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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

Zu den Schriftstellern dieser Klasse gehört ferner
Bayer, der sich ausdrücklich dahin erklärt, daß es bei der
Rechtskraft nicht darauf ankomme, an welchem Orte (in
der Urtheilsformel, oder in den Entscheidungsgründen) ein
Ausspruch des Richters stehe, und daß jede Entscheidung
irgend eines, in dem vorhergehenden Verfahren bestrittenen
Hauptpunktes rechtskräftig werde (g). Eben so gehört dahin
auch Wächter, der die Streitfrage über die Rechtskraft
der Gründe zwar nicht als solche behandelt, wohl aber
die Grundsätze des Römischen Rechts über die Rechtskraft
so darstellt, wie es nur unter Voraussetzung einer richtigen
Entscheidung jener Streitfrage möglich ist (h).

Noch bestimmter aber und ausführlicher sprechen sich
über diesen Punkt zwei neuere Schriftsteller aus, deren
geschichtliche Auffassung der Lehre von der Rechtskraft von
einer anderen Seite her oben bekämpft werden mußte,
Kierulff und Buchka. Der erste behauptet ganz
richtig (i), "daß das richterliche Urtheil nach seinem Geist
und nicht nach dem bloßen Wortinhalt behandelt werden

nervus sunt." (Wörtlich gleich-
lautend mit Jus eccl. Prot. Lib. 2
T.
27 § 14). -- Weiterhin ver-
neint er die Rechtskraft derjenigen
Stücke der Entscheidungsgründe,
worin der Richter zur bloßen Er-
läuterung fremdartige Erwägungen
mit einmischt, z. B. Betrachtungen
über die Lage des Eigenthums bei
Gelegenheit der Entscheidung über
eine Besitzklage. Gewiß mit Recht,
da solche Betrachtungen zu den
blos subjectiven Gründen gehören
(§ 291. e).
(g) Bayer Civilprozeß S. 184
Ausg. 4.
(h) Wächter Handbuch des
in Württemberg geltenden Privat-
rechts B. 2 § 73.
(i) Kierulff S. 250. 254.
256. 260. Vgl. oben § 283
S. 282.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

Zu den Schriftſtellern dieſer Klaſſe gehört ferner
Bayer, der ſich ausdrücklich dahin erklärt, daß es bei der
Rechtskraft nicht darauf ankomme, an welchem Orte (in
der Urtheilsformel, oder in den Entſcheidungsgründen) ein
Ausſpruch des Richters ſtehe, und daß jede Entſcheidung
irgend eines, in dem vorhergehenden Verfahren beſtrittenen
Hauptpunktes rechtskräftig werde (g). Eben ſo gehört dahin
auch Wächter, der die Streitfrage über die Rechtskraft
der Gründe zwar nicht als ſolche behandelt, wohl aber
die Grundſätze des Römiſchen Rechts über die Rechtskraft
ſo darſtellt, wie es nur unter Vorausſetzung einer richtigen
Entſcheidung jener Streitfrage möglich iſt (h).

Noch beſtimmter aber und ausführlicher ſprechen ſich
über dieſen Punkt zwei neuere Schriftſteller aus, deren
geſchichtliche Auffaſſung der Lehre von der Rechtskraft von
einer anderen Seite her oben bekämpft werden mußte,
Kierulff und Buchka. Der erſte behauptet ganz
richtig (i), „daß das richterliche Urtheil nach ſeinem Geiſt
und nicht nach dem bloßen Wortinhalt behandelt werden

nervus sunt.“ (Wörtlich gleich-
lautend mit Jus eccl. Prot. Lib. 2
T.
27 § 14). — Weiterhin ver-
neint er die Rechtskraft derjenigen
Stücke der Entſcheidungsgründe,
worin der Richter zur bloßen Er-
läuterung fremdartige Erwägungen
mit einmiſcht, z. B. Betrachtungen
über die Lage des Eigenthums bei
Gelegenheit der Entſcheidung über
eine Beſitzklage. Gewiß mit Recht,
da ſolche Betrachtungen zu den
blos ſubjectiven Gründen gehören
(§ 291. e).
(g) Bayer Civilprozeß S. 184
Ausg. 4.
(h) Wächter Handbuch des
in Württemberg geltenden Privat-
rechts B. 2 § 73.
(i) Kierulff S. 250. 254.
256. 260. Vgl. oben § 283
S. 282.
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[390/0408] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Zu den Schriftſtellern dieſer Klaſſe gehört ferner Bayer, der ſich ausdrücklich dahin erklärt, daß es bei der Rechtskraft nicht darauf ankomme, an welchem Orte (in der Urtheilsformel, oder in den Entſcheidungsgründen) ein Ausſpruch des Richters ſtehe, und daß jede Entſcheidung irgend eines, in dem vorhergehenden Verfahren beſtrittenen Hauptpunktes rechtskräftig werde (g). Eben ſo gehört dahin auch Wächter, der die Streitfrage über die Rechtskraft der Gründe zwar nicht als ſolche behandelt, wohl aber die Grundſätze des Römiſchen Rechts über die Rechtskraft ſo darſtellt, wie es nur unter Vorausſetzung einer richtigen Entſcheidung jener Streitfrage möglich iſt (h). Noch beſtimmter aber und ausführlicher ſprechen ſich über dieſen Punkt zwei neuere Schriftſteller aus, deren geſchichtliche Auffaſſung der Lehre von der Rechtskraft von einer anderen Seite her oben bekämpft werden mußte, Kierulff und Buchka. Der erſte behauptet ganz richtig (i), „daß das richterliche Urtheil nach ſeinem Geiſt und nicht nach dem bloßen Wortinhalt behandelt werden (f) (g) Bayer Civilprozeß S. 184 Ausg. 4. (h) Wächter Handbuch des in Württemberg geltenden Privat- rechts B. 2 § 73. (i) Kierulff S. 250. 254. 256. 260. Vgl. oben § 283 S. 282. (f) nervus sunt.“ (Wörtlich gleich- lautend mit Jus eccl. Prot. Lib. 2 T. 27 § 14). — Weiterhin ver- neint er die Rechtskraft derjenigen Stücke der Entſcheidungsgründe, worin der Richter zur bloßen Er- läuterung fremdartige Erwägungen mit einmiſcht, z. B. Betrachtungen über die Lage des Eigenthums bei Gelegenheit der Entſcheidung über eine Beſitzklage. Gewiß mit Recht, da ſolche Betrachtungen zu den blos ſubjectiven Gründen gehören (§ 291. e).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/408>, abgerufen am 22.07.2024.