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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 299. Einrede. Gegenstand der Klage.
spruch über jeden Theil dieses Ganzen in sich schließen.
Dadurch wird dann die Verschiedenheit der Gegenstände
beider Klagen in bloßen Schein aufgelöst seyn, und als
wesentliche Gleichheit anerkannt werden müssen. Durch
diese abstracte Auffassung der Frage soll jedoch blos vor-
läufig der Gesichtspunkt für dieselbe angedeutet seyn.
Erst durch die Anwendung auf die einzelnen dahin gehö-
renden Fälle kann dafür Anschaulichkeit, Überzeugung, und
zugleich richtige Begränzung gewonnen werden.

a. Der wichtigste Fall dieser Art betrifft die Erbrechts-
klage, welche ein ganzes Vermögen als solches zum eigent-
lichen Gegenstand hat, aber durch den zufälligen Besitz des
Beklagten an einem einzelnen Stück der Erbschaft veran-
laßt seyn kann. Ist nun die auf ein Haus des Erblassers
angestellte Erbrechtsklage abgewiesen, und wird nachher
gegen denselben Beklagten wegen eines Landgutes des Erb-
lassers dieselbe Klage angestellt, so steht ihr die Einrede
der Rechtskraft entgegen, obgleich in beiden Klagen der
äußere Gegenstand völlig verschieden ist. Denn die ent-
scheidende Rechtsfrage betrifft in beiden Klagen das Da-
seyn des Erbrechts; wird nun dieses Daseyn in der ersten
Klage verneint, so bindet diese Verneinung auch den
Richter, der über die zweite Klage zu entscheiden hat (b).


(b) Natürlich wird dabei vor-
ausgesetzt, daß die erste Klage
deswegen abgewiesen wurde, weil
der Richter annahm, der Kläger
sey nicht Erbe. Gründete sich
die Abweisung darauf, daß die Ei-
genschaft des Hauses als eines
Stückes der Erbschaft, oder daß
der Besitz des Beklagten verneint
wurde, so kann daraus eine Ein-

§. 299. Einrede. Gegenſtand der Klage.
ſpruch über jeden Theil dieſes Ganzen in ſich ſchließen.
Dadurch wird dann die Verſchiedenheit der Gegenſtände
beider Klagen in bloßen Schein aufgelöſt ſeyn, und als
weſentliche Gleichheit anerkannt werden müſſen. Durch
dieſe abſtracte Auffaſſung der Frage ſoll jedoch blos vor-
läufig der Geſichtspunkt für dieſelbe angedeutet ſeyn.
Erſt durch die Anwendung auf die einzelnen dahin gehö-
renden Fälle kann dafür Anſchaulichkeit, Überzeugung, und
zugleich richtige Begränzung gewonnen werden.

a. Der wichtigſte Fall dieſer Art betrifft die Erbrechts-
klage, welche ein ganzes Vermögen als ſolches zum eigent-
lichen Gegenſtand hat, aber durch den zufälligen Beſitz des
Beklagten an einem einzelnen Stück der Erbſchaft veran-
laßt ſeyn kann. Iſt nun die auf ein Haus des Erblaſſers
angeſtellte Erbrechtsklage abgewieſen, und wird nachher
gegen denſelben Beklagten wegen eines Landgutes des Erb-
laſſers dieſelbe Klage angeſtellt, ſo ſteht ihr die Einrede
der Rechtskraft entgegen, obgleich in beiden Klagen der
äußere Gegenſtand völlig verſchieden iſt. Denn die ent-
ſcheidende Rechtsfrage betrifft in beiden Klagen das Da-
ſeyn des Erbrechts; wird nun dieſes Daſeyn in der erſten
Klage verneint, ſo bindet dieſe Verneinung auch den
Richter, der über die zweite Klage zu entſcheiden hat (b).


(b) Natürlich wird dabei vor-
ausgeſetzt, daß die erſte Klage
deswegen abgewieſen wurde, weil
der Richter annahm, der Kläger
ſey nicht Erbe. Gründete ſich
die Abweiſung darauf, daß die Ei-
genſchaft des Hauſes als eines
Stückes der Erbſchaft, oder daß
der Beſitz des Beklagten verneint
wurde, ſo kann daraus eine Ein-
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[445/0463] §. 299. Einrede. Gegenſtand der Klage. ſpruch über jeden Theil dieſes Ganzen in ſich ſchließen. Dadurch wird dann die Verſchiedenheit der Gegenſtände beider Klagen in bloßen Schein aufgelöſt ſeyn, und als weſentliche Gleichheit anerkannt werden müſſen. Durch dieſe abſtracte Auffaſſung der Frage ſoll jedoch blos vor- läufig der Geſichtspunkt für dieſelbe angedeutet ſeyn. Erſt durch die Anwendung auf die einzelnen dahin gehö- renden Fälle kann dafür Anſchaulichkeit, Überzeugung, und zugleich richtige Begränzung gewonnen werden. a. Der wichtigſte Fall dieſer Art betrifft die Erbrechts- klage, welche ein ganzes Vermögen als ſolches zum eigent- lichen Gegenſtand hat, aber durch den zufälligen Beſitz des Beklagten an einem einzelnen Stück der Erbſchaft veran- laßt ſeyn kann. Iſt nun die auf ein Haus des Erblaſſers angeſtellte Erbrechtsklage abgewieſen, und wird nachher gegen denſelben Beklagten wegen eines Landgutes des Erb- laſſers dieſelbe Klage angeſtellt, ſo ſteht ihr die Einrede der Rechtskraft entgegen, obgleich in beiden Klagen der äußere Gegenſtand völlig verſchieden iſt. Denn die ent- ſcheidende Rechtsfrage betrifft in beiden Klagen das Da- ſeyn des Erbrechts; wird nun dieſes Daſeyn in der erſten Klage verneint, ſo bindet dieſe Verneinung auch den Richter, der über die zweite Klage zu entſcheiden hat (b). (b) Natürlich wird dabei vor- ausgeſetzt, daß die erſte Klage deswegen abgewieſen wurde, weil der Richter annahm, der Kläger ſey nicht Erbe. Gründete ſich die Abweiſung darauf, daß die Ei- genſchaft des Hauſes als eines Stückes der Erbſchaft, oder daß der Beſitz des Beklagten verneint wurde, ſo kann daraus eine Ein-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/463>, abgerufen am 22.11.2024.