Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

zu bewährenden Treue und Wahrhaftigkeit, des guten Glaubens (bona fides), deren Verehrung bei den Römern schon von Numa eingeführt und vorgeschrieben worden. Die Fides, der göttliche Wächter und Rächer der Wahrheit, Gerechtigkeit und Treue, - das göttliche Licht und die ewige Gerechtigkeit ist Jupiter, Zeus, Mithra1) u. s. w. selbst. Dem Lacedämonier Glaukos, welcher um die Zeit Solons lebte und einen falschen Eid zu schwören im Begriffe stand, rief die Pythia, die Stellvertreterin des Apollo, des Sohnes des Zeus, warnend zu:

Glaukos, Epikydes Sohn! für den Augenblick mag es Gewinn sein,
Falsch zu schwören und im Besitz des Geldes zu bleiben.
Immer schwöre, da auch den Rechtlichen holet der Tod einst!
Aber bedenk', es gibt einen dunkelen Rächer des Eides:
Pfeilschnell folgt auf dem Fuss' er dir nach und ruhet nicht eher
Bis er dich und dein ganzes Geschlecht von Grund aus vertilget.
Treu' und rechtlicher Sinn bringt Segen noch spät auf den Enkel. 2)

Der maurerische Schritt ist zugleich die Masslehre, die Metrik, die Lehre von dem in dem menschlichen Leben und Handeln zu beobachtenden Masse und Rhythmus, Gesetze. Was das Mass, sanskr. matra, griech. [fremdsprachliches Material], für die Dicht- und die Tonkunst ist, das ist es auch für das menschliche Handeln und Wandeln, - für die menschliche oder menschlich-göttliche, die einzig königliche Kunst. Mit Hinsicht auf die letztere singt Pindar:

Denn der Tugend Kunst und Fülle stammt von den Göttern allein;
Ob durch Weisheit prang' oder Kraft, ob durch Red' ein Sterblicher.

Der Mensch soll sich rhythmisch, metrisch, mässig benehmen, - er soll seine Schritte und Handlungen abmessen und zählen, - er soll das Mass und den Rhythmus einhalten, - er soll sich mässigen, griech. [fremdsprachliches Material]; das menschliche Leben soll ein harmonischer Gesang, ein schönes und grosses Gedicht, ein rechtes Werk [fremdsprachliches Material] sein. In diesem Sinne sollen die Maurer Künstler, Sänger und Dichter, Messer und Gerechte [fremdsprachliches Material] werden und sein;

1) Windischmann, Mithra, S. 53.
2) Goette, das delphische Orakel, S. 266; Lasaulx, Studien des klassischen Alterthums, S. 199.

zu bewährenden Treue und Wahrhaftigkeit, des guten Glaubens (bona fides), deren Verehrung bei den Römern schon von Numa eingeführt und vorgeschrieben worden. Die Fides, der göttliche Wächter und Rächer der Wahrheit, Gerechtigkeit und Treue, – das göttliche Licht und die ewige Gerechtigkeit ist Jupiter, Zeus, Mithra1) u. s. w. selbst. Dem Lacedämonier Glaukos, welcher um die Zeit Solons lebte und einen falschen Eid zu schwören im Begriffe stand, rief die Pythia, die Stellvertreterin des Apollo, des Sohnes des Zeus, warnend zu:

Glaukos, Epikydes Sohn! für den Augenblick mag es Gewinn sein,
Falsch zu schwören und im Besitz des Geldes zu bleiben.
Immer schwöre, da auch den Rechtlichen holet der Tod einst!
Aber bedenk’, es gibt einen dunkelen Rächer des Eides:
Pfeilschnell folgt auf dem Fuss’ er dir nach und ruhet nicht eher
Bis er dich und dein ganzes Geschlecht von Grund aus vertilget.
Treu’ und rechtlicher Sinn bringt Segen noch spät auf den Enkel. 2)

Der maurerische Schritt ist zugleich die Masslehre, die Metrik, die Lehre von dem in dem menschlichen Leben und Handeln zu beobachtenden Masse und Rhythmus, Gesetze. Was das Mass, sanskr. mâtra, griech. [fremdsprachliches Material], für die Dicht- und die Tonkunst ist, das ist es auch für das menschliche Handeln und Wandeln, – für die menschliche oder menschlich-göttliche, die einzig königliche Kunst. Mit Hinsicht auf die letztere singt Pindar:

Denn der Tugend Kunst und Fülle stammt von den Göttern allein;
Ob durch Weisheit prang’ oder Kraft, ob durch Red’ ein Sterblicher.

Der Mensch soll sich rhythmisch, metrisch, mässig benehmen, – er soll seine Schritte und Handlungen abmessen und zählen, – er soll das Mass und den Rhythmus einhalten, – er soll sich mässigen, griech. [fremdsprachliches Material]; das menschliche Leben soll ein harmonischer Gesang, ein schönes und grosses Gedicht, ein rechtes Werk [fremdsprachliches Material] sein. In diesem Sinne sollen die Maurer Künstler, Sänger und Dichter, Messer und Gerechte [fremdsprachliches Material] werden und sein;

1) Windischmann, Mithra, S. 53.
2) Goette, das delphische Orakel, S. 266; Lasaulx, Studien des klassischen Alterthums, S. 199.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0460" n="444"/>
zu bewährenden Treue und Wahrhaftigkeit, des guten
 Glaubens (bona fides), deren Verehrung bei den Römern schon von Numa eingeführt und vorgeschrieben
 worden. Die Fides, der göttliche Wächter und Rächer der Wahrheit, Gerechtigkeit und Treue, &#x2013; das
 göttliche Licht und die ewige Gerechtigkeit ist Jupiter, Zeus, Mithra<note place="foot" n="1)">Windischmann, Mithra, S. 53.</note> u. s. w. selbst. Dem Lacedämonier Glaukos, welcher um die Zeit
 Solons lebte und einen falschen Eid zu schwören im Begriffe stand, rief die Pythia, die
 Stellvertreterin des Apollo, des Sohnes des Zeus, warnend zu:</p>
        <cit rendition="#et">
          <quote> Glaukos, Epikydes Sohn! für den Augenblick mag es Gewinn sein,<lb/>
Falsch zu schwören und
 im Besitz des Geldes zu bleiben.<lb/>
Immer schwöre, da auch den Rechtlichen holet der Tod
 einst!<lb/>
Aber bedenk&#x2019;, es gibt einen dunkelen Rächer des Eides:<lb/>
Pfeilschnell folgt auf dem
 Fuss&#x2019; er dir nach und ruhet nicht eher<lb/>
Bis er dich und dein ganzes Geschlecht von Grund aus
 vertilget.<lb/>
Treu&#x2019; und rechtlicher Sinn bringt Segen noch spät auf den Enkel. <note place="foot" n="2)">Goette, das delphische Orakel, S. 266; Lasaulx, Studien des klassischen Alterthums, S.
 199.</note></quote>
        </cit>
        <p> Der maurerische Schritt ist zugleich die Masslehre, die Metrik, die Lehre von dem in dem
 menschlichen Leben und Handeln zu beobachtenden Masse und Rhythmus, Gesetze. Was das Mass, sanskr.
 mâtra, griech. <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm"/></foreign>, für die Dicht- und die Tonkunst
 ist, das ist es auch für das menschliche Handeln und Wandeln, &#x2013; für die menschliche oder
 menschlich-göttliche, die einzig königliche Kunst. Mit Hinsicht auf die letztere singt Pindar:</p>
        <cit rendition="#et">
          <quote> Denn der Tugend Kunst und Fülle stammt von den Göttern allein;<lb/>
Ob durch Weisheit prang&#x2019;
 oder Kraft, ob durch Red&#x2019; ein Sterblicher.</quote>
        </cit>
        <p> Der Mensch soll sich rhythmisch, metrisch, mässig benehmen, &#x2013; er soll seine Schritte und
 Handlungen abmessen und zählen, &#x2013; er soll das Mass und den Rhythmus einhalten, &#x2013; er soll sich
 mässigen, griech. <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm"/></foreign>; das menschliche Leben soll
 ein harmonischer Gesang, ein schönes und grosses Gedicht, ein rechtes Werk <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm"/></foreign> sein. In diesem Sinne sollen die Maurer Künstler, Sänger und Dichter,
 Messer und Gerechte <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm"/></foreign> werden und sein;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0460] zu bewährenden Treue und Wahrhaftigkeit, des guten Glaubens (bona fides), deren Verehrung bei den Römern schon von Numa eingeführt und vorgeschrieben worden. Die Fides, der göttliche Wächter und Rächer der Wahrheit, Gerechtigkeit und Treue, – das göttliche Licht und die ewige Gerechtigkeit ist Jupiter, Zeus, Mithra 1) u. s. w. selbst. Dem Lacedämonier Glaukos, welcher um die Zeit Solons lebte und einen falschen Eid zu schwören im Begriffe stand, rief die Pythia, die Stellvertreterin des Apollo, des Sohnes des Zeus, warnend zu: Glaukos, Epikydes Sohn! für den Augenblick mag es Gewinn sein, Falsch zu schwören und im Besitz des Geldes zu bleiben. Immer schwöre, da auch den Rechtlichen holet der Tod einst! Aber bedenk’, es gibt einen dunkelen Rächer des Eides: Pfeilschnell folgt auf dem Fuss’ er dir nach und ruhet nicht eher Bis er dich und dein ganzes Geschlecht von Grund aus vertilget. Treu’ und rechtlicher Sinn bringt Segen noch spät auf den Enkel. 2) Der maurerische Schritt ist zugleich die Masslehre, die Metrik, die Lehre von dem in dem menschlichen Leben und Handeln zu beobachtenden Masse und Rhythmus, Gesetze. Was das Mass, sanskr. mâtra, griech. _ , für die Dicht- und die Tonkunst ist, das ist es auch für das menschliche Handeln und Wandeln, – für die menschliche oder menschlich-göttliche, die einzig königliche Kunst. Mit Hinsicht auf die letztere singt Pindar: Denn der Tugend Kunst und Fülle stammt von den Göttern allein; Ob durch Weisheit prang’ oder Kraft, ob durch Red’ ein Sterblicher. Der Mensch soll sich rhythmisch, metrisch, mässig benehmen, – er soll seine Schritte und Handlungen abmessen und zählen, – er soll das Mass und den Rhythmus einhalten, – er soll sich mässigen, griech. _ ; das menschliche Leben soll ein harmonischer Gesang, ein schönes und grosses Gedicht, ein rechtes Werk _ sein. In diesem Sinne sollen die Maurer Künstler, Sänger und Dichter, Messer und Gerechte _ werden und sein; 1) Windischmann, Mithra, S. 53. 2) Goette, das delphische Orakel, S. 266; Lasaulx, Studien des klassischen Alterthums, S. 199.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/460
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/460>, abgerufen am 18.05.2024.