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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 271. Wirkung der L. C. -- Prozeßzinsen. (Forts.)
Consumtion aber war nicht vorhanden, sowohl wenn noch
gar nicht auf Zinsen geklagt worden war, als wenn bei
einer früheren Zinsenklage die oben erklärte Präscription
angewendet war, um die Consumtion der künftig eintretenden
Zinsposten abzuwenden (r).



Um die Lehre von den Prozeßzinsen ganz abzuschließen,
bleibt nur noch übrig, die Meinung neuerer Schriftsteller
über den Zustand des heutigen Rechts in dieser Lehre kurz
anzugeben.

Neuerlich ist von Mehreren die Zulässigkeit von Prozeß-
zinsen gänzlich verworfen worden, indem sie dieselben nicht
sowohl negirt, als ignorirt haben. Sie gehen nämlich da-
von aus, es gebe überhaupt, aus Veranlassung eines
Rechtsstreits, keine andere Zinsen als Verzugszinsen. Da
nun (welches auch ich annehme) die L. C. keine Mora be-
gründe, so könnten Prozeßzinsen, d. h. Zinsen die durch die

(r) Mayer Litiscontestation
S. 35--38 behauptet, im Wider-
spruch mit den hier aufgestellten
Sätzen, die Kapitalklage habe durch
die Novation der L. C. den ferneren
Zinsenlauf zerstört. Er verwechselt
dabei die Consumtion und Nova-
tion, so wie er die zwei verschie-
denen Klagen auf Kapital und
Zinsen nicht unterscheidet, und ohne
Grund einen practischen Unterschied
zwischen Pfändern und Zinsen be-
hauptet, welche selbstgemachte
Schwierigkeit er dann nicht ohne
Scharfsinn zu beseitigen sucht durch
die Unterscheidung alter und neuer
Rechtsinstitute. Sein Hauptbeweis
liegt in L. 90 de V. O. (45. 1),
welche für den Fall der poenae
stipulatio
(einer anderen Form
als das Zinsgeschäft, aber mit
ähnlichem Zweck und Erfolg) ganz
richtig dasselbe behauptet, welches
in L. 1 C. de jud. für die Zinsen
gesagt ist. Er sieht darin eine ver-
steckte Anspielung darauf, daß bei
den Zinsen das Gegentheil gelte,
trägt also ganz willkührlich ein ar-
gumentum a contrario
in die
Stelle hinein.
VI. 11

§. 271. Wirkung der L. C. — Prozeßzinſen. (Fortſ.)
Conſumtion aber war nicht vorhanden, ſowohl wenn noch
gar nicht auf Zinſen geklagt worden war, als wenn bei
einer früheren Zinſenklage die oben erklärte Präſcription
angewendet war, um die Conſumtion der künftig eintretenden
Zinspoſten abzuwenden (r).



Um die Lehre von den Prozeßzinſen ganz abzuſchließen,
bleibt nur noch übrig, die Meinung neuerer Schriftſteller
über den Zuſtand des heutigen Rechts in dieſer Lehre kurz
anzugeben.

Neuerlich iſt von Mehreren die Zuläſſigkeit von Prozeß-
zinſen gänzlich verworfen worden, indem ſie dieſelben nicht
ſowohl negirt, als ignorirt haben. Sie gehen nämlich da-
von aus, es gebe überhaupt, aus Veranlaſſung eines
Rechtsſtreits, keine andere Zinſen als Verzugszinſen. Da
nun (welches auch ich annehme) die L. C. keine Mora be-
gründe, ſo könnten Prozeßzinſen, d. h. Zinſen die durch die

(r) Mayer Litisconteſtation
S. 35—38 behauptet, im Wider-
ſpruch mit den hier aufgeſtellten
Sätzen, die Kapitalklage habe durch
die Novation der L. C. den ferneren
Zinſenlauf zerſtört. Er verwechſelt
dabei die Conſumtion und Nova-
tion, ſo wie er die zwei verſchie-
denen Klagen auf Kapital und
Zinſen nicht unterſcheidet, und ohne
Grund einen practiſchen Unterſchied
zwiſchen Pfändern und Zinſen be-
hauptet, welche ſelbſtgemachte
Schwierigkeit er dann nicht ohne
Scharfſinn zu beſeitigen ſucht durch
die Unterſcheidung alter und neuer
Rechtsinſtitute. Sein Hauptbeweis
liegt in L. 90 de V. O. (45. 1),
welche für den Fall der poenae
stipulatio
(einer anderen Form
als das Zinsgeſchäft, aber mit
ähnlichem Zweck und Erfolg) ganz
richtig daſſelbe behauptet, welches
in L. 1 C. de jud. für die Zinſen
geſagt iſt. Er ſieht darin eine ver-
ſteckte Anſpielung darauf, daß bei
den Zinſen das Gegentheil gelte,
trägt alſo ganz willkührlich ein ar-
gumentum a contrario
in die
Stelle hinein.
VI. 11
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[161/0179] §. 271. Wirkung der L. C. — Prozeßzinſen. (Fortſ.) Conſumtion aber war nicht vorhanden, ſowohl wenn noch gar nicht auf Zinſen geklagt worden war, als wenn bei einer früheren Zinſenklage die oben erklärte Präſcription angewendet war, um die Conſumtion der künftig eintretenden Zinspoſten abzuwenden (r). Um die Lehre von den Prozeßzinſen ganz abzuſchließen, bleibt nur noch übrig, die Meinung neuerer Schriftſteller über den Zuſtand des heutigen Rechts in dieſer Lehre kurz anzugeben. Neuerlich iſt von Mehreren die Zuläſſigkeit von Prozeß- zinſen gänzlich verworfen worden, indem ſie dieſelben nicht ſowohl negirt, als ignorirt haben. Sie gehen nämlich da- von aus, es gebe überhaupt, aus Veranlaſſung eines Rechtsſtreits, keine andere Zinſen als Verzugszinſen. Da nun (welches auch ich annehme) die L. C. keine Mora be- gründe, ſo könnten Prozeßzinſen, d. h. Zinſen die durch die (r) Mayer Litisconteſtation S. 35—38 behauptet, im Wider- ſpruch mit den hier aufgeſtellten Sätzen, die Kapitalklage habe durch die Novation der L. C. den ferneren Zinſenlauf zerſtört. Er verwechſelt dabei die Conſumtion und Nova- tion, ſo wie er die zwei verſchie- denen Klagen auf Kapital und Zinſen nicht unterſcheidet, und ohne Grund einen practiſchen Unterſchied zwiſchen Pfändern und Zinſen be- hauptet, welche ſelbſtgemachte Schwierigkeit er dann nicht ohne Scharfſinn zu beſeitigen ſucht durch die Unterſcheidung alter und neuer Rechtsinſtitute. Sein Hauptbeweis liegt in L. 90 de V. O. (45. 1), welche für den Fall der poenae stipulatio (einer anderen Form als das Zinsgeſchäft, aber mit ähnlichem Zweck und Erfolg) ganz richtig daſſelbe behauptet, welches in L. 1 C. de jud. für die Zinſen geſagt iſt. Er ſieht darin eine ver- ſteckte Anſpielung darauf, daß bei den Zinſen das Gegentheil gelte, trägt alſo ganz willkührlich ein ar- gumentum a contrario in die Stelle hinein. VI. 11

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/179>, abgerufen am 07.05.2024.