Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

und Arabesken waren lange im ganzen Alterthum berühmt. 1) Den Phöniciern gehört der Bergbau und der Metallguss an, und vorzüglich in Spanien gruben und holten sie ihre Metalle. Die Babylonier und Assyrier sind also die Sticker und Weber, die Phönicier die Bergleute und Erzgiesser, die Metallurgen des Alterthums, so dass in dem salomonischen Tempel der Vorhang des Allerheiligsten gewiss babylonische Arbeit war, wie die Tyrier die Erzgeräthe und die Erzsäulen des Tempels gegossen hatten. Ganz in gleicher Weise hatten schon früher Babylon und Phönicien zur Ausstattung und Schmückung der jüdischen Stiftshütte sich vereinigt. 2) Es darf als der grösste Mangel der bisherigen mythologischen Forschungen und Schriften angesehen werden, dass sie dabei das wirkliche und tägliche Leben der Völker gar nicht berücksichtigen, ja kaum kennen, während dieses Leben und die Götter in dem innigsten Zusammenhange stehen und die Götter blos die göttliche Potencirung, die Vergöttlichung dieses Lebens sind. Die Mythologie in ihrem tieferen Sinne ist wirklich die Culturgeschichte der Urmenschheit, die Geschichte der Erfindung der Gewerbe, Künste und Wissenschaften und die Götter in ihrem Schaffen und Sein sind eben die Völker selbst, zu Göttern erhoben oder in den Himmel versetzt. Was der Mensch so mühsam auf Erden sinnet, wirket und erstrebt, besitzen als ewigen Reichthum die Götter, und die Seligkeit des Menschen besteht nur in dem Mitgenusse des Himmels, in der Theilhaftigkeit des göttlichen Reichthums und der göttlichen Freuden. Den webenden Babyloniern dürfen und müssen die webenden Gottheiten und besonders die webenden Göttinnen (weil sich die Frauen vorzugsweise mit der Stickerei und Weberei beschäftigen), wie die Harmonia, die Anait, Tanait und Athene u. s. w. zunächst zugeschrieben werden. Die griechische Athene war daher auch die Beschützerin der Webekunst und führte als solche den Beinamen [fremdsprachliches Material]; an den jährlichen Festen der Athene zu Athen, an den Panathenäen wurde deshalb derselben auch jedesmal eine neue prachtvolle Stickerei (Peplos)

1) Semper, der Stil, I. S. 272 ff.
2) Braun, Geschichte der Kunst, I. S. 392 ff.

und Arabesken waren lange im ganzen Alterthum berühmt. 1) Den Phöniciern gehört der Bergbau und der Metallguss an, und vorzüglich in Spanien gruben und holten sie ihre Metalle. Die Babylonier und Assyrier sind also die Sticker und Weber, die Phönicier die Bergleute und Erzgiesser, die Metallurgen des Alterthums, so dass in dem salomonischen Tempel der Vorhang des Allerheiligsten gewiss babylonische Arbeit war, wie die Tyrier die Erzgeräthe und die Erzsäulen des Tempels gegossen hatten. Ganz in gleicher Weise hatten schon früher Babylon und Phönicien zur Ausstattung und Schmückung der jüdischen Stiftshütte sich vereinigt. 2) Es darf als der grösste Mangel der bisherigen mythologischen Forschungen und Schriften angesehen werden, dass sie dabei das wirkliche und tägliche Leben der Völker gar nicht berücksichtigen, ja kaum kennen, während dieses Leben und die Götter in dem innigsten Zusammenhange stehen und die Götter blos die göttliche Potencirung, die Vergöttlichung dieses Lebens sind. Die Mythologie in ihrem tieferen Sinne ist wirklich die Culturgeschichte der Urmenschheit, die Geschichte der Erfindung der Gewerbe, Künste und Wissenschaften und die Götter in ihrem Schaffen und Sein sind eben die Völker selbst, zu Göttern erhoben oder in den Himmel versetzt. Was der Mensch so mühsam auf Erden sinnet, wirket und erstrebt, besitzen als ewigen Reichthum die Götter, und die Seligkeit des Menschen besteht nur in dem Mitgenusse des Himmels, in der Theilhaftigkeit des göttlichen Reichthums und der göttlichen Freuden. Den webenden Babyloniern dürfen und müssen die webenden Gottheiten und besonders die webenden Göttinnen (weil sich die Frauen vorzugsweise mit der Stickerei und Weberei beschäftigen), wie die Harmonia, die Anait, Tanait und Athene u. s. w. zunächst zugeschrieben werden. Die griechische Athene war daher auch die Beschützerin der Webekunst und führte als solche den Beinamen [fremdsprachliches Material]; an den jährlichen Festen der Athene zu Athen, an den Panathenäen wurde deshalb derselben auch jedesmal eine neue prachtvolle Stickerei (Peplos)

1) Semper, der Stil, I. S. 272 ff.
2) Braun, Geschichte der Kunst, I. S. 392 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0043" n="27"/>
und Arabesken waren lange im ganzen Alterthum berühmt. <note place="foot" n="1)">Semper, der <choice><sic>Styl</sic><corr>Stil</corr></choice>, I. S. 272 ff.</note> Den Phöniciern gehört der Bergbau und der Metallguss
 an, und vorzüglich in Spanien gruben und holten sie ihre Metalle. Die Babylonier und Assyrier sind
 also die Sticker und Weber, die Phönicier die Bergleute und Erzgiesser, die Metallurgen des
 Alterthums, so dass in dem salomonischen Tempel der Vorhang des Allerheiligsten gewiss babylonische
 Arbeit war, wie die Tyrier die Erzgeräthe und die Erzsäulen des Tempels gegossen hatten. Ganz in
 gleicher Weise hatten schon früher Babylon und Phönicien zur Ausstattung und Schmückung der
 jüdischen Stiftshütte sich vereinigt. <note place="foot" n="2)">Braun, Geschichte der Kunst, I. S.
 392 ff.</note> Es darf als der grösste Mangel der bisherigen mythologischen Forschungen und
 Schriften angesehen werden, dass sie dabei das wirkliche und tägliche Leben der Völker gar nicht
 berücksichtigen, ja kaum kennen, während dieses Leben und die Götter in dem innigsten Zusammenhange
 stehen und die Götter blos die göttliche Potencirung, die Vergöttlichung dieses Lebens sind. Die
 Mythologie in ihrem tieferen Sinne ist wirklich die Culturgeschichte der Urmenschheit, die
 Geschichte der Erfindung der Gewerbe, Künste und Wissenschaften und die Götter in ihrem Schaffen und
 Sein sind eben die Völker selbst, zu Göttern erhoben oder in den Himmel versetzt. Was der Mensch so
 mühsam auf Erden sinnet, wirket und erstrebt, besitzen als ewigen Reichthum die Götter, und die
 Seligkeit des Menschen besteht nur in dem Mitgenusse des Himmels, in der Theilhaftigkeit des
 göttlichen Reichthums und der göttlichen Freuden. Den webenden Babyloniern dürfen und müssen die
 webenden Gottheiten und besonders die webenden Göttinnen (weil sich die Frauen vorzugsweise mit der
 Stickerei und Weberei beschäftigen), wie die Harmonia, die Anait, Tanait und Athene u. s. w.
 zunächst zugeschrieben werden. Die griechische Athene war daher auch die Beschützerin der Webekunst
 und führte als solche den Beinamen <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm"/></foreign>; an den
 jährlichen Festen der Athene zu Athen, an den Panathenäen wurde deshalb derselben auch jedesmal eine
 neue prachtvolle Stickerei (Peplos)
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0043] und Arabesken waren lange im ganzen Alterthum berühmt. 1) Den Phöniciern gehört der Bergbau und der Metallguss an, und vorzüglich in Spanien gruben und holten sie ihre Metalle. Die Babylonier und Assyrier sind also die Sticker und Weber, die Phönicier die Bergleute und Erzgiesser, die Metallurgen des Alterthums, so dass in dem salomonischen Tempel der Vorhang des Allerheiligsten gewiss babylonische Arbeit war, wie die Tyrier die Erzgeräthe und die Erzsäulen des Tempels gegossen hatten. Ganz in gleicher Weise hatten schon früher Babylon und Phönicien zur Ausstattung und Schmückung der jüdischen Stiftshütte sich vereinigt. 2) Es darf als der grösste Mangel der bisherigen mythologischen Forschungen und Schriften angesehen werden, dass sie dabei das wirkliche und tägliche Leben der Völker gar nicht berücksichtigen, ja kaum kennen, während dieses Leben und die Götter in dem innigsten Zusammenhange stehen und die Götter blos die göttliche Potencirung, die Vergöttlichung dieses Lebens sind. Die Mythologie in ihrem tieferen Sinne ist wirklich die Culturgeschichte der Urmenschheit, die Geschichte der Erfindung der Gewerbe, Künste und Wissenschaften und die Götter in ihrem Schaffen und Sein sind eben die Völker selbst, zu Göttern erhoben oder in den Himmel versetzt. Was der Mensch so mühsam auf Erden sinnet, wirket und erstrebt, besitzen als ewigen Reichthum die Götter, und die Seligkeit des Menschen besteht nur in dem Mitgenusse des Himmels, in der Theilhaftigkeit des göttlichen Reichthums und der göttlichen Freuden. Den webenden Babyloniern dürfen und müssen die webenden Gottheiten und besonders die webenden Göttinnen (weil sich die Frauen vorzugsweise mit der Stickerei und Weberei beschäftigen), wie die Harmonia, die Anait, Tanait und Athene u. s. w. zunächst zugeschrieben werden. Die griechische Athene war daher auch die Beschützerin der Webekunst und führte als solche den Beinamen _ ; an den jährlichen Festen der Athene zu Athen, an den Panathenäen wurde deshalb derselben auch jedesmal eine neue prachtvolle Stickerei (Peplos) 1) Semper, der Stil, I. S. 272 ff. 2) Braun, Geschichte der Kunst, I. S. 392 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/43
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/43>, abgerufen am 22.11.2024.