Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
aber für den gegenwärtigen Zweck nicht aus, müssen viel- mehr die verschiedene Natur der Rechtsregeln noch genauer betrachten.
Zwar könnte man glauben, hier auszureichen mit der Unterscheidung absoluter und vermittelnder Rechtsregeln (§ 16), allein auch darin würde man sich täuschen. Zwar ist diese Unterscheidung insofern von einigem Einfluß auf unsre Frage, als niemals eine blos vermittelnde Rechts- regel in die Reihe jener Ausnahmefälle gehören wird (b). Dagegen würde es umgekehrt ganz irrig sein, allen abso- luten Gesetzen eine so positive, zwingende Natur zuzuschrei- ben, daß sie unter die Ausnahmefälle gerechnet werden müßten. So z. B. gehört jedes Gesetz über den Anfang der Volljährigkeit unter die absoluten Gesetze, weil es nicht blos in Ermangelung einer anders bestimmenden Privat- willkür wirken soll; dennoch sind Alle darüber einig, daß gerade dieses Gesetz auch außer den Gränzen des Staates, worin es gegeben ist, unbedenklich wirken kann (§ 362).
Ob nun irgend ein Gesetz unter die Ausnahmefälle zu rechnen ist, das hängt vor Allem von der Absicht des Ge- setzgebers ab. Hat dieser sich darüber ausdrücklich erklärt,
(b) Jedes Gesetz über die In- testaterbfolge ist ein vermittelndes, weil es nur wirkt in Ermangelung eines letzten Willens. Daher ist es auch allgemein anerkannt, daß solche Gesetze außer dem Ge- biete, wofür sie gegeben sind, wirken können; denn die häufigen abweichenden Meinungen betreffen nicht diese Gesetze an sich, sondern nur ihre Anwendung auf das Grundeigenthum, wovon unten ausführlich die Rede sein wird (§. 376).
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
aber für den gegenwärtigen Zweck nicht aus, müſſen viel- mehr die verſchiedene Natur der Rechtsregeln noch genauer betrachten.
Zwar könnte man glauben, hier auszureichen mit der Unterſcheidung abſoluter und vermittelnder Rechtsregeln (§ 16), allein auch darin würde man ſich täuſchen. Zwar iſt dieſe Unterſcheidung inſofern von einigem Einfluß auf unſre Frage, als niemals eine blos vermittelnde Rechts- regel in die Reihe jener Ausnahmefälle gehören wird (b). Dagegen würde es umgekehrt ganz irrig ſein, allen abſo- luten Geſetzen eine ſo poſitive, zwingende Natur zuzuſchrei- ben, daß ſie unter die Ausnahmefälle gerechnet werden müßten. So z. B. gehört jedes Geſetz über den Anfang der Volljährigkeit unter die abſoluten Geſetze, weil es nicht blos in Ermangelung einer anders beſtimmenden Privat- willkür wirken ſoll; dennoch ſind Alle darüber einig, daß gerade dieſes Geſetz auch außer den Gränzen des Staates, worin es gegeben iſt, unbedenklich wirken kann (§ 362).
Ob nun irgend ein Geſetz unter die Ausnahmefälle zu rechnen iſt, das hängt vor Allem von der Abſicht des Ge- ſetzgebers ab. Hat dieſer ſich darüber ausdrücklich erklärt,
(b) Jedes Geſetz über die In- teſtaterbfolge iſt ein vermittelndes, weil es nur wirkt in Ermangelung eines letzten Willens. Daher iſt es auch allgemein anerkannt, daß ſolche Geſetze außer dem Ge- biete, wofür ſie gegeben ſind, wirken können; denn die häufigen abweichenden Meinungen betreffen nicht dieſe Geſetze an ſich, ſondern nur ihre Anwendung auf das Grundeigenthum, wovon unten ausführlich die Rede ſein wird (§. 376).
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
aber für den gegenwärtigen Zweck nicht aus, müſſen viel-
mehr die verſchiedene Natur der Rechtsregeln noch genauer
betrachten.
Zwar könnte man glauben, hier auszureichen mit der
Unterſcheidung abſoluter und vermittelnder Rechtsregeln
(§ 16), allein auch darin würde man ſich täuſchen. Zwar
iſt dieſe Unterſcheidung inſofern von einigem Einfluß auf
unſre Frage, als niemals eine blos vermittelnde Rechts-
regel in die Reihe jener Ausnahmefälle gehören wird (b).
Dagegen würde es umgekehrt ganz irrig ſein, allen abſo-
luten Geſetzen eine ſo poſitive, zwingende Natur zuzuſchrei-
ben, daß ſie unter die Ausnahmefälle gerechnet werden
müßten. So z. B. gehört jedes Geſetz über den Anfang
der Volljährigkeit unter die abſoluten Geſetze, weil es nicht
blos in Ermangelung einer anders beſtimmenden Privat-
willkür wirken ſoll; dennoch ſind Alle darüber einig, daß
gerade dieſes Geſetz auch außer den Gränzen des Staates,
worin es gegeben iſt, unbedenklich wirken kann (§ 362).
Ob nun irgend ein Geſetz unter die Ausnahmefälle zu
rechnen iſt, das hängt vor Allem von der Abſicht des Ge-
ſetzgebers ab. Hat dieſer ſich darüber ausdrücklich erklärt,
(b) Jedes Geſetz über die In-
teſtaterbfolge iſt ein vermittelndes,
weil es nur wirkt in Ermangelung
eines letzten Willens. Daher iſt
es auch allgemein anerkannt, daß
ſolche Geſetze außer dem Ge-
biete, wofür ſie gegeben ſind,
wirken können; denn die häufigen
abweichenden Meinungen betreffen
nicht dieſe Geſetze an ſich, ſondern
nur ihre Anwendung auf das
Grundeigenthum, wovon unten
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(§. 376).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/56>, abgerufen am 04.07.2024.
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