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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 400. B. Daseyn der Rechte. -- Rechtmäßigkeit.
standes nicht mit Sicherheit geschichtlich verfolgen können.
Gesetzt nun, dieser Uebergang wäre nicht so allmälig, son-
dern in kurzer Zeit eingetreten, etwa in Folge einer gewalt-
samen geistigen Erschütterung des Volksbewußtseyns, so
würden wir unmöglich einem solchen neuen Zeitalter das
Recht versagen können, der gegenwärtigen, allgemein ge-
wordenen Ueberzeugung Raum zu geben, und dem Sklaven-
stand als Rechtsinstitut die fernere Anerkennung zu ver-
sagen. Daneben ließen sich mancherlei Wege denken,
den Uebergang zu vermitteln, und gegen Gefahren zu
schützen.

Ein anderes Beispiel möge das Zehentrecht darbieten.
In Zeiten einer wenig entwickelten, stationären Boden-Cultur
konnte dieses als ein einfaches, natürliches, zweckmäßiges
Rechtsinstitut gelten, und große Verbreitung erhalten.
Bei lebendiger Entwickelung gewerblicher Thätigkeit mußte
man sich überzeugen, daß durch eine solche, auf dem Roh-
ertrag ruhende, Abgabe jeder Fortschritt des Landbaues
gehemmt, oft unmöglich gemacht werde. Darunter litten
die Verpflichteten, so wie durch sie der Staat im Ganzen,
nicht die Berechtigten, die also vielleicht einer Verwandlung
der ihnen bequemen Zehenten widerstrebten. Wenn nun
die Ueberzeugung von den mit diesem Zustand verbundenen
Nachtheilen allgemein wurde, so war die gesetzliche Ver-
wandlung der bisher unablöslichen Zehenten in ablösliche
gerechtfertigt, indem dadurch dem Staat und den Verpflich-
teten ein augenscheinlicher großer Gewinn erworben, von

§. 400. B. Daſeyn der Rechte. — Rechtmäßigkeit.
ſtandes nicht mit Sicherheit geſchichtlich verfolgen können.
Geſetzt nun, dieſer Uebergang wäre nicht ſo allmälig, ſon-
dern in kurzer Zeit eingetreten, etwa in Folge einer gewalt-
ſamen geiſtigen Erſchütterung des Volksbewußtſeyns, ſo
würden wir unmöglich einem ſolchen neuen Zeitalter das
Recht verſagen können, der gegenwärtigen, allgemein ge-
wordenen Ueberzeugung Raum zu geben, und dem Sklaven-
ſtand als Rechtsinſtitut die fernere Anerkennung zu ver-
ſagen. Daneben ließen ſich mancherlei Wege denken,
den Uebergang zu vermitteln, und gegen Gefahren zu
ſchützen.

Ein anderes Beiſpiel möge das Zehentrecht darbieten.
In Zeiten einer wenig entwickelten, ſtationären Boden-Cultur
konnte dieſes als ein einfaches, natürliches, zweckmäßiges
Rechtsinſtitut gelten, und große Verbreitung erhalten.
Bei lebendiger Entwickelung gewerblicher Thätigkeit mußte
man ſich überzeugen, daß durch eine ſolche, auf dem Roh-
ertrag ruhende, Abgabe jeder Fortſchritt des Landbaues
gehemmt, oft unmöglich gemacht werde. Darunter litten
die Verpflichteten, ſo wie durch ſie der Staat im Ganzen,
nicht die Berechtigten, die alſo vielleicht einer Verwandlung
der ihnen bequemen Zehenten widerſtrebten. Wenn nun
die Ueberzeugung von den mit dieſem Zuſtand verbundenen
Nachtheilen allgemein wurde, ſo war die geſetzliche Ver-
wandlung der bisher unablöslichen Zehenten in ablösliche
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[535/0557] §. 400. B. Daſeyn der Rechte. — Rechtmäßigkeit. ſtandes nicht mit Sicherheit geſchichtlich verfolgen können. Geſetzt nun, dieſer Uebergang wäre nicht ſo allmälig, ſon- dern in kurzer Zeit eingetreten, etwa in Folge einer gewalt- ſamen geiſtigen Erſchütterung des Volksbewußtſeyns, ſo würden wir unmöglich einem ſolchen neuen Zeitalter das Recht verſagen können, der gegenwärtigen, allgemein ge- wordenen Ueberzeugung Raum zu geben, und dem Sklaven- ſtand als Rechtsinſtitut die fernere Anerkennung zu ver- ſagen. Daneben ließen ſich mancherlei Wege denken, den Uebergang zu vermitteln, und gegen Gefahren zu ſchützen. Ein anderes Beiſpiel möge das Zehentrecht darbieten. In Zeiten einer wenig entwickelten, ſtationären Boden-Cultur konnte dieſes als ein einfaches, natürliches, zweckmäßiges Rechtsinſtitut gelten, und große Verbreitung erhalten. Bei lebendiger Entwickelung gewerblicher Thätigkeit mußte man ſich überzeugen, daß durch eine ſolche, auf dem Roh- ertrag ruhende, Abgabe jeder Fortſchritt des Landbaues gehemmt, oft unmöglich gemacht werde. Darunter litten die Verpflichteten, ſo wie durch ſie der Staat im Ganzen, nicht die Berechtigten, die alſo vielleicht einer Verwandlung der ihnen bequemen Zehenten widerſtrebten. Wenn nun die Ueberzeugung von den mit dieſem Zuſtand verbundenen Nachtheilen allgemein wurde, ſo war die geſetzliche Ver- wandlung der bisher unablöslichen Zehenten in ablösliche gerechtfertigt, indem dadurch dem Staat und den Verpflich- teten ein augenſcheinlicher großer Gewinn erworben, von

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/557>, abgerufen am 02.05.2024.