Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.
Der Mensch, - wie Gras sind seine Tage, Das Aufsuchen des Hirim bei den Maurern ist durchaus nichts Anderes als das alte klagende Aufsuchen des Adonis, des Osiris, der Kore u. s. w. und was namentlich in den Mysterien die Todtenfeier des Osiris gewesen,1) ist bei den Maurern die Todtenfeier des Hiram, die Meisteraufhahme. Der oben berührten Sitte der Aegypter und nach ihnen der Römer, bei den Gastmahlen den Maneros zu singen oder durch Hinweisung auf den Tod zum weisen Genusse des Lebens und der Lebensfreuden zu ermuntern, entsprach und entspricht bei den Juden der Gebrauch, an dem frohen Feste des Passah den Hausvater in seinem künftigen Todtengewande erscheinen zu lassen.2) Daran reiht sich die chinesische Sitte, dass sich Verwandte und Freunde gegenseitig mit Särgen beschenken. Wohlhabende Leute kaufen sich immer sobald als möglich einen Sarg nach ihrem Geschmack aus den grossen Vorräthen an Särgen in den öffentlichen Läden. Zärtliche, aufmerksame Kinder beschenken ihre Eltern mit kostbaren, schön gezierten Särgen. Sobald Jemand bettlägerig wird, ist es die erste Pflicht der Angehörigen, den Sarg neben sein Bett zu stellen und ihn zu fragen, ob ihm seine künftige letzte Wohnung gefalle. Auf dem Lande, wo keine Särge in Läden vorräthig sind, schickt man in jedem ernstlichen 1) Brugsch, die Adonisklage, S. 13. 2) Brugsch,
a. a. O., S. 25.
Der Mensch, – wie Gras sind seine Tage, Das Aufsuchen des Hirim bei den Maurern ist durchaus nichts Anderes als das alte klagende Aufsuchen des Adonis, des Osiris, der Kore u. s. w. und was namentlich in den Mysterien die Todtenfeier des Osiris gewesen,1) ist bei den Maurern die Todtenfeier des Hiram, die Meisteraufhahme. Der oben berührten Sitte der Aegypter und nach ihnen der Römer, bei den Gastmahlen den Maneros zu singen oder durch Hinweisung auf den Tod zum weisen Genusse des Lebens und der Lebensfreuden zu ermuntern, entsprach und entspricht bei den Juden der Gebrauch, an dem frohen Feste des Passah den Hausvater in seinem künftigen Todtengewande erscheinen zu lassen.2) Daran reiht sich die chinesische Sitte, dass sich Verwandte und Freunde gegenseitig mit Särgen beschenken. Wohlhabende Leute kaufen sich immer sobald als möglich einen Sarg nach ihrem Geschmack aus den grossen Vorräthen an Särgen in den öffentlichen Läden. Zärtliche, aufmerksame Kinder beschenken ihre Eltern mit kostbaren, schön gezierten Särgen. Sobald Jemand bettlägerig wird, ist es die erste Pflicht der Angehörigen, den Sarg neben sein Bett zu stellen und ihn zu fragen, ob ihm seine künftige letzte Wohnung gefalle. Auf dem Lande, wo keine Särge in Läden vorräthig sind, schickt man in jedem ernstlichen 1) Brugsch, die Adonisklage, S. 13. 2) Brugsch,
a. a. O., S. 25.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0107" n="91"/><lb/> und sie zunächst weinten und klagten und mit ihnen die mitfühlenden Frauen und Schwestern. Die im Alterthum so vielfach erscheinenden Klageweiber, namentlich in Aegypten, Phönicien, Juda und Syrien, in Griechenland und besonders in Athen, auf Kypros, zu Rom u. s. w. erklären sich also ganz natürlich. Der wahre und tiefere Inhalt dieser Todtenklagegesänge ist sehr schön in Psalm 103, 15 und 16 dahin ausgedrückt:</p> <cit rendition="#et"> <quote> Der Mensch, – wie Gras sind seine Tage,<lb/> Er blühet wie die Blume des Feldes;<lb/> Wenn der Wind über ihn fährt, so in er nicht mehr,<lb/> Und nicht erkennet ihn mehr sein Ort.</quote> </cit> <p> Das Aufsuchen des Hirim bei den Maurern ist durchaus nichts Anderes als das alte klagende Aufsuchen des Adonis, des Osiris, der Kore u. s. w. und was namentlich in den Mysterien die Todtenfeier des Osiris gewesen,<note place="foot" n="1)">Brugsch, die Adonisklage, S. 13.</note> ist bei den Maurern die Todtenfeier des Hiram, die Meisteraufhahme. </p> <p> Der oben berührten Sitte der Aegypter und nach ihnen der Römer, bei den Gastmahlen den Maneros zu singen oder durch Hinweisung auf den Tod zum weisen Genusse des Lebens und der Lebensfreuden zu ermuntern, entsprach und entspricht bei den Juden der Gebrauch, an dem frohen Feste des Passah den Hausvater in seinem künftigen Todtengewande erscheinen zu lassen.<note place="foot" n="2)">Brugsch, a. a. O., S. 25.</note> Daran reiht sich die chinesische Sitte, dass sich Verwandte und Freunde gegenseitig mit Särgen beschenken. Wohlhabende Leute kaufen sich immer sobald als möglich einen Sarg nach ihrem Geschmack aus den grossen Vorräthen an Särgen in den öffentlichen Läden. Zärtliche, aufmerksame Kinder beschenken ihre Eltern mit kostbaren, schön gezierten Särgen. Sobald Jemand bettlägerig wird, ist es die erste Pflicht der Angehörigen, den Sarg neben sein Bett zu stellen und ihn zu fragen, ob ihm seine künftige letzte Wohnung gefalle. Auf dem Lande, wo keine Särge in Läden vorräthig sind, schickt man in jedem ernstlichen </p> </div> </body> </text> </TEI> [91/0107]
und sie zunächst weinten und klagten und mit ihnen die mitfühlenden Frauen und Schwestern. Die im Alterthum so vielfach erscheinenden Klageweiber, namentlich in Aegypten, Phönicien, Juda und Syrien, in Griechenland und besonders in Athen, auf Kypros, zu Rom u. s. w. erklären sich also ganz natürlich. Der wahre und tiefere Inhalt dieser Todtenklagegesänge ist sehr schön in Psalm 103, 15 und 16 dahin ausgedrückt:
Der Mensch, – wie Gras sind seine Tage,
Er blühet wie die Blume des Feldes;
Wenn der Wind über ihn fährt, so in er nicht mehr,
Und nicht erkennet ihn mehr sein Ort. Das Aufsuchen des Hirim bei den Maurern ist durchaus nichts Anderes als das alte klagende Aufsuchen des Adonis, des Osiris, der Kore u. s. w. und was namentlich in den Mysterien die Todtenfeier des Osiris gewesen, 1) ist bei den Maurern die Todtenfeier des Hiram, die Meisteraufhahme.
Der oben berührten Sitte der Aegypter und nach ihnen der Römer, bei den Gastmahlen den Maneros zu singen oder durch Hinweisung auf den Tod zum weisen Genusse des Lebens und der Lebensfreuden zu ermuntern, entsprach und entspricht bei den Juden der Gebrauch, an dem frohen Feste des Passah den Hausvater in seinem künftigen Todtengewande erscheinen zu lassen. 2) Daran reiht sich die chinesische Sitte, dass sich Verwandte und Freunde gegenseitig mit Särgen beschenken. Wohlhabende Leute kaufen sich immer sobald als möglich einen Sarg nach ihrem Geschmack aus den grossen Vorräthen an Särgen in den öffentlichen Läden. Zärtliche, aufmerksame Kinder beschenken ihre Eltern mit kostbaren, schön gezierten Särgen. Sobald Jemand bettlägerig wird, ist es die erste Pflicht der Angehörigen, den Sarg neben sein Bett zu stellen und ihn zu fragen, ob ihm seine künftige letzte Wohnung gefalle. Auf dem Lande, wo keine Särge in Läden vorräthig sind, schickt man in jedem ernstlichen
1) Brugsch, die Adonisklage, S. 13.
2) Brugsch, a. a. O., S. 25.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-14T13:44:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-08-14T13:44:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |