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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

Die hier aufgestellten Regeln gehen auf die ordinaria
judicia;
daneben aber hat es keinen Zweifel, daß in jedem
extraordinarium judicium, z. B. bei Fideicommissen, der
obrigkeitliche Beamte, der darüber zu urtheilen hatte, durch
sein Urtheil gleichfalls Rechtskraft erzeugte, und zwar mit
dem Namen einer res judicata (§ 282. f). Dennoch ist
auch dieser Fall der Rechtskraft in neuerer Zeit ohne
Grund in Zweifel gezogen worden (d).

Diese letzte Regel, welche zur Zeit des Formularpro-
zesses nur als sehr beschränkte Ausnahme zur Anwendung
kommen konnte, wurde zur allgemeinen und einzigen Regel
durch die Aufhebung des alten ordo judiciorum. Der nun-
mehr eintretende Zustand war ganz derselbe, welchen allein
wir in der heutigen Gerichtsverfassung aller Länder kennen.

Die bisher abgehandelte Seite der formellen Beschaf-
fenheit des zur Rechtskraft fähigen Urtheils hat eine blos
geschichtliche Bedeutung. Weit wichtiger, und gerade für

Name nicht wohl angewendet wer-
den. Indessen mag man doch ir-
gend eine Form gefunden haben,
um auch diesem abweisenden De-
cret die Rechtskraft zu sichern.
Vgl. den Schluß der folgenden
Note.
(d) Puchta Cursus der In-
stitutionen B. 2 § 177 Note o.
Er nimmt an, das gewöhnliche
Urtheil eines Judex habe wirklich
neues Recht erzeugt, und sey da-
her von jedem späteren Richter
anerkannt worden; das Urtheil
eines Magistratus habe nur für
die demselben untergeordneten Per-
sonen bindende Kraft gehabt. --
Diese Meinung wird unmittelbar
widerlegt nicht nur durch die Rechts-
kraft des Erkenntnisses über ein
Fideicommiß (§ 282. f.), sondern
auch durch die Rechtskraft, die dem
Decret der Obrigkeit über Gewäh-
rung oder Versagung einer Resti-
tution zugeschrieben wird. L. 1 C.
si saepius
(2. 44). Denn auch
dieses war eine Entscheidung extra
ordinem.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

Die hier aufgeſtellten Regeln gehen auf die ordinaria
judicia;
daneben aber hat es keinen Zweifel, daß in jedem
extraordinarium judicium, z. B. bei Fideicommiſſen, der
obrigkeitliche Beamte, der darüber zu urtheilen hatte, durch
ſein Urtheil gleichfalls Rechtskraft erzeugte, und zwar mit
dem Namen einer res judicata (§ 282. f). Dennoch iſt
auch dieſer Fall der Rechtskraft in neuerer Zeit ohne
Grund in Zweifel gezogen worden (d).

Dieſe letzte Regel, welche zur Zeit des Formularpro-
zeſſes nur als ſehr beſchränkte Ausnahme zur Anwendung
kommen konnte, wurde zur allgemeinen und einzigen Regel
durch die Aufhebung des alten ordo judiciorum. Der nun-
mehr eintretende Zuſtand war ganz derſelbe, welchen allein
wir in der heutigen Gerichtsverfaſſung aller Länder kennen.

Die bisher abgehandelte Seite der formellen Beſchaf-
fenheit des zur Rechtskraft fähigen Urtheils hat eine blos
geſchichtliche Bedeutung. Weit wichtiger, und gerade für

Name nicht wohl angewendet wer-
den. Indeſſen mag man doch ir-
gend eine Form gefunden haben,
um auch dieſem abweiſenden De-
cret die Rechtskraft zu ſichern.
Vgl. den Schluß der folgenden
Note.
(d) Puchta Curſus der In-
ſtitutionen B. 2 § 177 Note o.
Er nimmt an, das gewöhnliche
Urtheil eines Judex habe wirklich
neues Recht erzeugt, und ſey da-
her von jedem ſpäteren Richter
anerkannt worden; das Urtheil
eines Magiſtratus habe nur für
die demſelben untergeordneten Per-
ſonen bindende Kraft gehabt. —
Dieſe Meinung wird unmittelbar
widerlegt nicht nur durch die Rechts-
kraft des Erkenntniſſes über ein
Fideicommiß (§ 282. f.), ſondern
auch durch die Rechtskraft, die dem
Decret der Obrigkeit über Gewäh-
rung oder Verſagung einer Reſti-
tution zugeſchrieben wird. L. 1 C.
si saepius
(2. 44). Denn auch
dieſes war eine Entſcheidung extra
ordinem.
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[288/0306] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Die hier aufgeſtellten Regeln gehen auf die ordinaria judicia; daneben aber hat es keinen Zweifel, daß in jedem extraordinarium judicium, z. B. bei Fideicommiſſen, der obrigkeitliche Beamte, der darüber zu urtheilen hatte, durch ſein Urtheil gleichfalls Rechtskraft erzeugte, und zwar mit dem Namen einer res judicata (§ 282. f). Dennoch iſt auch dieſer Fall der Rechtskraft in neuerer Zeit ohne Grund in Zweifel gezogen worden (d). Dieſe letzte Regel, welche zur Zeit des Formularpro- zeſſes nur als ſehr beſchränkte Ausnahme zur Anwendung kommen konnte, wurde zur allgemeinen und einzigen Regel durch die Aufhebung des alten ordo judiciorum. Der nun- mehr eintretende Zuſtand war ganz derſelbe, welchen allein wir in der heutigen Gerichtsverfaſſung aller Länder kennen. Die bisher abgehandelte Seite der formellen Beſchaf- fenheit des zur Rechtskraft fähigen Urtheils hat eine blos geſchichtliche Bedeutung. Weit wichtiger, und gerade für (c) (d) Puchta Curſus der In- ſtitutionen B. 2 § 177 Note o. Er nimmt an, das gewöhnliche Urtheil eines Judex habe wirklich neues Recht erzeugt, und ſey da- her von jedem ſpäteren Richter anerkannt worden; das Urtheil eines Magiſtratus habe nur für die demſelben untergeordneten Per- ſonen bindende Kraft gehabt. — Dieſe Meinung wird unmittelbar widerlegt nicht nur durch die Rechts- kraft des Erkenntniſſes über ein Fideicommiß (§ 282. f.), ſondern auch durch die Rechtskraft, die dem Decret der Obrigkeit über Gewäh- rung oder Verſagung einer Reſti- tution zugeſchrieben wird. L. 1 C. si saepius (2. 44). Denn auch dieſes war eine Entſcheidung extra ordinem. (c) Name nicht wohl angewendet wer- den. Indeſſen mag man doch ir- gend eine Form gefunden haben, um auch dieſem abweiſenden De- cret die Rechtskraft zu ſichern. Vgl. den Schluß der folgenden Note.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/306>, abgerufen am 17.05.2024.