§. 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation.
diese Erwartung soll nicht getäuscht werden, der Schuldner soll also zwar nicht gehindert werden, seinen Wohnsitz will- kürlich zu ändern, er soll aber die an dem alten Wohnsitz übernommenen Obligationen ebendaselbst abwickeln.
IV. Aber auch außer seinem Wohnsitz kann Jemand als Schuldner in eine Obligation eintreten unter solchen Umständen, welche die natürliche Erwartung erregen, daß der Entstehungsort der Obligation zugleich ihr Erfüllungsort seyn werde.
Eine solche Erwartung erregt Der, welcher außer seinem Wohnsitz ein gewerbliches Geschäft von einiger Dauer be- gründet, und dabei Einrichtungen trifft, aus welchen abzu- nehmen ist, er werde die Waaren, die er hier verkauft, auch eben daselbst abliefern. Dadurch unterwirft er sich dem besondern Gerichtsstand der Obligation an dem Ort des geschlossenen Vertrags. Dieses wird von Ulpian ausführlich angegeben, und zwar als Warnung gegen die unbedingte Annahme eines Gerichtsstandes blos deswegen, weil an irgend einem Orte ein Vertrag geschlossen worden sey; er begründet diese Warnung durch die Erwähnung eines Durchreisenden, der einen Vertrag schließe, und von welchem man doch gewiß nicht werde behaupten wollen, daß er sich einem Gerichtsstand am Ort des Vertrags un- terwerfe (o).
(o)L. 19 § 2 de jud. (5. 1) ".. durissimum est, quotquot locis quis navigans, vel iter facicns, delatus est, tot locis se defendi. At si quo consti- tit, non dico jure domicilii, sed
§. 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsſtand der Obligation.
dieſe Erwartung ſoll nicht getäuſcht werden, der Schuldner ſoll alſo zwar nicht gehindert werden, ſeinen Wohnſitz will- kürlich zu ändern, er ſoll aber die an dem alten Wohnſitz übernommenen Obligationen ebendaſelbſt abwickeln.
IV. Aber auch außer ſeinem Wohnſitz kann Jemand als Schuldner in eine Obligation eintreten unter ſolchen Umſtänden, welche die natürliche Erwartung erregen, daß der Entſtehungsort der Obligation zugleich ihr Erfüllungsort ſeyn werde.
Eine ſolche Erwartung erregt Der, welcher außer ſeinem Wohnſitz ein gewerbliches Geſchäft von einiger Dauer be- gründet, und dabei Einrichtungen trifft, aus welchen abzu- nehmen iſt, er werde die Waaren, die er hier verkauft, auch eben daſelbſt abliefern. Dadurch unterwirft er ſich dem beſondern Gerichtsſtand der Obligation an dem Ort des geſchloſſenen Vertrags. Dieſes wird von Ulpian ausführlich angegeben, und zwar als Warnung gegen die unbedingte Annahme eines Gerichtsſtandes blos deswegen, weil an irgend einem Orte ein Vertrag geſchloſſen worden ſey; er begründet dieſe Warnung durch die Erwähnung eines Durchreiſenden, der einen Vertrag ſchließe, und von welchem man doch gewiß nicht werde behaupten wollen, daß er ſich einem Gerichtsſtand am Ort des Vertrags un- terwerfe (o).
(o)L. 19 § 2 de jud. (5. 1) „.. durissimum est, quotquot locis quis navigans, vel iter facicns, delatus est, tot locis se defendi. At si quo consti- tit, non dico jure domicilii, sed
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§. 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsſtand der Obligation.
dieſe Erwartung ſoll nicht getäuſcht werden, der Schuldner
ſoll alſo zwar nicht gehindert werden, ſeinen Wohnſitz will-
kürlich zu ändern, er ſoll aber die an dem alten Wohnſitz
übernommenen Obligationen ebendaſelbſt abwickeln.
IV. Aber auch außer ſeinem Wohnſitz kann Jemand
als Schuldner in eine Obligation eintreten unter ſolchen
Umſtänden, welche die natürliche Erwartung erregen, daß der
Entſtehungsort der Obligation zugleich ihr Erfüllungsort
ſeyn werde.
Eine ſolche Erwartung erregt Der, welcher außer ſeinem
Wohnſitz ein gewerbliches Geſchäft von einiger Dauer be-
gründet, und dabei Einrichtungen trifft, aus welchen abzu-
nehmen iſt, er werde die Waaren, die er hier verkauft,
auch eben daſelbſt abliefern. Dadurch unterwirft er ſich
dem beſondern Gerichtsſtand der Obligation an dem Ort
des geſchloſſenen Vertrags. Dieſes wird von Ulpian
ausführlich angegeben, und zwar als Warnung gegen die
unbedingte Annahme eines Gerichtsſtandes blos deswegen,
weil an irgend einem Orte ein Vertrag geſchloſſen worden
ſey; er begründet dieſe Warnung durch die Erwähnung
eines Durchreiſenden, der einen Vertrag ſchließe, und von
welchem man doch gewiß nicht werde behaupten wollen,
daß er ſich einem Gerichtsſtand am Ort des Vertrags un-
terwerfe (o).
(o) L. 19 § 2 de jud. (5. 1)
„.. durissimum est, quotquot
locis quis navigans, vel iter
facicns, delatus est, tot locis
se defendi. At si quo consti-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/243>, abgerufen am 16.02.2025.
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