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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 291. Rechtskraft der Gründe.
sey auf diese Fragen gar nicht eingegangen, oder es habe
sie nur theilweise und unbefriedigend berührt.

Ich muß dagegen behaupten, daß die hier dargestellte
Lehre von der Rechtskraft der Elemente des Urtheils im
Römischen Recht ihre vollständige und sichere Anerkennung
gefunden hat. Zwar ist sie nirgend in der Gestalt eines
allgemeinen Grundsatzes aufgestellt, aber das bestimmte
Bewußtseyn derselben giebt sich in folgenden Äußerungen
unsrer Rechtsquellen auf unzweifelhafte Weise kund.

Erstlich in der sicheren und erschöpfenden Anwendung
der Rechtskraft bei den Römischen Juristen, wovon die
folgende Darstellung den Beweis liefern wird. Diese wäre
aber, wie oben gezeigt worden ist, völlig unmöglich, wenn
nicht stets die Rechtskraft der Elemente (d. h. der objectiven
Gründe) von ihnen vorausgesetzt würde.

Zweitens zeigt ihre Behandlung einiger einzelnen Fälle
unwidersprechlich, daß sie die Rechtskraft der Elemente mit
deutlichem Bewußtseyn vorausgesetzt haben.

Wenn die Eigenthumsklage nur deshalb abgewiesen
wird, weil der Beklagte nicht besitzt, später aber der Besitz
an den Beklagten kommt, so kann die Eigenthumsklage
von Neuem mit Erfolg angestellt werden, und die frühere
Rechtskraft des Urtheils steht nicht im Wege (f). Hier
ist nun zunächst einer der Fälle vorhanden, worin nach
gesprochenem Urtheil neue Thatsachen eingetreten sind (g),

(f) L. 9 pr. L. 17 L. 18 de
exc. rei jud.
(44. 2). Vgl. oben
§ 263.
(g) Eine nova oder superve-
niens causa,
wovon unten § 300.
die Rede seyn wird.

§. 291. Rechtskraft der Gründe.
ſey auf dieſe Fragen gar nicht eingegangen, oder es habe
ſie nur theilweiſe und unbefriedigend berührt.

Ich muß dagegen behaupten, daß die hier dargeſtellte
Lehre von der Rechtskraft der Elemente des Urtheils im
Römiſchen Recht ihre vollſtändige und ſichere Anerkennung
gefunden hat. Zwar iſt ſie nirgend in der Geſtalt eines
allgemeinen Grundſatzes aufgeſtellt, aber das beſtimmte
Bewußtſeyn derſelben giebt ſich in folgenden Äußerungen
unſrer Rechtsquellen auf unzweifelhafte Weiſe kund.

Erſtlich in der ſicheren und erſchöpfenden Anwendung
der Rechtskraft bei den Römiſchen Juriſten, wovon die
folgende Darſtellung den Beweis liefern wird. Dieſe wäre
aber, wie oben gezeigt worden iſt, völlig unmöglich, wenn
nicht ſtets die Rechtskraft der Elemente (d. h. der objectiven
Gründe) von ihnen vorausgeſetzt würde.

Zweitens zeigt ihre Behandlung einiger einzelnen Fälle
unwiderſprechlich, daß ſie die Rechtskraft der Elemente mit
deutlichem Bewußtſeyn vorausgeſetzt haben.

Wenn die Eigenthumsklage nur deshalb abgewieſen
wird, weil der Beklagte nicht beſitzt, ſpäter aber der Beſitz
an den Beklagten kommt, ſo kann die Eigenthumsklage
von Neuem mit Erfolg angeſtellt werden, und die frühere
Rechtskraft des Urtheils ſteht nicht im Wege (f). Hier
iſt nun zunächſt einer der Fälle vorhanden, worin nach
geſprochenem Urtheil neue Thatſachen eingetreten ſind (g),

(f) L. 9 pr. L. 17 L. 18 de
exc. rei jud.
(44. 2). Vgl. oben
§ 263.
(g) Eine nova oder superve-
niens causa,
wovon unten § 300.
die Rede ſeyn wird.
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[367/0385] §. 291. Rechtskraft der Gründe. ſey auf dieſe Fragen gar nicht eingegangen, oder es habe ſie nur theilweiſe und unbefriedigend berührt. Ich muß dagegen behaupten, daß die hier dargeſtellte Lehre von der Rechtskraft der Elemente des Urtheils im Römiſchen Recht ihre vollſtändige und ſichere Anerkennung gefunden hat. Zwar iſt ſie nirgend in der Geſtalt eines allgemeinen Grundſatzes aufgeſtellt, aber das beſtimmte Bewußtſeyn derſelben giebt ſich in folgenden Äußerungen unſrer Rechtsquellen auf unzweifelhafte Weiſe kund. Erſtlich in der ſicheren und erſchöpfenden Anwendung der Rechtskraft bei den Römiſchen Juriſten, wovon die folgende Darſtellung den Beweis liefern wird. Dieſe wäre aber, wie oben gezeigt worden iſt, völlig unmöglich, wenn nicht ſtets die Rechtskraft der Elemente (d. h. der objectiven Gründe) von ihnen vorausgeſetzt würde. Zweitens zeigt ihre Behandlung einiger einzelnen Fälle unwiderſprechlich, daß ſie die Rechtskraft der Elemente mit deutlichem Bewußtſeyn vorausgeſetzt haben. Wenn die Eigenthumsklage nur deshalb abgewieſen wird, weil der Beklagte nicht beſitzt, ſpäter aber der Beſitz an den Beklagten kommt, ſo kann die Eigenthumsklage von Neuem mit Erfolg angeſtellt werden, und die frühere Rechtskraft des Urtheils ſteht nicht im Wege (f). Hier iſt nun zunächſt einer der Fälle vorhanden, worin nach geſprochenem Urtheil neue Thatſachen eingetreten ſind (g), (f) L. 9 pr. L. 17 L. 18 de exc. rei jud. (44. 2). Vgl. oben § 263. (g) Eine nova oder superve- niens causa, wovon unten § 300. die Rede ſeyn wird.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/385>, abgerufen am 19.05.2024.