutet auf den Novus Homo. Bei den Taurobolien und Kriobolien der phrygischen Götterkulte wurde der Einzuweihende durch eine förmliche Bluttaufe aus dem Blute des Opferstieres

1) Spiegel, Avesta, II. Einleitung, S. XXI; Ersch und Gruber, Encyklopädie, II. Bd. XVII. S. 217 b und S. 241 b.

tuche umhüllt, wird er beerdigt und seine Beerdigung gefeiert. Die Aufnahme zum Maurermeister soll das Begraben des irdischen Menschen, das Abstreifen aller menschlichen Gebrechen und Irrthümer, das Eingehen zum reinern und vollkommeneren Leben und Lichte sein. Haben die Maurermeister in dem einzigen Augenblicke ihrer symbolischen Grabesruhe sich nicht selbst das heilige Gelübde abgelegt, die alten Unvollkommenheiten und Mängel dem modernden Grabe zurückzulassen und als ein anderer und besserer Mensch aufzuerstehen, bleibt das Meisterwort ewig verloren und sie werden niemals aus dem Grabe erweckt werden. Lassen aber dieselben den alten Menschen sterben, suchen sie das verlorene Meisterwort, d. h. das Licht, Gott, das Rechte und Gute, dann allein werden sie zum wahrhaften Maurermeister, – dann allein wird ihr Sterben nur ein kurzer Schlummer, das lohnende Hinübergehen in ein schöneres Leben sein. Die Aufnahme zum Maurermeister soll eine zweite Geburt, die Geburt eines neuen Menschen sein, wie es bei den Indern die verwandte religiöse Weihe der Aufnahme in die drei Kasten ist und woher die Aufgenommenen den Namen der Zweifachgeborenen (dvig’ âs) tragen.1) Die Einweihung in die drei obern indischen Kasten, welche mit religiösen Ceremonien verbunden ist, geschieht vermittelst Anlegung einer Schnur, welche von der linken Schulter quer über die Brust getragen wird. Bei den Brahmanen kann sie zwischen dem 8. bis 15. Jahre angelegt werden und ist von Baumwolle; bei den Kschattrijas, welche sie vom 11. Jahre an erhalten können, ist sie von Kusagras, und bei den Vaicjas, die sie erst im 12. Jahre erhalten dürfen, ist sie von Wolle. Ebenso wurden auch die zum Christenthum bekehrten Heiden, Neophyten, Neugeborene, Neugepflanzte und Gewachsene, Menschen mit einer neuen Natur und einem neuen Geiste genannt. Auch der Name Novizze deutet auf den Novus Homo. Bei den Taurobolien und Kriobolien der phrygischen Götterkulte wurde der Einzuweihende durch eine förmliche Bluttaufe aus dem Blute des Opferstieres

1) Spiegel, Avesta, II. Einleitung, S. XXI; Ersch und Gruber, Encyklopädie, II. Bd. XVII. S. 217 b und S. 241 b.
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 beerdigt und seine Beerdigung gefeiert. Die Aufnahme zum Maurermeister soll das Begraben des
 irdischen Menschen, das Abstreifen aller menschlichen Gebrechen und Irrthümer, das Eingehen zum
 reinern und vollkommeneren Leben und Lichte sein. Haben die Maurermeister in dem einzigen
 Augenblicke ihrer symbolischen Grabesruhe sich nicht selbst das heilige Gelübde abgelegt, die alten
 Unvollkommenheiten und Mängel dem modernden Grabe zurückzulassen und als ein anderer und besserer
 Mensch aufzuerstehen, bleibt das Meisterwort ewig verloren und sie werden niemals aus dem Grabe
 erweckt werden. Lassen aber dieselben den alten Menschen sterben, suchen sie das verlorene
 Meisterwort, d. h. das Licht, Gott, das Rechte und Gute, dann allein werden sie zum wahrhaften
 Maurermeister, &#x2013; dann allein wird ihr Sterben nur ein kurzer Schlummer, das lohnende Hinübergehen in
 ein schöneres Leben sein. Die Aufnahme zum Maurermeister soll eine zweite Geburt, die Geburt eines
 neuen Menschen sein, wie es bei den Indern die verwandte religiöse Weihe der Aufnahme in die drei
 Kasten ist und woher die Aufgenommenen den Namen der Zweifachgeborenen (dvig&#x2019; âs) tragen.<note place="foot" n="1)">Spiegel, Avesta, II. Einleitung, S. XXI; Ersch und Gruber, Encyklopädie, II. Bd.
 XVII. S. 217 b und S. 241 b.</note> Die Einweihung in die drei obern indischen Kasten, welche mit
 religiösen Ceremonien verbunden ist, geschieht vermittelst Anlegung einer Schnur, welche von der
 linken Schulter quer über die Brust getragen wird. Bei den Brahmanen kann sie zwischen dem 8. bis
 15. Jahre angelegt werden und ist von Baumwolle; bei den Kschattrijas, welche sie vom 11. Jahre an
 erhalten können, ist sie von Kusagras, und bei den Vaicjas, die sie erst im 12. Jahre erhalten
 dürfen, ist sie von Wolle. Ebenso wurden auch die zum Christenthum bekehrten Heiden, Neophyten,
 Neugeborene, Neugepflanzte und Gewachsene, Menschen mit einer neuen Natur und einem neuen Geiste
 genannt. Auch der Name Novizze deutet auf den Novus Homo. Bei den Taurobolien und Kriobolien der
 phrygischen Götterkulte wurde der Einzuweihende durch eine förmliche Bluttaufe aus dem Blute des
 Opferstieres
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[633/0649] tuche umhüllt, wird er beerdigt und seine Beerdigung gefeiert. Die Aufnahme zum Maurermeister soll das Begraben des irdischen Menschen, das Abstreifen aller menschlichen Gebrechen und Irrthümer, das Eingehen zum reinern und vollkommeneren Leben und Lichte sein. Haben die Maurermeister in dem einzigen Augenblicke ihrer symbolischen Grabesruhe sich nicht selbst das heilige Gelübde abgelegt, die alten Unvollkommenheiten und Mängel dem modernden Grabe zurückzulassen und als ein anderer und besserer Mensch aufzuerstehen, bleibt das Meisterwort ewig verloren und sie werden niemals aus dem Grabe erweckt werden. Lassen aber dieselben den alten Menschen sterben, suchen sie das verlorene Meisterwort, d. h. das Licht, Gott, das Rechte und Gute, dann allein werden sie zum wahrhaften Maurermeister, – dann allein wird ihr Sterben nur ein kurzer Schlummer, das lohnende Hinübergehen in ein schöneres Leben sein. Die Aufnahme zum Maurermeister soll eine zweite Geburt, die Geburt eines neuen Menschen sein, wie es bei den Indern die verwandte religiöse Weihe der Aufnahme in die drei Kasten ist und woher die Aufgenommenen den Namen der Zweifachgeborenen (dvig’ âs) tragen. 1) Die Einweihung in die drei obern indischen Kasten, welche mit religiösen Ceremonien verbunden ist, geschieht vermittelst Anlegung einer Schnur, welche von der linken Schulter quer über die Brust getragen wird. Bei den Brahmanen kann sie zwischen dem 8. bis 15. Jahre angelegt werden und ist von Baumwolle; bei den Kschattrijas, welche sie vom 11. Jahre an erhalten können, ist sie von Kusagras, und bei den Vaicjas, die sie erst im 12. Jahre erhalten dürfen, ist sie von Wolle. Ebenso wurden auch die zum Christenthum bekehrten Heiden, Neophyten, Neugeborene, Neugepflanzte und Gewachsene, Menschen mit einer neuen Natur und einem neuen Geiste genannt. Auch der Name Novizze deutet auf den Novus Homo. Bei den Taurobolien und Kriobolien der phrygischen Götterkulte wurde der Einzuweihende durch eine förmliche Bluttaufe aus dem Blute des Opferstieres 1) Spiegel, Avesta, II. Einleitung, S. XXI; Ersch und Gruber, Encyklopädie, II. Bd. XVII. S. 217 b und S. 241 b.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/649>, abgerufen am 24.05.2024.