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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 360. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältnissen.

Nur durch die vollständige Lösung dieser Aufgabe wird
eine sichere und erschöpfende Anwendung der aufzustellenden
Grundsätze auf das wirkliche Leben möglich, und von diesem
Standpunkte aus können wir die bisher geführte Unter-
suchung als den theoretischen Theil der ganzen Lehre, die
nunmehr folgende als den praktischen Theil derselben be-
zeichnen.



In dieser Untersuchung werden einige allgemeine Ge-
sichtspunkte öfter erwähnt werden müssen. Eine vorläufige
Zusammenstellung derselben am gegenwärtigen Orte wird
die später davon zu machende Anwendung wesentlich er-
leichtern und fördern.

1. Schon oben ist auf den inneren Zusammenhang auf-
merksam gemacht worden, welcher zwischen dem Gerichts-
stand und dem anzuwendenden örtlichen Recht schon
bei den Römern bestand, und auch im heutigen Recht nicht
verschwunden ist (§ 356. 359). Dieser Zusammenhang
beruhte bei der Person auf dem Gehorsam, den dieselbe,
wie der Obrigkeit, so dem örtlichen Recht, zu leisten hatte,
also auf einer gleichartigen Unterwerfung der Person unter
beide über ihr stehende Gewalten. Eine ähnliche Verwandt-
schaft, bestehend in gleichartiger Unterwerfung, müssen wir
nunmehr auch für die Rechtsverhältnisse geltend machen.
Nur darf dieser innere Zusammenhang nicht bis zu völliger
Identität ausgedehnt werden. Eine solche Annahme wird

§. 360. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältniſſen.

Nur durch die vollſtändige Löſung dieſer Aufgabe wird
eine ſichere und erſchöpfende Anwendung der aufzuſtellenden
Grundſätze auf das wirkliche Leben möglich, und von dieſem
Standpunkte aus können wir die bisher geführte Unter-
ſuchung als den theoretiſchen Theil der ganzen Lehre, die
nunmehr folgende als den praktiſchen Theil derſelben be-
zeichnen.



In dieſer Unterſuchung werden einige allgemeine Ge-
ſichtspunkte öfter erwähnt werden müſſen. Eine vorläufige
Zuſammenſtellung derſelben am gegenwärtigen Orte wird
die ſpäter davon zu machende Anwendung weſentlich er-
leichtern und fördern.

1. Schon oben iſt auf den inneren Zuſammenhang auf-
merkſam gemacht worden, welcher zwiſchen dem Gerichts-
ſtand und dem anzuwendenden örtlichen Recht ſchon
bei den Römern beſtand, und auch im heutigen Recht nicht
verſchwunden iſt (§ 356. 359). Dieſer Zuſammenhang
beruhte bei der Perſon auf dem Gehorſam, den dieſelbe,
wie der Obrigkeit, ſo dem örtlichen Recht, zu leiſten hatte,
alſo auf einer gleichartigen Unterwerfung der Perſon unter
beide über ihr ſtehende Gewalten. Eine ähnliche Verwandt-
ſchaft, beſtehend in gleichartiger Unterwerfung, müſſen wir
nunmehr auch für die Rechtsverhältniſſe geltend machen.
Nur darf dieſer innere Zuſammenhang nicht bis zu völliger
Identität ausgedehnt werden. Eine ſolche Annahme wird

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[109/0131] §. 360. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältniſſen. Nur durch die vollſtändige Löſung dieſer Aufgabe wird eine ſichere und erſchöpfende Anwendung der aufzuſtellenden Grundſätze auf das wirkliche Leben möglich, und von dieſem Standpunkte aus können wir die bisher geführte Unter- ſuchung als den theoretiſchen Theil der ganzen Lehre, die nunmehr folgende als den praktiſchen Theil derſelben be- zeichnen. In dieſer Unterſuchung werden einige allgemeine Ge- ſichtspunkte öfter erwähnt werden müſſen. Eine vorläufige Zuſammenſtellung derſelben am gegenwärtigen Orte wird die ſpäter davon zu machende Anwendung weſentlich er- leichtern und fördern. 1. Schon oben iſt auf den inneren Zuſammenhang auf- merkſam gemacht worden, welcher zwiſchen dem Gerichts- ſtand und dem anzuwendenden örtlichen Recht ſchon bei den Römern beſtand, und auch im heutigen Recht nicht verſchwunden iſt (§ 356. 359). Dieſer Zuſammenhang beruhte bei der Perſon auf dem Gehorſam, den dieſelbe, wie der Obrigkeit, ſo dem örtlichen Recht, zu leiſten hatte, alſo auf einer gleichartigen Unterwerfung der Perſon unter beide über ihr ſtehende Gewalten. Eine ähnliche Verwandt- ſchaft, beſtehend in gleichartiger Unterwerfung, müſſen wir nunmehr auch für die Rechtsverhältniſſe geltend machen. Nur darf dieſer innere Zuſammenhang nicht bis zu völliger Identität ausgedehnt werden. Eine ſolche Annahme wird

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/131>, abgerufen am 05.05.2024.