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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
des Vertrags in unserm Lande sich befinden (d). Wird
also in Berlin ein solcher Vertrag geschlossen von einem
Franzosen, der über 21 Jahre alt ist, so ist der Vertrag gül-
tig nach Französischem Recht, welches die Volljährigkeit
auf 21 Jahre setzt. Wird der Vertrag ebendaselbst geschlos-
sen von dem Einwohner eines unter dem Römischen Recht
stehenden Landes, welcher über 24 Jahre alt ist, so ist der
Vertrag gültig nach Preußischem Recht, welches 24 Jahre
als Gränze der Minderjährigkeit annimmt. Das erste ist dem
allgemeinen Grundsatz gemäß, das zweite ist eine rein positive
Vorschrift, gegeben in der Absicht, die Inländer gegen die Folgen
eines unverschuldeten Irrthums, vielleicht selbst der Unredlichkeit
ihres Gegners, zu schützen. Eine gleichartige Bestimmung
ließe sich in den Gesetzen jedes Staates denken, und die
wünschenswerthe Rechtsgemeinschaft in der Beurtheilung
der Collisionen würde dadurch nicht beeinträchtigt werden.

II. Das Oesterreichische bürgerliche Gesetzbuch (1811)
beschränkt sich auf zwei hierher gehörende Bestimmungen,
die mit den oben aufgestellten Grundsätzen übereinstimmen.

Die Staatsbürger bleiben auch in Handlungen, die sie
außer diesem Staatsgebiete vornehmen, an diese Gesetze

(d) L. R. Einl. § 35 "Doch
wird ein Fremder, der in hiesigen
Landen Verträge über daselbst be-
findliche Sachen schließt, in An-
sehung seiner Fähigkeiten, zu han-
deln, nach denjenigen Gesetzen be-
urtheilt, nach welchen die Hand-
lung am besten bestehen kann".
Der § 26 enthält eine ähnliche,
aber weit weniger wichtige, Be-
stimmung. Beide Stellen fehlten
in dem Entwurf, und wurden erst
später aufgenommen, mit Rücksicht
auf die oben erwähnte praktische
Schwierigkeit. Bornemann
Preuß. Recht B. 1 S. 53 Note l.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
des Vertrags in unſerm Lande ſich befinden (d). Wird
alſo in Berlin ein ſolcher Vertrag geſchloſſen von einem
Franzoſen, der über 21 Jahre alt iſt, ſo iſt der Vertrag gül-
tig nach Franzöſiſchem Recht, welches die Volljährigkeit
auf 21 Jahre ſetzt. Wird der Vertrag ebendaſelbſt geſchloſ-
ſen von dem Einwohner eines unter dem Römiſchen Recht
ſtehenden Landes, welcher über 24 Jahre alt iſt, ſo iſt der
Vertrag gültig nach Preußiſchem Recht, welches 24 Jahre
als Gränze der Minderjährigkeit annimmt. Das erſte iſt dem
allgemeinen Grundſatz gemäß, das zweite iſt eine rein poſitive
Vorſchrift, gegeben in der Abſicht, die Inländer gegen die Folgen
eines unverſchuldeten Irrthums, vielleicht ſelbſt der Unredlichkeit
ihres Gegners, zu ſchützen. Eine gleichartige Beſtimmung
ließe ſich in den Geſetzen jedes Staates denken, und die
wünſchenswerthe Rechtsgemeinſchaft in der Beurtheilung
der Colliſionen würde dadurch nicht beeinträchtigt werden.

II. Das Oeſterreichiſche bürgerliche Geſetzbuch (1811)
beſchränkt ſich auf zwei hierher gehörende Beſtimmungen,
die mit den oben aufgeſtellten Grundſätzen übereinſtimmen.

Die Staatsbürger bleiben auch in Handlungen, die ſie
außer dieſem Staatsgebiete vornehmen, an dieſe Geſetze

(d) L. R. Einl. § 35 „Doch
wird ein Fremder, der in hieſigen
Landen Verträge über daſelbſt be-
findliche Sachen ſchließt, in An-
ſehung ſeiner Fähigkeiten, zu han-
deln, nach denjenigen Geſetzen be-
urtheilt, nach welchen die Hand-
lung am beſten beſtehen kann“.
Der § 26 enthält eine ähnliche,
aber weit weniger wichtige, Be-
ſtimmung. Beide Stellen fehlten
in dem Entwurf, und wurden erſt
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Schwierigkeit. Bornemann
Preuß. Recht B. 1 S. 53 Note l.
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[144/0166] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. des Vertrags in unſerm Lande ſich befinden (d). Wird alſo in Berlin ein ſolcher Vertrag geſchloſſen von einem Franzoſen, der über 21 Jahre alt iſt, ſo iſt der Vertrag gül- tig nach Franzöſiſchem Recht, welches die Volljährigkeit auf 21 Jahre ſetzt. Wird der Vertrag ebendaſelbſt geſchloſ- ſen von dem Einwohner eines unter dem Römiſchen Recht ſtehenden Landes, welcher über 24 Jahre alt iſt, ſo iſt der Vertrag gültig nach Preußiſchem Recht, welches 24 Jahre als Gränze der Minderjährigkeit annimmt. Das erſte iſt dem allgemeinen Grundſatz gemäß, das zweite iſt eine rein poſitive Vorſchrift, gegeben in der Abſicht, die Inländer gegen die Folgen eines unverſchuldeten Irrthums, vielleicht ſelbſt der Unredlichkeit ihres Gegners, zu ſchützen. Eine gleichartige Beſtimmung ließe ſich in den Geſetzen jedes Staates denken, und die wünſchenswerthe Rechtsgemeinſchaft in der Beurtheilung der Colliſionen würde dadurch nicht beeinträchtigt werden. II. Das Oeſterreichiſche bürgerliche Geſetzbuch (1811) beſchränkt ſich auf zwei hierher gehörende Beſtimmungen, die mit den oben aufgeſtellten Grundſätzen übereinſtimmen. Die Staatsbürger bleiben auch in Handlungen, die ſie außer dieſem Staatsgebiete vornehmen, an dieſe Geſetze (d) L. R. Einl. § 35 „Doch wird ein Fremder, der in hieſigen Landen Verträge über daſelbſt be- findliche Sachen ſchließt, in An- ſehung ſeiner Fähigkeiten, zu han- deln, nach denjenigen Geſetzen be- urtheilt, nach welchen die Hand- lung am beſten beſtehen kann“. Der § 26 enthält eine ähnliche, aber weit weniger wichtige, Be- ſtimmung. Beide Stellen fehlten in dem Entwurf, und wurden erſt ſpäter aufgenommen, mit Rückſicht auf die oben erwähnte praktiſche Schwierigkeit. Bornemann Preuß. Recht B. 1 S. 53 Note l.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/166>, abgerufen am 02.05.2024.