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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 294. Rechtskraft der Gründe. Preußisches Recht.
Daher sey auch ein, auf einem gesetzwidrigen Grunde
ruhendes Urtheil für nichtig zu erklären, selbst wenn das-
selbe aus anderen Gründen gerechtfertigt erscheine, also in
der letzten Entscheidung bestätigt werden müsse.

Dabei ist augenscheinlich die richtige Lehre vom Ver-
hältniß der Gründe zum Urtheil vorausgesetzt.

4. Urtheil des Tribunals vom 1. Decbr. 1843 (n).

Ein Gutsherr hatte rückständige Laudemiengelder einge-
klagt, der Beklagte hatte durch Widerklage Löschung der
Hypothek auf diese Rückstände verlangt. Der Beklagte
wurde rechtskräftig verurtheilt und mit der Widerklage ab-
gewiesen. Nun klagte der vorige Beklagte auf Löschung
der hypothekarisch eingetragenen Laudemialverpflichtung des
Gutes selbst (nicht mehr einzelner Rückstände). Beide erste
Richter wiesen die neue Klage zurück wegen der exceptio
rei judicatae.
In Folge einer Nichtigkeitsbeschwerde wurde
deswegen abgeändert, weil das frühere Urtheil nur über
einzelne Laudemialzahlungen, nicht über das Laudemial-
recht selbst, rechtskräftig entschieden habe, so daß in den
zwei ersten Urtheilen die (nicht rechtskräftigen) Gründe
mit dem (rechtskräftigen) Urtheil verwechselt worden seyen.

In diesem Erkenntniß des Tribunals liegt ein ganz
entschiedener Widerspruch gegen die oben aufgestellten
Grundsätze über die Rechtskraft der Gründe.


(n) Koch Schlesisches Archiv
B. 5 S. 277 fg. Die Hauptstelle
ist S. 283--285. Der Heraus-
geber hebt noch mehrere andere
bedenkliche Seiten dieses Urtheils
heraus.
26*

§. 294. Rechtskraft der Gründe. Preußiſches Recht.
Daher ſey auch ein, auf einem geſetzwidrigen Grunde
ruhendes Urtheil für nichtig zu erklären, ſelbſt wenn das-
ſelbe aus anderen Gründen gerechtfertigt erſcheine, alſo in
der letzten Entſcheidung beſtätigt werden müſſe.

Dabei iſt augenſcheinlich die richtige Lehre vom Ver-
hältniß der Gründe zum Urtheil vorausgeſetzt.

4. Urtheil des Tribunals vom 1. Decbr. 1843 (n).

Ein Gutsherr hatte rückſtändige Laudemiengelder einge-
klagt, der Beklagte hatte durch Widerklage Löſchung der
Hypothek auf dieſe Rückſtände verlangt. Der Beklagte
wurde rechtskräftig verurtheilt und mit der Widerklage ab-
gewieſen. Nun klagte der vorige Beklagte auf Löſchung
der hypothekariſch eingetragenen Laudemialverpflichtung des
Gutes ſelbſt (nicht mehr einzelner Rückſtände). Beide erſte
Richter wieſen die neue Klage zurück wegen der exceptio
rei judicatae.
In Folge einer Nichtigkeitsbeſchwerde wurde
deswegen abgeändert, weil das frühere Urtheil nur über
einzelne Laudemialzahlungen, nicht über das Laudemial-
recht ſelbſt, rechtskräftig entſchieden habe, ſo daß in den
zwei erſten Urtheilen die (nicht rechtskräftigen) Gründe
mit dem (rechtskräftigen) Urtheil verwechſelt worden ſeyen.

In dieſem Erkenntniß des Tribunals liegt ein ganz
entſchiedener Widerſpruch gegen die oben aufgeſtellten
Grundſätze über die Rechtskraft der Gründe.


(n) Koch Schleſiſches Archiv
B. 5 S. 277 fg. Die Hauptſtelle
iſt S. 283—285. Der Heraus-
geber hebt noch mehrere andere
bedenkliche Seiten dieſes Urtheils
heraus.
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[403/0421] §. 294. Rechtskraft der Gründe. Preußiſches Recht. Daher ſey auch ein, auf einem geſetzwidrigen Grunde ruhendes Urtheil für nichtig zu erklären, ſelbſt wenn das- ſelbe aus anderen Gründen gerechtfertigt erſcheine, alſo in der letzten Entſcheidung beſtätigt werden müſſe. Dabei iſt augenſcheinlich die richtige Lehre vom Ver- hältniß der Gründe zum Urtheil vorausgeſetzt. 4. Urtheil des Tribunals vom 1. Decbr. 1843 (n). Ein Gutsherr hatte rückſtändige Laudemiengelder einge- klagt, der Beklagte hatte durch Widerklage Löſchung der Hypothek auf dieſe Rückſtände verlangt. Der Beklagte wurde rechtskräftig verurtheilt und mit der Widerklage ab- gewieſen. Nun klagte der vorige Beklagte auf Löſchung der hypothekariſch eingetragenen Laudemialverpflichtung des Gutes ſelbſt (nicht mehr einzelner Rückſtände). Beide erſte Richter wieſen die neue Klage zurück wegen der exceptio rei judicatae. In Folge einer Nichtigkeitsbeſchwerde wurde deswegen abgeändert, weil das frühere Urtheil nur über einzelne Laudemialzahlungen, nicht über das Laudemial- recht ſelbſt, rechtskräftig entſchieden habe, ſo daß in den zwei erſten Urtheilen die (nicht rechtskräftigen) Gründe mit dem (rechtskräftigen) Urtheil verwechſelt worden ſeyen. In dieſem Erkenntniß des Tribunals liegt ein ganz entſchiedener Widerſpruch gegen die oben aufgeſtellten Grundſätze über die Rechtskraft der Gründe. (n) Koch Schleſiſches Archiv B. 5 S. 277 fg. Die Hauptſtelle iſt S. 283—285. Der Heraus- geber hebt noch mehrere andere bedenkliche Seiten dieſes Urtheils heraus. 26*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/421>, abgerufen am 23.07.2024.