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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Welches Territorialrecht ist in jedem gege-
benen Falle anzuwenden?

Hierin liegt denn auch der Grund, weshalb schon bis-
her die gleichzeitigen Gränzen der Rechtsregeln als ört-
liche
Gränzen bezeichnet worden sind (§ 244).

Suchen wir zunächst durch Beispiele anschaulich zu
machen, welche Bedeutung die hier in Frage gestellte Colli-
sion verschiedener örtlicher oder territorialer Rechte haben
kann. An einem bestimmten Orte ist ein Rechtsstreit zu
entscheiden über die Erfüllung eines Vertrages oder über
das Eigenthum einer Sache. Der Vertrag aber ist ge-
schlossen an einem anderen Orte, als an dem des Gerichts;
die streitige Sache befindet sich an einem anderen Orte, als
dem des Gerichts; beide Orte haben verschiedenes territo-
riales Recht. Daneben können beide streitende Parteien,
ihrer Person nach, dem Orte des Gerichts angehören, oder
beide einem fremden Orte, oder auch beide Parteien ver-
schiedenen Orten. Welches unter den verschiedenen ört-
lichen Rechten, mit denen das streitige Rechtsverhältniß in
irgend einer Berührung steht, soll bei der Entscheidung des
Streites zur Anwendung kommen? Das ist der Sinn der
Collisionsfrage in Anwendung auf Territorialrechte (e).


(e) Die Collision verschiedener
Rechte kommt allerdings auch bei
der auf die Volksabstammung ge-
gründeten Rechtsgemeinschaft in
Frage, und bedarf hier, eben so
gut als neben dem Territorialrecht,
ihrer Lösung. Ein genaueres Ein-
gehen auf diese Gestalt unserer
Frage, die ja überhaupt nur
des geschichtlichen Zusammenhangs
wegen gegenwärtig berührt wurde,
und für das heutige Recht keine

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Welches Territorialrecht iſt in jedem gege-
benen Falle anzuwenden?

Hierin liegt denn auch der Grund, weshalb ſchon bis-
her die gleichzeitigen Gränzen der Rechtsregeln als ört-
liche
Gränzen bezeichnet worden ſind (§ 244).

Suchen wir zunächſt durch Beiſpiele anſchaulich zu
machen, welche Bedeutung die hier in Frage geſtellte Colli-
ſion verſchiedener örtlicher oder territorialer Rechte haben
kann. An einem beſtimmten Orte iſt ein Rechtsſtreit zu
entſcheiden über die Erfüllung eines Vertrages oder über
das Eigenthum einer Sache. Der Vertrag aber iſt ge-
ſchloſſen an einem anderen Orte, als an dem des Gerichts;
die ſtreitige Sache befindet ſich an einem anderen Orte, als
dem des Gerichts; beide Orte haben verſchiedenes territo-
riales Recht. Daneben können beide ſtreitende Parteien,
ihrer Perſon nach, dem Orte des Gerichts angehören, oder
beide einem fremden Orte, oder auch beide Parteien ver-
ſchiedenen Orten. Welches unter den verſchiedenen ört-
lichen Rechten, mit denen das ſtreitige Rechtsverhältniß in
irgend einer Berührung ſteht, ſoll bei der Entſcheidung des
Streites zur Anwendung kommen? Das iſt der Sinn der
Colliſionsfrage in Anwendung auf Territorialrechte (e).


(e) Die Colliſion verſchiedener
Rechte kommt allerdings auch bei
der auf die Volksabſtammung ge-
gründeten Rechtsgemeinſchaft in
Frage, und bedarf hier, eben ſo
gut als neben dem Territorialrecht,
ihrer Löſung. Ein genaueres Ein-
gehen auf dieſe Geſtalt unſerer
Frage, die ja überhaupt nur
des geſchichtlichen Zuſammenhangs
wegen gegenwärtig berührt wurde,
und für das heutige Recht keine
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[18/0040] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Welches Territorialrecht iſt in jedem gege- benen Falle anzuwenden? Hierin liegt denn auch der Grund, weshalb ſchon bis- her die gleichzeitigen Gränzen der Rechtsregeln als ört- liche Gränzen bezeichnet worden ſind (§ 244). Suchen wir zunächſt durch Beiſpiele anſchaulich zu machen, welche Bedeutung die hier in Frage geſtellte Colli- ſion verſchiedener örtlicher oder territorialer Rechte haben kann. An einem beſtimmten Orte iſt ein Rechtsſtreit zu entſcheiden über die Erfüllung eines Vertrages oder über das Eigenthum einer Sache. Der Vertrag aber iſt ge- ſchloſſen an einem anderen Orte, als an dem des Gerichts; die ſtreitige Sache befindet ſich an einem anderen Orte, als dem des Gerichts; beide Orte haben verſchiedenes territo- riales Recht. Daneben können beide ſtreitende Parteien, ihrer Perſon nach, dem Orte des Gerichts angehören, oder beide einem fremden Orte, oder auch beide Parteien ver- ſchiedenen Orten. Welches unter den verſchiedenen ört- lichen Rechten, mit denen das ſtreitige Rechtsverhältniß in irgend einer Berührung ſteht, ſoll bei der Entſcheidung des Streites zur Anwendung kommen? Das iſt der Sinn der Colliſionsfrage in Anwendung auf Territorialrechte (e). (e) Die Colliſion verſchiedener Rechte kommt allerdings auch bei der auf die Volksabſtammung ge- gründeten Rechtsgemeinſchaft in Frage, und bedarf hier, eben ſo gut als neben dem Territorialrecht, ihrer Löſung. Ein genaueres Ein- gehen auf dieſe Geſtalt unſerer Frage, die ja überhaupt nur des geſchichtlichen Zuſammenhangs wegen gegenwärtig berührt wurde, und für das heutige Recht keine

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/40>, abgerufen am 16.04.2024.