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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
früher, als bisher, eintreten läßt. Dasselbe gilt aber auch
umgekehrt; schließt also unter der Herrschaft des Französi-
schen Rechts ein Einundzwanzigjähriger einen Vertrag, so
ist und bleibt der Vertrag gültig, auch wenn bald nachher
dieser Ort unter die Herrschaft des Römischen Rechts tritt,
welches Fünf und zwanzig Jahre für die Volljährigkeit er-
fordert. -- Ueber diesen Gegenstand ist auch, so viel ich
weiß, niemals ein Zweifel erhoben worden. -- Dasselbe
muß behauptet werden, wenn eine Frau Bürgschaft leistet,
während das Römische Recht (mit dem Sc. Vellejanum) gilt,
welches Gesetz nachher aufgehoben wird, oder umgekehrt.
Im ersten Fall ist und bleibt die Bürgschaft ungültig, im
zweiten Fall ist und bleibt sie gültig, auch nach dem abän-
dernden neuen Gesetz (a).

Auf gleiche Weise muß die juristische Form eines Rechts-
geschäfts beurtheilt werden ausschließend nach dem zur Zeit des
vorgenommenen Geschäfts bestehenden Gesetz, so daß ein
späteres Gesetz keinen Einfluß auf die Gültigkeit hat, ohne
Unterschied, ob dasselbe die frühere Form erleichtert oder
erschwert. Man kann diesen Satz so ausdrücken: tempus
regit actum,
übereinstimmend mit der Regel des örtlichen
Rechts: locus regit actum (§ 381), ja er führt sogar
noch einen höheren Grad von Gewißheit und Nothwendig-
keit mit sich, als diese Regel, welche man als eine, durch

(a) Von einer abweichenden Meinung von Meyer über das
Sc. Vellejanum wird unten bei den Verträgen § 392 die Rede
seyn.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
früher, als bisher, eintreten läßt. Daſſelbe gilt aber auch
umgekehrt; ſchließt alſo unter der Herrſchaft des Franzöſi-
ſchen Rechts ein Einundzwanzigjähriger einen Vertrag, ſo
iſt und bleibt der Vertrag gültig, auch wenn bald nachher
dieſer Ort unter die Herrſchaft des Römiſchen Rechts tritt,
welches Fünf und zwanzig Jahre für die Volljährigkeit er-
fordert. — Ueber dieſen Gegenſtand iſt auch, ſo viel ich
weiß, niemals ein Zweifel erhoben worden. — Daſſelbe
muß behauptet werden, wenn eine Frau Bürgſchaft leiſtet,
während das Römiſche Recht (mit dem Sc. Vellejanum) gilt,
welches Geſetz nachher aufgehoben wird, oder umgekehrt.
Im erſten Fall iſt und bleibt die Bürgſchaft ungültig, im
zweiten Fall iſt und bleibt ſie gültig, auch nach dem abän-
dernden neuen Geſetz (a).

Auf gleiche Weiſe muß die juriſtiſche Form eines Rechts-
geſchäfts beurtheilt werden ausſchließend nach dem zur Zeit des
vorgenommenen Geſchäfts beſtehenden Geſetz, ſo daß ein
ſpäteres Geſetz keinen Einfluß auf die Gültigkeit hat, ohne
Unterſchied, ob daſſelbe die frühere Form erleichtert oder
erſchwert. Man kann dieſen Satz ſo ausdrücken: tempus
regit actum,
übereinſtimmend mit der Regel des örtlichen
Rechts: locus regit actum (§ 381), ja er führt ſogar
noch einen höheren Grad von Gewißheit und Nothwendig-
keit mit ſich, als dieſe Regel, welche man als eine, durch

(a) Von einer abweichenden Meinung von Meyer über das
Sc. Vellejanum wird unten bei den Verträgen § 392 die Rede
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[408/0430] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. früher, als bisher, eintreten läßt. Daſſelbe gilt aber auch umgekehrt; ſchließt alſo unter der Herrſchaft des Franzöſi- ſchen Rechts ein Einundzwanzigjähriger einen Vertrag, ſo iſt und bleibt der Vertrag gültig, auch wenn bald nachher dieſer Ort unter die Herrſchaft des Römiſchen Rechts tritt, welches Fünf und zwanzig Jahre für die Volljährigkeit er- fordert. — Ueber dieſen Gegenſtand iſt auch, ſo viel ich weiß, niemals ein Zweifel erhoben worden. — Daſſelbe muß behauptet werden, wenn eine Frau Bürgſchaft leiſtet, während das Römiſche Recht (mit dem Sc. Vellejanum) gilt, welches Geſetz nachher aufgehoben wird, oder umgekehrt. Im erſten Fall iſt und bleibt die Bürgſchaft ungültig, im zweiten Fall iſt und bleibt ſie gültig, auch nach dem abän- dernden neuen Geſetz (a). Auf gleiche Weiſe muß die juriſtiſche Form eines Rechts- geſchäfts beurtheilt werden ausſchließend nach dem zur Zeit des vorgenommenen Geſchäfts beſtehenden Geſetz, ſo daß ein ſpäteres Geſetz keinen Einfluß auf die Gültigkeit hat, ohne Unterſchied, ob daſſelbe die frühere Form erleichtert oder erſchwert. Man kann dieſen Satz ſo ausdrücken: tempus regit actum, übereinſtimmend mit der Regel des örtlichen Rechts: locus regit actum (§ 381), ja er führt ſogar noch einen höheren Grad von Gewißheit und Nothwendig- keit mit ſich, als dieſe Regel, welche man als eine, durch (a) Von einer abweichenden Meinung von Meyer über das Sc. Vellejanum wird unten bei den Verträgen § 392 die Rede ſeyn.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/430>, abgerufen am 17.05.2024.