Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 288. Inhalt. Freisprechung.

Eine indirecte Bestätigung der hier aufgestellten Regel
liegt noch in der Entscheidung eines verwandten Falles,
die man auf den ersten Blick geneigt seyn könnte, als
Widerlegung derselben anzusehen. Die Entscheidung eines
Rechtsstreits durch einen zugeschobenen Eid hat großen-
theils ähnliche Wirkungen, wie die Entscheidung durch
Urtheil, weshalb auch nicht selten beide Fälle der Entschei-
dung als gleichartig zusammengestellt werden (b). Schwört
nun der Kläger den ihm zugeschobenen Eid dahin ab, daß
er Erbe (oder Eigenthümer) sey, so erwirbt er für die Zu-
kunft Klage und Einrede: schwört der Beklagte, der Kläger
sei nicht Erbe oder nicht Eigenthümer, so entsteht aus
diesem Eid eine bloße Einrede (c). Soweit steht der Fall
des Eides dem des Urtheils völlig gleich.

Bei dem Eid aber kann auch noch ein anderer Fall
eintreten. Die Fassung desselben steht in der Willkühr
dessen, der den Eid zuschiebt. Daher kann der Kläger den
Eid auch so zuschieben, daß der Beklagte schwöre, er (der
Beklagte) sey Eigenthümer. Wird dieser Eid abge-
schworen, so erwirbt daraus der Beklagte für die Zukunft
nicht nur eine Einrede, sondern auch eine Klage, welches
ausdrücklich von Ulpian bezeugt wird. Er spricht zuerst
von dem so eben schon erwähnten Fall, wenn der Beklagte

(b) L. 11 § 3 de jurej. (12. 2).
"Si jucavero . . hereditatem
meam esse, id consequi debeo
quod haberem, si secundum
me de hereditate pronuntiatum
esset."
(c) L. 11 § 3 cit., L. 7 § 7 de
public.
(6. 2)
§. 288. Inhalt. Freiſprechung.

Eine indirecte Beſtätigung der hier aufgeſtellten Regel
liegt noch in der Entſcheidung eines verwandten Falles,
die man auf den erſten Blick geneigt ſeyn könnte, als
Widerlegung derſelben anzuſehen. Die Entſcheidung eines
Rechtsſtreits durch einen zugeſchobenen Eid hat großen-
theils ähnliche Wirkungen, wie die Entſcheidung durch
Urtheil, weshalb auch nicht ſelten beide Fälle der Entſchei-
dung als gleichartig zuſammengeſtellt werden (b). Schwört
nun der Kläger den ihm zugeſchobenen Eid dahin ab, daß
er Erbe (oder Eigenthümer) ſey, ſo erwirbt er für die Zu-
kunft Klage und Einrede: ſchwört der Beklagte, der Kläger
ſei nicht Erbe oder nicht Eigenthümer, ſo entſteht aus
dieſem Eid eine bloße Einrede (c). Soweit ſteht der Fall
des Eides dem des Urtheils völlig gleich.

Bei dem Eid aber kann auch noch ein anderer Fall
eintreten. Die Faſſung deſſelben ſteht in der Willkühr
deſſen, der den Eid zuſchiebt. Daher kann der Kläger den
Eid auch ſo zuſchieben, daß der Beklagte ſchwöre, er (der
Beklagte) ſey Eigenthümer. Wird dieſer Eid abge-
ſchworen, ſo erwirbt daraus der Beklagte für die Zukunft
nicht nur eine Einrede, ſondern auch eine Klage, welches
ausdrücklich von Ulpian bezeugt wird. Er ſpricht zuerſt
von dem ſo eben ſchon erwähnten Fall, wenn der Beklagte

(b) L. 11 § 3 de jurej. (12. 2).
„Si jucavero . . hereditatem
meam esse, id consequi debeo
quod haberem, si secundum
me de hereditate pronuntiatum
esset.“
(c) L. 11 § 3 cit., L. 7 § 7 de
public.
(6. 2)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0343" n="325"/>
            <fw place="top" type="header">§. 288. Inhalt. Frei&#x017F;prechung.</fw><lb/>
            <p>Eine indirecte Be&#x017F;tätigung der hier aufge&#x017F;tellten Regel<lb/>
liegt noch in der Ent&#x017F;cheidung eines verwandten Falles,<lb/>
die man auf den er&#x017F;ten Blick geneigt &#x017F;eyn könnte, als<lb/>
Widerlegung der&#x017F;elben anzu&#x017F;ehen. Die Ent&#x017F;cheidung eines<lb/>
Rechts&#x017F;treits durch einen zuge&#x017F;chobenen Eid hat großen-<lb/>
theils ähnliche Wirkungen, wie die Ent&#x017F;cheidung durch<lb/>
Urtheil, weshalb auch nicht &#x017F;elten beide Fälle der Ent&#x017F;chei-<lb/>
dung als gleichartig zu&#x017F;ammenge&#x017F;tellt werden <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 11 § 3 <hi rendition="#i">de jurej.</hi> (12. 2).<lb/>
&#x201E;Si jucavero . . hereditatem<lb/>
meam esse, id consequi debeo<lb/>
quod haberem, <hi rendition="#i">si secundum<lb/>
me de hereditate pronuntiatum<lb/>
esset.&#x201C;</hi></hi></note>. Schwört<lb/>
nun der Kläger den ihm zuge&#x017F;chobenen Eid dahin ab, daß<lb/>
er Erbe (oder Eigenthümer) &#x017F;ey, &#x017F;o erwirbt er für die Zu-<lb/>
kunft Klage und Einrede: &#x017F;chwört der Beklagte, der Kläger<lb/>
&#x017F;ei nicht Erbe oder nicht Eigenthümer, &#x017F;o ent&#x017F;teht aus<lb/>
die&#x017F;em Eid eine bloße Einrede <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 11 § 3 <hi rendition="#i">cit., L.</hi> 7 § 7 <hi rendition="#i">de<lb/>
public.</hi></hi> (6. 2)</note>. Soweit &#x017F;teht der Fall<lb/>
des Eides dem des Urtheils völlig gleich.</p><lb/>
            <p>Bei dem Eid aber kann auch noch ein anderer Fall<lb/>
eintreten. Die Fa&#x017F;&#x017F;ung de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;teht in der Willkühr<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en, der den Eid zu&#x017F;chiebt. Daher kann der Kläger den<lb/>
Eid auch &#x017F;o zu&#x017F;chieben, daß der Beklagte &#x017F;chwöre, er (der<lb/>
Beklagte) <hi rendition="#g">&#x017F;ey Eigenthümer</hi>. Wird die&#x017F;er Eid abge-<lb/>
&#x017F;chworen, &#x017F;o erwirbt daraus der Beklagte für die Zukunft<lb/>
nicht nur eine Einrede, &#x017F;ondern auch eine Klage, welches<lb/>
ausdrücklich von <hi rendition="#g">Ulpian</hi> bezeugt wird. Er &#x017F;pricht zuer&#x017F;t<lb/>
von dem &#x017F;o eben &#x017F;chon erwähnten Fall, wenn der Beklagte<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0343] §. 288. Inhalt. Freiſprechung. Eine indirecte Beſtätigung der hier aufgeſtellten Regel liegt noch in der Entſcheidung eines verwandten Falles, die man auf den erſten Blick geneigt ſeyn könnte, als Widerlegung derſelben anzuſehen. Die Entſcheidung eines Rechtsſtreits durch einen zugeſchobenen Eid hat großen- theils ähnliche Wirkungen, wie die Entſcheidung durch Urtheil, weshalb auch nicht ſelten beide Fälle der Entſchei- dung als gleichartig zuſammengeſtellt werden (b). Schwört nun der Kläger den ihm zugeſchobenen Eid dahin ab, daß er Erbe (oder Eigenthümer) ſey, ſo erwirbt er für die Zu- kunft Klage und Einrede: ſchwört der Beklagte, der Kläger ſei nicht Erbe oder nicht Eigenthümer, ſo entſteht aus dieſem Eid eine bloße Einrede (c). Soweit ſteht der Fall des Eides dem des Urtheils völlig gleich. Bei dem Eid aber kann auch noch ein anderer Fall eintreten. Die Faſſung deſſelben ſteht in der Willkühr deſſen, der den Eid zuſchiebt. Daher kann der Kläger den Eid auch ſo zuſchieben, daß der Beklagte ſchwöre, er (der Beklagte) ſey Eigenthümer. Wird dieſer Eid abge- ſchworen, ſo erwirbt daraus der Beklagte für die Zukunft nicht nur eine Einrede, ſondern auch eine Klage, welches ausdrücklich von Ulpian bezeugt wird. Er ſpricht zuerſt von dem ſo eben ſchon erwähnten Fall, wenn der Beklagte (b) L. 11 § 3 de jurej. (12. 2). „Si jucavero . . hereditatem meam esse, id consequi debeo quod haberem, si secundum me de hereditate pronuntiatum esset.“ (c) L. 11 § 3 cit., L. 7 § 7 de public. (6. 2)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/343
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/343>, abgerufen am 24.08.2024.