er Das vorschreiben, welches er theils an sich für das Zu- träglichste hält, theils der bisherigen Sitte des Landes ent- sprechend findet. Will er aber diese Regel auch den an- derwärts begründeten, bei ihm neu einwandernden Ehen aufdrängen? Dazu ist ein hinreichender Grund nicht vor- handen, besonders im Widerspruch mit dem so eben näher entwickelten Bedenken. Wenn aber das Gesetz, seiner wahr- scheinlichen Absicht nach, auf die einwandernden Ehen gar nicht zu beziehen ist, so hat für diese der von den Gegnern aufgestellte Grund alle Kraft verloren.
Giebt man die hier aufgestellten Gründe als richtig zu, so ist damit die zweite der oben aufgestellten Meinungen, und eben so auch die dritte, völlig widerlegt. Die zweite aber erscheint noch besonders hart und ungerecht in Beziehung auf das schon erworbene Vermögen. Wenn an einem Orte, dessen Gesetz die allgemeine Güter- gemeinschaft ausgedehntester Art als Regel aufstellt, eine Ehe begründet wird von einem reichen Mann mit einer armen Frau, so wird durch den Abschluß der Ehe das Vermögen gemeinschaftlich. Wird nachher von dem Manne der Wohnsitz an einen Ort verlegt, an welchem das Dotal- recht als Regel gilt, so müßte die Frau, nach der zweiten Meinung, den ihr bereits erworbenen Antheil am Vermögen augenblicklich, und wider ihren Willen, verlieren. Gerade um diesem schreienden Erfolg zu begegnen, ist die dritte, vermittelnde, Meinung aufgestellt worden. Allein abgesehen davon, daß dieselbe durch die oben aufgestellten Gründe
§. 379. V. Familienrecht. A. Ehe.
er Das vorſchreiben, welches er theils an ſich für das Zu- träglichſte hält, theils der bisherigen Sitte des Landes ent- ſprechend findet. Will er aber dieſe Regel auch den an- derwärts begründeten, bei ihm neu einwandernden Ehen aufdrängen? Dazu iſt ein hinreichender Grund nicht vor- handen, beſonders im Widerſpruch mit dem ſo eben näher entwickelten Bedenken. Wenn aber das Geſetz, ſeiner wahr- ſcheinlichen Abſicht nach, auf die einwandernden Ehen gar nicht zu beziehen iſt, ſo hat für dieſe der von den Gegnern aufgeſtellte Grund alle Kraft verloren.
Giebt man die hier aufgeſtellten Gründe als richtig zu, ſo iſt damit die zweite der oben aufgeſtellten Meinungen, und eben ſo auch die dritte, völlig widerlegt. Die zweite aber erſcheint noch beſonders hart und ungerecht in Beziehung auf das ſchon erworbene Vermögen. Wenn an einem Orte, deſſen Geſetz die allgemeine Güter- gemeinſchaft ausgedehnteſter Art als Regel aufſtellt, eine Ehe begründet wird von einem reichen Mann mit einer armen Frau, ſo wird durch den Abſchluß der Ehe das Vermögen gemeinſchaftlich. Wird nachher von dem Manne der Wohnſitz an einen Ort verlegt, an welchem das Dotal- recht als Regel gilt, ſo müßte die Frau, nach der zweiten Meinung, den ihr bereits erworbenen Antheil am Vermögen augenblicklich, und wider ihren Willen, verlieren. Gerade um dieſem ſchreienden Erfolg zu begegnen, iſt die dritte, vermittelnde, Meinung aufgeſtellt worden. Allein abgeſehen davon, daß dieſelbe durch die oben aufgeſtellten Gründe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0355"n="333"/><fwplace="top"type="header">§. 379. <hirendition="#aq">V.</hi> Familienrecht. <hirendition="#aq">A.</hi> Ehe.</fw><lb/>
er Das vorſchreiben, welches er theils an ſich für das Zu-<lb/>
träglichſte hält, theils der bisherigen Sitte des Landes ent-<lb/>ſprechend findet. Will er aber dieſe Regel auch den an-<lb/>
derwärts begründeten, bei ihm neu einwandernden Ehen<lb/>
aufdrängen? Dazu iſt ein hinreichender Grund nicht vor-<lb/>
handen, beſonders im Widerſpruch mit dem ſo eben näher<lb/>
entwickelten Bedenken. Wenn aber das Geſetz, ſeiner wahr-<lb/>ſcheinlichen Abſicht nach, auf die einwandernden Ehen gar<lb/>
nicht zu beziehen iſt, ſo hat für dieſe der von den Gegnern<lb/>
aufgeſtellte Grund alle Kraft verloren.</p><lb/><p>Giebt man die hier aufgeſtellten Gründe als richtig zu,<lb/>ſo iſt damit die zweite der oben aufgeſtellten Meinungen,<lb/>
und eben ſo auch die dritte, völlig widerlegt. Die zweite<lb/>
aber erſcheint noch beſonders hart und ungerecht in<lb/>
Beziehung auf das ſchon erworbene Vermögen. Wenn<lb/>
an einem Orte, deſſen Geſetz die allgemeine Güter-<lb/>
gemeinſchaft ausgedehnteſter Art als Regel aufſtellt, eine<lb/>
Ehe begründet wird von einem reichen Mann mit einer<lb/>
armen Frau, ſo wird durch den Abſchluß der Ehe das<lb/>
Vermögen gemeinſchaftlich. Wird nachher von dem Manne<lb/>
der Wohnſitz an einen Ort verlegt, an welchem das Dotal-<lb/>
recht als Regel gilt, ſo müßte die Frau, nach der zweiten<lb/>
Meinung, den ihr bereits erworbenen Antheil am Vermögen<lb/>
augenblicklich, und wider ihren Willen, verlieren. Gerade<lb/>
um dieſem ſchreienden Erfolg zu begegnen, iſt die dritte,<lb/>
vermittelnde, Meinung aufgeſtellt worden. Allein abgeſehen<lb/>
davon, daß dieſelbe durch die oben aufgeſtellten Gründe<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[333/0355]
§. 379. V. Familienrecht. A. Ehe.
er Das vorſchreiben, welches er theils an ſich für das Zu-
träglichſte hält, theils der bisherigen Sitte des Landes ent-
ſprechend findet. Will er aber dieſe Regel auch den an-
derwärts begründeten, bei ihm neu einwandernden Ehen
aufdrängen? Dazu iſt ein hinreichender Grund nicht vor-
handen, beſonders im Widerſpruch mit dem ſo eben näher
entwickelten Bedenken. Wenn aber das Geſetz, ſeiner wahr-
ſcheinlichen Abſicht nach, auf die einwandernden Ehen gar
nicht zu beziehen iſt, ſo hat für dieſe der von den Gegnern
aufgeſtellte Grund alle Kraft verloren.
Giebt man die hier aufgeſtellten Gründe als richtig zu,
ſo iſt damit die zweite der oben aufgeſtellten Meinungen,
und eben ſo auch die dritte, völlig widerlegt. Die zweite
aber erſcheint noch beſonders hart und ungerecht in
Beziehung auf das ſchon erworbene Vermögen. Wenn
an einem Orte, deſſen Geſetz die allgemeine Güter-
gemeinſchaft ausgedehnteſter Art als Regel aufſtellt, eine
Ehe begründet wird von einem reichen Mann mit einer
armen Frau, ſo wird durch den Abſchluß der Ehe das
Vermögen gemeinſchaftlich. Wird nachher von dem Manne
der Wohnſitz an einen Ort verlegt, an welchem das Dotal-
recht als Regel gilt, ſo müßte die Frau, nach der zweiten
Meinung, den ihr bereits erworbenen Antheil am Vermögen
augenblicklich, und wider ihren Willen, verlieren. Gerade
um dieſem ſchreienden Erfolg zu begegnen, iſt die dritte,
vermittelnde, Meinung aufgeſtellt worden. Allein abgeſehen
davon, daß dieſelbe durch die oben aufgeſtellten Gründe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/355>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.