Sache selbst. Wir wissen eben so gewiß, daß über das Daseyn des Eigenthums rechtskräftig entschieden wurde, mit sicherer Wirkung für alle Zukunft. Wie ist nun dieser scheinbare Widerspruch zu lösen? In welcher Form konnte neben jenem auf Geld beschränkten Inhalt des Urtheils dennoch für die rechtskräftige Anerkennung des Eigenthums gesorgt werden?
Der vollständige Verlauf einer solchen arbitraria actio war folgender (h). Wenn sich der Judex von dem Eigen- thum des Klägers überzeugt hatte, so sprach er zunächst die gewonnene Überzeugung von dem Recht des Klägers aus, und forderte den Beklagten auf, dem Anspruch des Klägers freiwillig Genüge zu leisten, d. h. die streitige Sache her- auszugeben. Gehorchte der Beklagte diesem jussus oder arbitratus, so erfolgte eine Freisprechung; gehorchte er nicht, so wurde er verurtheilt, aber nicht auf die Sache selbst, sondern auf eine Geldsumme, mit deren Bestimmung beson- dere Gefahren für den Beklagten verbunden waren.
Es ging also dem Befehl zur Restitution vorher ein Ausspruch des Judex, welcher das Daseyn des vom Kläger behaupteten Rechts ausdrücklich anerkannte. Dieser Aus- spruch führte den technischen Namen Pronuntiatio, und auf ihn gründete sich für alle Zukunft die Wirkung der Rechts- kraft, also insbesondere auch der Anspruch des Klägers, in jedem künftigen Rechtsstreit eine exceptio rei judicatae
(h) Dieser Gegenstand ist oben ausführlich behandelt worden B. 5 § 221--223.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Sache ſelbſt. Wir wiſſen eben ſo gewiß, daß über das Daſeyn des Eigenthums rechtskräftig entſchieden wurde, mit ſicherer Wirkung für alle Zukunft. Wie iſt nun dieſer ſcheinbare Widerſpruch zu löſen? In welcher Form konnte neben jenem auf Geld beſchränkten Inhalt des Urtheils dennoch für die rechtskräftige Anerkennung des Eigenthums geſorgt werden?
Der vollſtändige Verlauf einer ſolchen arbitraria actio war folgender (h). Wenn ſich der Judex von dem Eigen- thum des Klägers überzeugt hatte, ſo ſprach er zunächſt die gewonnene Überzeugung von dem Recht des Klägers aus, und forderte den Beklagten auf, dem Anſpruch des Klägers freiwillig Genüge zu leiſten, d. h. die ſtreitige Sache her- auszugeben. Gehorchte der Beklagte dieſem jussus oder arbitratus, ſo erfolgte eine Freiſprechung; gehorchte er nicht, ſo wurde er verurtheilt, aber nicht auf die Sache ſelbſt, ſondern auf eine Geldſumme, mit deren Beſtimmung beſon- dere Gefahren für den Beklagten verbunden waren.
Es ging alſo dem Befehl zur Reſtitution vorher ein Ausſpruch des Judex, welcher das Daſeyn des vom Kläger behaupteten Rechts ausdrücklich anerkannte. Dieſer Aus- ſpruch führte den techniſchen Namen Pronuntiatio, und auf ihn gründete ſich für alle Zukunft die Wirkung der Rechts- kraft, alſo insbeſondere auch der Anſpruch des Klägers, in jedem künftigen Rechtsſtreit eine exceptio rei judicatae
(h) Dieſer Gegenſtand iſt oben ausführlich behandelt worden B. 5 § 221—223.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Sache ſelbſt. Wir wiſſen eben ſo gewiß, daß über das
Daſeyn des Eigenthums rechtskräftig entſchieden wurde,
mit ſicherer Wirkung für alle Zukunft. Wie iſt nun dieſer
ſcheinbare Widerſpruch zu löſen? In welcher Form konnte
neben jenem auf Geld beſchränkten Inhalt des Urtheils
dennoch für die rechtskräftige Anerkennung des Eigenthums
geſorgt werden?
Der vollſtändige Verlauf einer ſolchen arbitraria actio
war folgender (h). Wenn ſich der Judex von dem Eigen-
thum des Klägers überzeugt hatte, ſo ſprach er zunächſt die
gewonnene Überzeugung von dem Recht des Klägers aus,
und forderte den Beklagten auf, dem Anſpruch des Klägers
freiwillig Genüge zu leiſten, d. h. die ſtreitige Sache her-
auszugeben. Gehorchte der Beklagte dieſem jussus oder
arbitratus, ſo erfolgte eine Freiſprechung; gehorchte er nicht,
ſo wurde er verurtheilt, aber nicht auf die Sache ſelbſt,
ſondern auf eine Geldſumme, mit deren Beſtimmung beſon-
dere Gefahren für den Beklagten verbunden waren.
Es ging alſo dem Befehl zur Reſtitution vorher ein
Ausſpruch des Judex, welcher das Daſeyn des vom Kläger
behaupteten Rechts ausdrücklich anerkannte. Dieſer Aus-
ſpruch führte den techniſchen Namen Pronuntiatio, und auf
ihn gründete ſich für alle Zukunft die Wirkung der Rechts-
kraft, alſo insbeſondere auch der Anſpruch des Klägers,
in jedem künftigen Rechtsſtreit eine exceptio rei judicatae
(h) Dieſer Gegenſtand iſt oben ausführlich behandelt worden B. 5
§ 221—223.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/336>, abgerufen am 25.11.2024.
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