Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
punkt, gedacht habe; außerdem würde ihn der Vorwurf
einer Verwechslung beider ganz verschiedenen Grundsätze
treffen (h). In dieser Behauptung wird aber die wahre
Lage der Sache völlig verkannt. Zu Ulpian's Zeit be-
standen beide Formen der Einrede der Rechtskraft in voller
Geltung neben einander, und nur in den seltenen Fällen,
worin dieselben in Widerstreit kamen, sollte die neuere,
vollkommnere Form den Vorzug erhalten (§ 282). Nun
erwähnt Ulpian zuerst den Fall der Eigenthumsklage,
dessen Entscheidung er befriedigend aus dem Grundsatz der
positiven Function (der eadem quaestio) rechtfertigt. Dann
geht er zu dem Fall der Schuldklage über, und auch dabei
hätte dieselbe Rechtfertigung völlig ausgereicht. Er führt
aber diesen Fall auf den Grundsatz der negativen Function
(der Consumtion) zurück, der darauf gleichfalls anwendbar
war und ganz zu derselben Entscheidung führte. Darin
lag weder in der Sache selbst ein Irrthum, noch eine In-
consequenz, oder eine Verwechslung verschiedenartiger
Grundsätze.

c. Wenn ein Miteigenthümer die Eigenthumsklage auf
seinen Theil der Sache gegen den andern Miteigenthümer
anstellt, und damit abgewiesen wird, dann aber gegen den
früheren Beklagten die a. communi dividundo wegen der-
selben Sache anstellt, so steht ihm die Einrede der Rechts-
kraft entgegen, weil diese letzte Klage das Miteigenthum

(h) Buchka B. 1 S. 299--301. -- Vgl. unten Beilage XVI.
Note q.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
punkt, gedacht habe; außerdem würde ihn der Vorwurf
einer Verwechslung beider ganz verſchiedenen Grundſätze
treffen (h). In dieſer Behauptung wird aber die wahre
Lage der Sache völlig verkannt. Zu Ulpian’s Zeit be-
ſtanden beide Formen der Einrede der Rechtskraft in voller
Geltung neben einander, und nur in den ſeltenen Fällen,
worin dieſelben in Widerſtreit kamen, ſollte die neuere,
vollkommnere Form den Vorzug erhalten (§ 282). Nun
erwähnt Ulpian zuerſt den Fall der Eigenthumsklage,
deſſen Entſcheidung er befriedigend aus dem Grundſatz der
poſitiven Function (der eadem quaestio) rechtfertigt. Dann
geht er zu dem Fall der Schuldklage über, und auch dabei
hätte dieſelbe Rechtfertigung völlig ausgereicht. Er führt
aber dieſen Fall auf den Grundſatz der negativen Function
(der Conſumtion) zurück, der darauf gleichfalls anwendbar
war und ganz zu derſelben Entſcheidung führte. Darin
lag weder in der Sache ſelbſt ein Irrthum, noch eine In-
conſequenz, oder eine Verwechslung verſchiedenartiger
Grundſätze.

c. Wenn ein Miteigenthümer die Eigenthumsklage auf
ſeinen Theil der Sache gegen den andern Miteigenthümer
anſtellt, und damit abgewieſen wird, dann aber gegen den
früheren Beklagten die a. communi dividundo wegen der-
ſelben Sache anſtellt, ſo ſteht ihm die Einrede der Rechts-
kraft entgegen, weil dieſe letzte Klage das Miteigenthum

(h) Buchka B. 1 S. 299—301. — Vgl. unten Beilage XVI.
Note q.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0452" n="434"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
punkt, gedacht habe; außerdem würde ihn der Vorwurf<lb/>
einer Verwechslung beider ganz ver&#x017F;chiedenen Grund&#x017F;ätze<lb/>
treffen <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#g">Buchka</hi> B. 1 S. 299&#x2014;301. &#x2014; Vgl. unten Beilage <hi rendition="#aq">XVI.</hi><lb/>
Note <hi rendition="#aq">q.</hi></note>. In die&#x017F;er Behauptung wird aber die wahre<lb/>
Lage der Sache völlig verkannt. <hi rendition="#g">Zu Ulpian</hi>&#x2019;s Zeit be-<lb/>
&#x017F;tanden beide Formen der Einrede der Rechtskraft in voller<lb/>
Geltung neben einander, und nur in den &#x017F;eltenen Fällen,<lb/>
worin die&#x017F;elben in Wider&#x017F;treit kamen, &#x017F;ollte die neuere,<lb/>
vollkommnere Form den Vorzug erhalten (§ 282). Nun<lb/>
erwähnt <hi rendition="#g">Ulpian</hi> zuer&#x017F;t den Fall der Eigenthumsklage,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Ent&#x017F;cheidung er befriedigend aus dem Grund&#x017F;atz der<lb/>
po&#x017F;itiven Function (der <hi rendition="#aq">eadem quaestio</hi>) rechtfertigt. Dann<lb/>
geht er zu dem Fall der Schuldklage über, und auch dabei<lb/>
hätte die&#x017F;elbe Rechtfertigung völlig ausgereicht. Er führt<lb/>
aber die&#x017F;en Fall auf den Grund&#x017F;atz der negativen Function<lb/>
(der Con&#x017F;umtion) zurück, der darauf gleichfalls anwendbar<lb/>
war und ganz zu der&#x017F;elben Ent&#x017F;cheidung führte. Darin<lb/>
lag weder in der Sache &#x017F;elb&#x017F;t ein Irrthum, noch eine In-<lb/>
con&#x017F;equenz, oder eine Verwechslung ver&#x017F;chiedenartiger<lb/>
Grund&#x017F;ätze.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">c.</hi> Wenn ein Miteigenthümer die Eigenthumsklage auf<lb/>
&#x017F;einen Theil der Sache gegen den andern Miteigenthümer<lb/>
an&#x017F;tellt, und damit abgewie&#x017F;en wird, dann aber gegen den<lb/>
früheren Beklagten die <hi rendition="#aq">a. communi dividundo</hi> wegen der-<lb/>
&#x017F;elben Sache an&#x017F;tellt, &#x017F;o &#x017F;teht ihm die Einrede der Rechts-<lb/>
kraft entgegen, weil die&#x017F;e letzte Klage das Miteigenthum<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[434/0452] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. punkt, gedacht habe; außerdem würde ihn der Vorwurf einer Verwechslung beider ganz verſchiedenen Grundſätze treffen (h). In dieſer Behauptung wird aber die wahre Lage der Sache völlig verkannt. Zu Ulpian’s Zeit be- ſtanden beide Formen der Einrede der Rechtskraft in voller Geltung neben einander, und nur in den ſeltenen Fällen, worin dieſelben in Widerſtreit kamen, ſollte die neuere, vollkommnere Form den Vorzug erhalten (§ 282). Nun erwähnt Ulpian zuerſt den Fall der Eigenthumsklage, deſſen Entſcheidung er befriedigend aus dem Grundſatz der poſitiven Function (der eadem quaestio) rechtfertigt. Dann geht er zu dem Fall der Schuldklage über, und auch dabei hätte dieſelbe Rechtfertigung völlig ausgereicht. Er führt aber dieſen Fall auf den Grundſatz der negativen Function (der Conſumtion) zurück, der darauf gleichfalls anwendbar war und ganz zu derſelben Entſcheidung führte. Darin lag weder in der Sache ſelbſt ein Irrthum, noch eine In- conſequenz, oder eine Verwechslung verſchiedenartiger Grundſätze. c. Wenn ein Miteigenthümer die Eigenthumsklage auf ſeinen Theil der Sache gegen den andern Miteigenthümer anſtellt, und damit abgewieſen wird, dann aber gegen den früheren Beklagten die a. communi dividundo wegen der- ſelben Sache anſtellt, ſo ſteht ihm die Einrede der Rechts- kraft entgegen, weil dieſe letzte Klage das Miteigenthum (h) Buchka B. 1 S. 299—301. — Vgl. unten Beilage XVI. Note q.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/452
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/452>, abgerufen am 28.05.2024.