Eine indirecte Bestätigung der hier aufgestellten Regel liegt noch in der Entscheidung eines verwandten Falles, die man auf den ersten Blick geneigt seyn könnte, als Widerlegung derselben anzusehen. Die Entscheidung eines Rechtsstreits durch einen zugeschobenen Eid hat großen- theils ähnliche Wirkungen, wie die Entscheidung durch Urtheil, weshalb auch nicht selten beide Fälle der Entschei- dung als gleichartig zusammengestellt werden (b). Schwört nun der Kläger den ihm zugeschobenen Eid dahin ab, daß er Erbe (oder Eigenthümer) sey, so erwirbt er für die Zu- kunft Klage und Einrede: schwört der Beklagte, der Kläger sei nicht Erbe oder nicht Eigenthümer, so entsteht aus diesem Eid eine bloße Einrede (c). Soweit steht der Fall des Eides dem des Urtheils völlig gleich.
Bei dem Eid aber kann auch noch ein anderer Fall eintreten. Die Fassung desselben steht in der Willkühr dessen, der den Eid zuschiebt. Daher kann der Kläger den Eid auch so zuschieben, daß der Beklagte schwöre, er (der Beklagte) sey Eigenthümer. Wird dieser Eid abge- schworen, so erwirbt daraus der Beklagte für die Zukunft nicht nur eine Einrede, sondern auch eine Klage, welches ausdrücklich von Ulpian bezeugt wird. Er spricht zuerst von dem so eben schon erwähnten Fall, wenn der Beklagte
(b)L. 11 § 3 de jurej. (12. 2). "Si jucavero . . hereditatem meam esse, id consequi debeo quod haberem, si secundum me de hereditate pronuntiatum esset."
(c)L. 11 § 3 cit., L. 7 § 7 de public. (6. 2)
§. 288. Inhalt. Freiſprechung.
Eine indirecte Beſtätigung der hier aufgeſtellten Regel liegt noch in der Entſcheidung eines verwandten Falles, die man auf den erſten Blick geneigt ſeyn könnte, als Widerlegung derſelben anzuſehen. Die Entſcheidung eines Rechtsſtreits durch einen zugeſchobenen Eid hat großen- theils ähnliche Wirkungen, wie die Entſcheidung durch Urtheil, weshalb auch nicht ſelten beide Fälle der Entſchei- dung als gleichartig zuſammengeſtellt werden (b). Schwört nun der Kläger den ihm zugeſchobenen Eid dahin ab, daß er Erbe (oder Eigenthümer) ſey, ſo erwirbt er für die Zu- kunft Klage und Einrede: ſchwört der Beklagte, der Kläger ſei nicht Erbe oder nicht Eigenthümer, ſo entſteht aus dieſem Eid eine bloße Einrede (c). Soweit ſteht der Fall des Eides dem des Urtheils völlig gleich.
Bei dem Eid aber kann auch noch ein anderer Fall eintreten. Die Faſſung deſſelben ſteht in der Willkühr deſſen, der den Eid zuſchiebt. Daher kann der Kläger den Eid auch ſo zuſchieben, daß der Beklagte ſchwöre, er (der Beklagte) ſey Eigenthümer. Wird dieſer Eid abge- ſchworen, ſo erwirbt daraus der Beklagte für die Zukunft nicht nur eine Einrede, ſondern auch eine Klage, welches ausdrücklich von Ulpian bezeugt wird. Er ſpricht zuerſt von dem ſo eben ſchon erwähnten Fall, wenn der Beklagte
(b)L. 11 § 3 de jurej. (12. 2). „Si jucavero . . hereditatem meam esse, id consequi debeo quod haberem, si secundum me de hereditate pronuntiatum esset.“
(c)L. 11 § 3 cit., L. 7 § 7 de public. (6. 2)
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§. 288. Inhalt. Freiſprechung.
Eine indirecte Beſtätigung der hier aufgeſtellten Regel
liegt noch in der Entſcheidung eines verwandten Falles,
die man auf den erſten Blick geneigt ſeyn könnte, als
Widerlegung derſelben anzuſehen. Die Entſcheidung eines
Rechtsſtreits durch einen zugeſchobenen Eid hat großen-
theils ähnliche Wirkungen, wie die Entſcheidung durch
Urtheil, weshalb auch nicht ſelten beide Fälle der Entſchei-
dung als gleichartig zuſammengeſtellt werden (b). Schwört
nun der Kläger den ihm zugeſchobenen Eid dahin ab, daß
er Erbe (oder Eigenthümer) ſey, ſo erwirbt er für die Zu-
kunft Klage und Einrede: ſchwört der Beklagte, der Kläger
ſei nicht Erbe oder nicht Eigenthümer, ſo entſteht aus
dieſem Eid eine bloße Einrede (c). Soweit ſteht der Fall
des Eides dem des Urtheils völlig gleich.
Bei dem Eid aber kann auch noch ein anderer Fall
eintreten. Die Faſſung deſſelben ſteht in der Willkühr
deſſen, der den Eid zuſchiebt. Daher kann der Kläger den
Eid auch ſo zuſchieben, daß der Beklagte ſchwöre, er (der
Beklagte) ſey Eigenthümer. Wird dieſer Eid abge-
ſchworen, ſo erwirbt daraus der Beklagte für die Zukunft
nicht nur eine Einrede, ſondern auch eine Klage, welches
ausdrücklich von Ulpian bezeugt wird. Er ſpricht zuerſt
von dem ſo eben ſchon erwähnten Fall, wenn der Beklagte
(b) L. 11 § 3 de jurej. (12. 2).
„Si jucavero . . hereditatem
meam esse, id consequi debeo
quod haberem, si secundum
me de hereditate pronuntiatum
esset.“
(c) L. 11 § 3 cit., L. 7 § 7 de
public. (6. 2)
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/343>, abgerufen am 25.11.2024.
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