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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Der besondere Gerichtsstand der Obligation kann nur
geltend gemacht werden, wenn der Schuldner in diesem Ge-
richtssprengel entweder persönlich anwesend ist, oder
Vermögensstücke besitzt, in welchem letzten Fall durch missio
in possessionem
der Zwang gegen ihn durchgeführt wird.
Diese alternative Bedingung ist nach dem älteren Römi-
schen Recht unzweifelhaft (w). Nach einem Gesetz von
Justinian könnte man dieselbe für aufgehoben ansehen (x).
Allein dieses Gesetz ist so allgemein und unbestimmt gefaßt,
und wirft so sehr die verschiedenen Gerichtsstände ohne Un-
terscheidung durch einander, daß die Absicht, das frühere
Recht zu verändern, daraus nicht mit Sicherheit entnom-
men werden kann. Daher hat denn auch eine Decretale
darauf keine Rücksicht genommen, sich vielmehr ganz an
das frühere Römische Recht, und selbst an die Ausdrücke
desselben, angeschlossen (y). Die überwiegende Praxis der
neueren Zeit ist dieser Meinung beigetreten (z), so daß

(w) L. 1 de eo qui certo
loco
(Note u) ".. si nunquam ac-
cederet". L. 19 pr. de jud.
(5. 1) "si ibi inveniatur". § 1
eod. "si non defendat ... bona
possideri patietur".
Aehnlich
lautet die Bestimmung für das
forum rei sitae in L. 2 C. ubi
in rem
(3. 19).
(x) Nov. 69 C. 1. 2.
(y) C. 1 § 3 de foro comp.
in VI.
(2. 2) "... nisi inve-
niantur ibidem
(vgl. Note w)
trahere coram se non debent
invitos, licet in possessionem
bonorum, quae ibi habent,
... possint missionem facere".

Von Mehreren wird diese Stelle
sehr gezwungen so ausgelegt, der
Richter solle den Abwesenden nicht
durch eigene Gewalt (sondern nur
durch Requisition seines Richters)
zwingen. Cocceji jus controv. V.
1 qu.
15. Glück VI. S. 304.
Linde Archiv VII. S. 69. 70.
(z) Diese überwiegende Praxis
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Der beſondere Gerichtsſtand der Obligation kann nur
geltend gemacht werden, wenn der Schuldner in dieſem Ge-
richtsſprengel entweder perſönlich anweſend iſt, oder
Vermögensſtücke beſitzt, in welchem letzten Fall durch missio
in possessionem
der Zwang gegen ihn durchgeführt wird.
Dieſe alternative Bedingung iſt nach dem älteren Römi-
ſchen Recht unzweifelhaft (w). Nach einem Geſetz von
Juſtinian könnte man dieſelbe für aufgehoben anſehen (x).
Allein dieſes Geſetz iſt ſo allgemein und unbeſtimmt gefaßt,
und wirft ſo ſehr die verſchiedenen Gerichtsſtände ohne Un-
terſcheidung durch einander, daß die Abſicht, das frühere
Recht zu verändern, daraus nicht mit Sicherheit entnom-
men werden kann. Daher hat denn auch eine Decretale
darauf keine Rückſicht genommen, ſich vielmehr ganz an
das frühere Römiſche Recht, und ſelbſt an die Ausdrücke
deſſelben, angeſchloſſen (y). Die überwiegende Praxis der
neueren Zeit iſt dieſer Meinung beigetreten (z), ſo daß

(w) L. 1 de eo qui certo
loco
(Note u) „.. si nunquam ac-
cederet“. L. 19 pr. de jud.
(5. 1) „si ibi inveniatur“. § 1
eod. „si non defendat … bona
possideri patietur“.
Aehnlich
lautet die Beſtimmung für das
forum rei sitae in L. 2 C. ubi
in rem
(3. 19).
(x) Nov. 69 C. 1. 2.
(y) C. 1 § 3 de foro comp.
in VI.
(2. 2) „… nisi inve-
niantur ibidem
(vgl. Note w)
trahere coram se non debent
invitos, licet in possessionem
bonorum, quae ibi habent,
… possint missionem facere“.

Von Mehreren wird dieſe Stelle
ſehr gezwungen ſo ausgelegt, der
Richter ſolle den Abweſenden nicht
durch eigene Gewalt (ſondern nur
durch Requiſition ſeines Richters)
zwingen. Cocceji jus controv. V.
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15. Glück VI. S. 304.
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[244/0266] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Der beſondere Gerichtsſtand der Obligation kann nur geltend gemacht werden, wenn der Schuldner in dieſem Ge- richtsſprengel entweder perſönlich anweſend iſt, oder Vermögensſtücke beſitzt, in welchem letzten Fall durch missio in possessionem der Zwang gegen ihn durchgeführt wird. Dieſe alternative Bedingung iſt nach dem älteren Römi- ſchen Recht unzweifelhaft (w). Nach einem Geſetz von Juſtinian könnte man dieſelbe für aufgehoben anſehen (x). Allein dieſes Geſetz iſt ſo allgemein und unbeſtimmt gefaßt, und wirft ſo ſehr die verſchiedenen Gerichtsſtände ohne Un- terſcheidung durch einander, daß die Abſicht, das frühere Recht zu verändern, daraus nicht mit Sicherheit entnom- men werden kann. Daher hat denn auch eine Decretale darauf keine Rückſicht genommen, ſich vielmehr ganz an das frühere Römiſche Recht, und ſelbſt an die Ausdrücke deſſelben, angeſchloſſen (y). Die überwiegende Praxis der neueren Zeit iſt dieſer Meinung beigetreten (z), ſo daß (w) L. 1 de eo qui certo loco (Note u) „.. si nunquam ac- cederet“. L. 19 pr. de jud. (5. 1) „si ibi inveniatur“. § 1 eod. „si non defendat … bona possideri patietur“. Aehnlich lautet die Beſtimmung für das forum rei sitae in L. 2 C. ubi in rem (3. 19). (x) Nov. 69 C. 1. 2. (y) C. 1 § 3 de foro comp. in VI. (2. 2) „… nisi inve- niantur ibidem (vgl. Note w) trahere coram se non debent invitos, licet in possessionem bonorum, quae ibi habent, … possint missionem facere“. Von Mehreren wird dieſe Stelle ſehr gezwungen ſo ausgelegt, der Richter ſolle den Abweſenden nicht durch eigene Gewalt (ſondern nur durch Requiſition ſeines Richters) zwingen. Cocceji jus controv. V. 1 qu. 15. Glück VI. S. 304. Linde Archiv VII. S. 69. 70. (z) Dieſe überwiegende Praxis

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/266>, abgerufen am 24.11.2024.