Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Die hier aufgestellte Regel wird denn auch von den meisten Schriftstellern anerkannt, natürlich mit Vorbehalt sehr verschiedener Anwendungen, gegründet auf die Mei- nungsverschiedenheiten über das örtliche Recht der Obliga- tion selbst (m).
Diese Uebereinstimmung jedoch beschränkt sich auf den durchgreifenden Gegensatz einer durchaus gültigen oder durchaus ungültigen (nichtigen) Obligation. Zwischen die- sen beiden äußersten Fällen finden sich mannichfaltige Mit- telglieder, und über das örtliche Recht, nach welchem diese beurtheilt werden sollen, gehen die Meinungen sehr aus- einander.
Zunächst sind hier die Fälle zu beachten, in welchen einer an sich nicht ungültigen Obligation blos die Rechts- hülfe der Klage versagt wird (naturalis obligatio); ferner die weit häufigeren Fälle, in welchen eine klagbare Obli- gation durch entgegenstehende peremtorische Einreden ent- kräftet wird. Manche Schriftsteller haben hier die Klagen und Einreden als Prozeßinstitute behandelt, und daher auf alle Fälle solcher Art das Gesetz, welches am Ort der an- gestellten Klage gilt, anzuwenden versucht (n). Diese Mei- nung aber ist ganz verwerflich; alle Rechtsregeln der hier erwähnten Art bestimmen nur verschiedene Stufen und
(m)Voet. Pand. IV. 1. § 29. Hert. § 66. Story § 332 fg. WächterII. S. 397. 403. 404.
(n)Weber natürliche Ver- bindlichkeit § 62. 95. Foelix p. 146.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Die hier aufgeſtellte Regel wird denn auch von den meiſten Schriftſtellern anerkannt, natürlich mit Vorbehalt ſehr verſchiedener Anwendungen, gegründet auf die Mei- nungsverſchiedenheiten über das örtliche Recht der Obliga- tion ſelbſt (m).
Dieſe Uebereinſtimmung jedoch beſchränkt ſich auf den durchgreifenden Gegenſatz einer durchaus gültigen oder durchaus ungültigen (nichtigen) Obligation. Zwiſchen die- ſen beiden äußerſten Fällen finden ſich mannichfaltige Mit- telglieder, und über das örtliche Recht, nach welchem dieſe beurtheilt werden ſollen, gehen die Meinungen ſehr aus- einander.
Zunächſt ſind hier die Fälle zu beachten, in welchen einer an ſich nicht ungültigen Obligation blos die Rechts- hülfe der Klage verſagt wird (naturalis obligatio); ferner die weit häufigeren Fälle, in welchen eine klagbare Obli- gation durch entgegenſtehende peremtoriſche Einreden ent- kräftet wird. Manche Schriftſteller haben hier die Klagen und Einreden als Prozeßinſtitute behandelt, und daher auf alle Fälle ſolcher Art das Geſetz, welches am Ort der an- geſtellten Klage gilt, anzuwenden verſucht (n). Dieſe Mei- nung aber iſt ganz verwerflich; alle Rechtsregeln der hier erwähnten Art beſtimmen nur verſchiedene Stufen und
(m)Voet. Pand. IV. 1. § 29. Hert. § 66. Story § 332 fg. WächterII. S. 397. 403. 404.
(n)Weber natürliche Ver- bindlichkeit § 62. 95. Foelix p. 146.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Die hier aufgeſtellte Regel wird denn auch von den
meiſten Schriftſtellern anerkannt, natürlich mit Vorbehalt
ſehr verſchiedener Anwendungen, gegründet auf die Mei-
nungsverſchiedenheiten über das örtliche Recht der Obliga-
tion ſelbſt (m).
Dieſe Uebereinſtimmung jedoch beſchränkt ſich auf den
durchgreifenden Gegenſatz einer durchaus gültigen oder
durchaus ungültigen (nichtigen) Obligation. Zwiſchen die-
ſen beiden äußerſten Fällen finden ſich mannichfaltige Mit-
telglieder, und über das örtliche Recht, nach welchem dieſe
beurtheilt werden ſollen, gehen die Meinungen ſehr aus-
einander.
Zunächſt ſind hier die Fälle zu beachten, in welchen
einer an ſich nicht ungültigen Obligation blos die Rechts-
hülfe der Klage verſagt wird (naturalis obligatio); ferner
die weit häufigeren Fälle, in welchen eine klagbare Obli-
gation durch entgegenſtehende peremtoriſche Einreden ent-
kräftet wird. Manche Schriftſteller haben hier die Klagen
und Einreden als Prozeßinſtitute behandelt, und daher auf
alle Fälle ſolcher Art das Geſetz, welches am Ort der an-
geſtellten Klage gilt, anzuwenden verſucht (n). Dieſe Mei-
nung aber iſt ganz verwerflich; alle Rechtsregeln der hier
erwähnten Art beſtimmen nur verſchiedene Stufen und
(m) Voet. Pand. IV. 1. § 29.
Hert. § 66. Story § 332 fg.
Wächter II. S. 397. 403. 404.
(n) Weber natürliche Ver-
bindlichkeit § 62. 95. Foelix
p. 146.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/292>, abgerufen am 17.05.2024.
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