Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 257. Wesen der L. C. -- I. R. R.
Inhalt unsrer Rechtsquellen zu gelangen, ist das Zeit-
alter des Formularprozesses, oder der vorherrschenden ordi-
naria judicia.
Das Recht der früheren Zeit kann dabei
nicht mehr in Betracht kommen. Dagegen ist allerdings
eine besondere Rücksicht nöthig auf die Behandlung dieses
Gegenstandes in dem extraordinarium judicium, welches
schon frühe als Ausnahme in dem Zeitalter des Formular-
prozesses vorkam. Die Feststellung dieses exceptionellen
Zustandes wird dann den Uebergang bilden zu dem späte-
ren R. R., in welchem der ordo judiciorum völlig ver-
schwindet, also die frühere Ausnahme als einzige Regel
erscheint.

Ich will damit anfangen, den Rechtszustand, der in
den Stellen der alten Juristen stets vorausgesetzt werden
muß, im Zusammenhang darzustellen, und dann erst die
Rechtfertigung der einzelnen Sätze hinzufügen.

Die Litiscontestation ist (zu jener Zeit) eine Verhand-
lung der streitenden Parteien vor dem Prätor, worin beide
den Streit durch gegenseitige Erklärungen dergestalt fest-
stellen, daß derselbe zum Uebergang an den Juder reif
wird. Diese Verhandlung ist der letzte Akt des Jus, das
heißt des vor dem Prätor vorgehenden Theils des Pro-
zesses; sie ist gleichzeitig mit der von dem Prätor ertheilten
formula (a), setzt also die Ernennung des Juder voraus,
da dessen Person in der formula bezeichnet wird.


(a) Wenn es blos darauf an-
kam, den Zeitpunkt zu bezeichnen,
von welchem an gewisse Wirkungen
im Prozeß eintreten sollten, so

§. 257. Weſen der L. C. — I. R. R.
Inhalt unſrer Rechtsquellen zu gelangen, iſt das Zeit-
alter des Formularprozeſſes, oder der vorherrſchenden ordi-
naria judicia.
Das Recht der früheren Zeit kann dabei
nicht mehr in Betracht kommen. Dagegen iſt allerdings
eine beſondere Rückſicht nöthig auf die Behandlung dieſes
Gegenſtandes in dem extraordinarium judicium, welches
ſchon frühe als Ausnahme in dem Zeitalter des Formular-
prozeſſes vorkam. Die Feſtſtellung dieſes exceptionellen
Zuſtandes wird dann den Uebergang bilden zu dem ſpäte-
ren R. R., in welchem der ordo judiciorum völlig ver-
ſchwindet, alſo die frühere Ausnahme als einzige Regel
erſcheint.

Ich will damit anfangen, den Rechtszuſtand, der in
den Stellen der alten Juriſten ſtets vorausgeſetzt werden
muß, im Zuſammenhang darzuſtellen, und dann erſt die
Rechtfertigung der einzelnen Sätze hinzufügen.

Die Litisconteſtation iſt (zu jener Zeit) eine Verhand-
lung der ſtreitenden Parteien vor dem Prätor, worin beide
den Streit durch gegenſeitige Erklärungen dergeſtalt feſt-
ſtellen, daß derſelbe zum Uebergang an den Juder reif
wird. Dieſe Verhandlung iſt der letzte Akt des Jus, das
heißt des vor dem Prätor vorgehenden Theils des Pro-
zeſſes; ſie iſt gleichzeitig mit der von dem Prätor ertheilten
formula (a), ſetzt alſo die Ernennung des Juder voraus,
da deſſen Perſon in der formula bezeichnet wird.


(a) Wenn es blos darauf an-
kam, den Zeitpunkt zu bezeichnen,
von welchem an gewiſſe Wirkungen
im Prozeß eintreten ſollten, ſo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0027" n="9"/><fw place="top" type="header">§. 257. We&#x017F;en der L. C. &#x2014; <hi rendition="#aq">I.</hi> R. R.</fw><lb/>
Inhalt un&#x017F;rer Rechtsquellen zu gelangen, i&#x017F;t das Zeit-<lb/>
alter des Formularproze&#x017F;&#x017F;es, oder der vorherr&#x017F;chenden <hi rendition="#aq">ordi-<lb/>
naria judicia.</hi> Das Recht der früheren Zeit kann dabei<lb/>
nicht mehr in Betracht kommen. Dagegen i&#x017F;t allerdings<lb/>
eine be&#x017F;ondere Rück&#x017F;icht nöthig auf die Behandlung die&#x017F;es<lb/>
Gegen&#x017F;tandes in dem <hi rendition="#aq">extraordinarium judicium,</hi> welches<lb/>
&#x017F;chon frühe als Ausnahme in dem Zeitalter des Formular-<lb/>
proze&#x017F;&#x017F;es vorkam. Die Fe&#x017F;t&#x017F;tellung die&#x017F;es exceptionellen<lb/>
Zu&#x017F;tandes wird dann den Uebergang bilden zu dem &#x017F;päte-<lb/>
ren R. R., in welchem der <hi rendition="#aq">ordo judiciorum</hi> völlig ver-<lb/>
&#x017F;chwindet, al&#x017F;o die frühere Ausnahme als einzige Regel<lb/>
er&#x017F;cheint.</p><lb/>
            <p>Ich will damit anfangen, den Rechtszu&#x017F;tand, der in<lb/>
den Stellen der alten Juri&#x017F;ten &#x017F;tets vorausge&#x017F;etzt werden<lb/>
muß, im Zu&#x017F;ammenhang darzu&#x017F;tellen, und dann er&#x017F;t die<lb/>
Rechtfertigung der einzelnen Sätze hinzufügen.</p><lb/>
            <p>Die Litisconte&#x017F;tation i&#x017F;t (zu jener Zeit) eine Verhand-<lb/>
lung der &#x017F;treitenden Parteien vor dem Prätor, worin beide<lb/>
den Streit durch gegen&#x017F;eitige Erklärungen derge&#x017F;talt fe&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;tellen, daß der&#x017F;elbe zum Uebergang an den Juder reif<lb/>
wird. Die&#x017F;e Verhandlung i&#x017F;t der letzte Akt des <hi rendition="#aq">Jus,</hi> das<lb/>
heißt des vor dem Prätor vorgehenden Theils des Pro-<lb/>
ze&#x017F;&#x017F;es; &#x017F;ie i&#x017F;t gleichzeitig mit der von dem Prätor ertheilten<lb/><hi rendition="#aq">formula</hi> <note xml:id="seg2pn_2_1" next="#seg2pn_2_2" place="foot" n="(a)">Wenn es blos darauf an-<lb/>
kam, den Zeitpunkt zu bezeichnen,<lb/>
von welchem an gewi&#x017F;&#x017F;e Wirkungen<lb/>
im Prozeß eintreten &#x017F;ollten, &#x017F;o</note>, &#x017F;etzt al&#x017F;o die Ernennung des Juder voraus,<lb/>
da de&#x017F;&#x017F;en Per&#x017F;on in der <hi rendition="#aq">formula</hi> bezeichnet wird.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0027] §. 257. Weſen der L. C. — I. R. R. Inhalt unſrer Rechtsquellen zu gelangen, iſt das Zeit- alter des Formularprozeſſes, oder der vorherrſchenden ordi- naria judicia. Das Recht der früheren Zeit kann dabei nicht mehr in Betracht kommen. Dagegen iſt allerdings eine beſondere Rückſicht nöthig auf die Behandlung dieſes Gegenſtandes in dem extraordinarium judicium, welches ſchon frühe als Ausnahme in dem Zeitalter des Formular- prozeſſes vorkam. Die Feſtſtellung dieſes exceptionellen Zuſtandes wird dann den Uebergang bilden zu dem ſpäte- ren R. R., in welchem der ordo judiciorum völlig ver- ſchwindet, alſo die frühere Ausnahme als einzige Regel erſcheint. Ich will damit anfangen, den Rechtszuſtand, der in den Stellen der alten Juriſten ſtets vorausgeſetzt werden muß, im Zuſammenhang darzuſtellen, und dann erſt die Rechtfertigung der einzelnen Sätze hinzufügen. Die Litisconteſtation iſt (zu jener Zeit) eine Verhand- lung der ſtreitenden Parteien vor dem Prätor, worin beide den Streit durch gegenſeitige Erklärungen dergeſtalt feſt- ſtellen, daß derſelbe zum Uebergang an den Juder reif wird. Dieſe Verhandlung iſt der letzte Akt des Jus, das heißt des vor dem Prätor vorgehenden Theils des Pro- zeſſes; ſie iſt gleichzeitig mit der von dem Prätor ertheilten formula (a), ſetzt alſo die Ernennung des Juder voraus, da deſſen Perſon in der formula bezeichnet wird. (a) Wenn es blos darauf an- kam, den Zeitpunkt zu bezeichnen, von welchem an gewiſſe Wirkungen im Prozeß eintreten ſollten, ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/27
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/27>, abgerufen am 29.03.2024.