sey auf diese Fragen gar nicht eingegangen, oder es habe sie nur theilweise und unbefriedigend berührt.
Ich muß dagegen behaupten, daß die hier dargestellte Lehre von der Rechtskraft der Elemente des Urtheils im Römischen Recht ihre vollständige und sichere Anerkennung gefunden hat. Zwar ist sie nirgend in der Gestalt eines allgemeinen Grundsatzes aufgestellt, aber das bestimmte Bewußtseyn derselben giebt sich in folgenden Äußerungen unsrer Rechtsquellen auf unzweifelhafte Weise kund.
Erstlich in der sicheren und erschöpfenden Anwendung der Rechtskraft bei den Römischen Juristen, wovon die folgende Darstellung den Beweis liefern wird. Diese wäre aber, wie oben gezeigt worden ist, völlig unmöglich, wenn nicht stets die Rechtskraft der Elemente (d. h. der objectiven Gründe) von ihnen vorausgesetzt würde.
Zweitens zeigt ihre Behandlung einiger einzelnen Fälle unwidersprechlich, daß sie die Rechtskraft der Elemente mit deutlichem Bewußtseyn vorausgesetzt haben.
Wenn die Eigenthumsklage nur deshalb abgewiesen wird, weil der Beklagte nicht besitzt, später aber der Besitz an den Beklagten kommt, so kann die Eigenthumsklage von Neuem mit Erfolg angestellt werden, und die frühere Rechtskraft des Urtheils steht nicht im Wege (f). Hier ist nun zunächst einer der Fälle vorhanden, worin nach gesprochenem Urtheil neue Thatsachen eingetreten sind (g),
(f)L. 9 pr. L. 17 L. 18 de exc. rei jud. (44. 2). Vgl. oben § 263.
(g) Eine nova oder superve- niens causa, wovon unten § 300. die Rede seyn wird.
§. 291. Rechtskraft der Gründe.
ſey auf dieſe Fragen gar nicht eingegangen, oder es habe ſie nur theilweiſe und unbefriedigend berührt.
Ich muß dagegen behaupten, daß die hier dargeſtellte Lehre von der Rechtskraft der Elemente des Urtheils im Römiſchen Recht ihre vollſtändige und ſichere Anerkennung gefunden hat. Zwar iſt ſie nirgend in der Geſtalt eines allgemeinen Grundſatzes aufgeſtellt, aber das beſtimmte Bewußtſeyn derſelben giebt ſich in folgenden Äußerungen unſrer Rechtsquellen auf unzweifelhafte Weiſe kund.
Erſtlich in der ſicheren und erſchöpfenden Anwendung der Rechtskraft bei den Römiſchen Juriſten, wovon die folgende Darſtellung den Beweis liefern wird. Dieſe wäre aber, wie oben gezeigt worden iſt, völlig unmöglich, wenn nicht ſtets die Rechtskraft der Elemente (d. h. der objectiven Gründe) von ihnen vorausgeſetzt würde.
Zweitens zeigt ihre Behandlung einiger einzelnen Fälle unwiderſprechlich, daß ſie die Rechtskraft der Elemente mit deutlichem Bewußtſeyn vorausgeſetzt haben.
Wenn die Eigenthumsklage nur deshalb abgewieſen wird, weil der Beklagte nicht beſitzt, ſpäter aber der Beſitz an den Beklagten kommt, ſo kann die Eigenthumsklage von Neuem mit Erfolg angeſtellt werden, und die frühere Rechtskraft des Urtheils ſteht nicht im Wege (f). Hier iſt nun zunächſt einer der Fälle vorhanden, worin nach geſprochenem Urtheil neue Thatſachen eingetreten ſind (g),
(f)L. 9 pr. L. 17 L. 18 de exc. rei jud. (44. 2). Vgl. oben § 263.
(g) Eine nova oder superve- niens causa, wovon unten § 300. die Rede ſeyn wird.
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§. 291. Rechtskraft der Gründe.
ſey auf dieſe Fragen gar nicht eingegangen, oder es habe
ſie nur theilweiſe und unbefriedigend berührt.
Ich muß dagegen behaupten, daß die hier dargeſtellte
Lehre von der Rechtskraft der Elemente des Urtheils im
Römiſchen Recht ihre vollſtändige und ſichere Anerkennung
gefunden hat. Zwar iſt ſie nirgend in der Geſtalt eines
allgemeinen Grundſatzes aufgeſtellt, aber das beſtimmte
Bewußtſeyn derſelben giebt ſich in folgenden Äußerungen
unſrer Rechtsquellen auf unzweifelhafte Weiſe kund.
Erſtlich in der ſicheren und erſchöpfenden Anwendung
der Rechtskraft bei den Römiſchen Juriſten, wovon die
folgende Darſtellung den Beweis liefern wird. Dieſe wäre
aber, wie oben gezeigt worden iſt, völlig unmöglich, wenn
nicht ſtets die Rechtskraft der Elemente (d. h. der objectiven
Gründe) von ihnen vorausgeſetzt würde.
Zweitens zeigt ihre Behandlung einiger einzelnen Fälle
unwiderſprechlich, daß ſie die Rechtskraft der Elemente mit
deutlichem Bewußtſeyn vorausgeſetzt haben.
Wenn die Eigenthumsklage nur deshalb abgewieſen
wird, weil der Beklagte nicht beſitzt, ſpäter aber der Beſitz
an den Beklagten kommt, ſo kann die Eigenthumsklage
von Neuem mit Erfolg angeſtellt werden, und die frühere
Rechtskraft des Urtheils ſteht nicht im Wege (f). Hier
iſt nun zunächſt einer der Fälle vorhanden, worin nach
geſprochenem Urtheil neue Thatſachen eingetreten ſind (g),
(f) L. 9 pr. L. 17 L. 18 de
exc. rei jud. (44. 2). Vgl. oben
§ 263.
(g) Eine nova oder superve-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/385>, abgerufen am 24.11.2024.
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