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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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Menschengeschichte, das Griechenthum ist die heitere und schöne Jugendzeit der Geschichte der Menschheit, indem in Griechenland zuerst der Mensch zum reinen und vollen Selbstbewusstsein, zur wahren Freiheit erwacht, sich gleichsam zuerst selbst findet und erkennt; wogegen im Oriente dieses reine und freie Selbstbewusstsein, die Selbstbestimmungsfähigkeit dem Menschen noch abgeht, und er in der Natur befangen, in sie versenkt und verloren ist, von ihr beherrscht wird. Selbst Aegypten konnte zu dem klaren menschlichen Selbstbewusstsein sich nicht aufschwingen, hatte nur eine dunkle Ahnung desselben, bemühte sich vergebens darnach in der Lösung des Räthsels der Sphinx, und dieses Räthsel, welches den Menschen bedeutet, löste erst der Grieche Oedipus. In den vorgriechischen, in den orientalischen Staaten waltet daher der Despotismus, die Unfreiheit, die Abhängigkeit von der Natur und der rohen Menschengewalt und kaum Einer, der Despot, ist dort frei. Mit Griechenland beginnt die Zeit der freien Städte und Staaten, der menschlichen und der bürgerlichen Freiheit, nur ist die letztere nicht das Gemeingut aller Menschen, sondern beschränkt auf die Einheimischen und unter diesen wieder auf die einzelnen Stadt- und Staatsbürger, hat neben sich nach Aussen die Fremden, die Barbaren, die Goim nach dem Ausdrucke der Juden, und im Innern die weniger Berechtigten und Freien, die Sklaven. Die jugendliche Freiheit der griechischen Städte und Staaten ist geschmückt mit allen gleich jugendlichen schönen Künsten und Wissenschaften, zumal auch mit der Philosophie; das frische, jugendmuthige und jugendkräftige, schaffende und begeisterte Leben des frei gewordenen Menschen durchdringt und hebt in Griechenland alle Zweige des menschlichen Wissens; und wie Griechenland die Wiege und das Vaterland der freien Staatsverfassungen und der bürgerlichen Freiheit ist, so auch der Dichtkunst, der Malerei, der Bildhauerkunst, der Baukunst, der Volksspiele, der Mathematik und der Naturwissenschaften, der Geschichtschreibung und der Philosophie u. s. w. Selbst die äussere Natur belebten die phantasiereichen Griechen und ihre Götterlehre oder Mythologie verleiht Leben jeder Quelle und jedem Baum,

Menschengeschichte, das Griechenthum ist die heitere und schöne Jugendzeit der Geschichte der Menschheit, indem in Griechenland zuerst der Mensch zum reinen und vollen Selbstbewusstsein, zur wahren Freiheit erwacht, sich gleichsam zuerst selbst findet und erkennt; wogegen im Oriente dieses reine und freie Selbstbewusstsein, die Selbstbestimmungsfähigkeit dem Menschen noch abgeht, und er in der Natur befangen, in sie versenkt und verloren ist, von ihr beherrscht wird. Selbst Aegypten konnte zu dem klaren menschlichen Selbstbewusstsein sich nicht aufschwingen, hatte nur eine dunkle Ahnung desselben, bemühte sich vergebens darnach in der Lösung des Räthsels der Sphinx, und dieses Räthsel, welches den Menschen bedeutet, löste erst der Grieche Oedipus. In den vorgriechischen, in den orientalischen Staaten waltet daher der Despotismus, die Unfreiheit, die Abhängigkeit von der Natur und der rohen Menschengewalt und kaum Einer, der Despot, ist dort frei. Mit Griechenland beginnt die Zeit der freien Städte und Staaten, der menschlichen und der bürgerlichen Freiheit, nur ist die letztere nicht das Gemeingut aller Menschen, sondern beschränkt auf die Einheimischen und unter diesen wieder auf die einzelnen Stadt- und Staatsbürger, hat neben sich nach Aussen die Fremden, die Barbaren, die Goim nach dem Ausdrucke der Juden, und im Innern die weniger Berechtigten und Freien, die Sklaven. Die jugendliche Freiheit der griechischen Städte und Staaten ist geschmückt mit allen gleich jugendlichen schönen Künsten und Wissenschaften, zumal auch mit der Philosophie; das frische, jugendmuthige und jugendkräftige, schaffende und begeisterte Leben des frei gewordenen Menschen durchdringt und hebt in Griechenland alle Zweige des menschlichen Wissens; und wie Griechenland die Wiege und das Vaterland der freien Staatsverfassungen und der bürgerlichen Freiheit ist, so auch der Dichtkunst, der Malerei, der Bildhauerkunst, der Baukunst, der Volksspiele, der Mathematik und der Naturwissenschaften, der Geschichtschreibung und der Philosophie u. s. w. Selbst die äussere Natur belebten die phantasiereichen Griechen und ihre Götterlehre oder Mythologie verleiht Leben jeder Quelle und jedem Baum,

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 wogegen im Oriente dieses reine und freie Selbstbewusstsein, die Selbstbestimmungsfähigkeit dem
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 Oedipus. In den vorgriechischen, in den orientalischen Staaten waltet daher der Despotismus, die
 Unfreiheit, die Abhängigkeit von der Natur und der rohen Menschengewalt und kaum Einer, der Despot,
 ist dort frei. Mit Griechenland beginnt die Zeit der freien Städte und Staaten, der menschlichen und
 der bürgerlichen Freiheit, nur ist die letztere nicht das Gemeingut aller Menschen, sondern
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 hat neben sich nach Aussen die Fremden, die Barbaren, die Goim nach dem Ausdrucke der Juden, und im
 Innern die weniger Berechtigten und Freien, die Sklaven. Die jugendliche Freiheit der griechischen
 Städte und Staaten ist geschmückt mit allen gleich jugendlichen schönen Künsten und Wissenschaften,
 zumal auch mit der Philosophie; das frische, jugendmuthige und jugendkräftige, schaffende und
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 menschlichen Wissens; und wie Griechenland die Wiege und das Vaterland der freien Staatsverfassungen
 und der bürgerlichen Freiheit ist, so auch der Dichtkunst, der Malerei, der Bildhauerkunst, der
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[353/0369] Menschengeschichte, das Griechenthum ist die heitere und schöne Jugendzeit der Geschichte der Menschheit, indem in Griechenland zuerst der Mensch zum reinen und vollen Selbstbewusstsein, zur wahren Freiheit erwacht, sich gleichsam zuerst selbst findet und erkennt; wogegen im Oriente dieses reine und freie Selbstbewusstsein, die Selbstbestimmungsfähigkeit dem Menschen noch abgeht, und er in der Natur befangen, in sie versenkt und verloren ist, von ihr beherrscht wird. Selbst Aegypten konnte zu dem klaren menschlichen Selbstbewusstsein sich nicht aufschwingen, hatte nur eine dunkle Ahnung desselben, bemühte sich vergebens darnach in der Lösung des Räthsels der Sphinx, und dieses Räthsel, welches den Menschen bedeutet, löste erst der Grieche Oedipus. In den vorgriechischen, in den orientalischen Staaten waltet daher der Despotismus, die Unfreiheit, die Abhängigkeit von der Natur und der rohen Menschengewalt und kaum Einer, der Despot, ist dort frei. Mit Griechenland beginnt die Zeit der freien Städte und Staaten, der menschlichen und der bürgerlichen Freiheit, nur ist die letztere nicht das Gemeingut aller Menschen, sondern beschränkt auf die Einheimischen und unter diesen wieder auf die einzelnen Stadt- und Staatsbürger, hat neben sich nach Aussen die Fremden, die Barbaren, die Goim nach dem Ausdrucke der Juden, und im Innern die weniger Berechtigten und Freien, die Sklaven. Die jugendliche Freiheit der griechischen Städte und Staaten ist geschmückt mit allen gleich jugendlichen schönen Künsten und Wissenschaften, zumal auch mit der Philosophie; das frische, jugendmuthige und jugendkräftige, schaffende und begeisterte Leben des frei gewordenen Menschen durchdringt und hebt in Griechenland alle Zweige des menschlichen Wissens; und wie Griechenland die Wiege und das Vaterland der freien Staatsverfassungen und der bürgerlichen Freiheit ist, so auch der Dichtkunst, der Malerei, der Bildhauerkunst, der Baukunst, der Volksspiele, der Mathematik und der Naturwissenschaften, der Geschichtschreibung und der Philosophie u. s. w. Selbst die äussere Natur belebten die phantasiereichen Griechen und ihre Götterlehre oder Mythologie verleiht Leben jeder Quelle und jedem Baum,

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/369>, abgerufen am 22.11.2024.