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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 270. Wirkung der L. C. -- Prozeßzinsen. (Forts.)
Condiction, begründet, aber diese konnte nur eine incertae
pecuniae Condemnatio
haben (o), und darin lag kein
Hinderniß für den Juder, die oben entwickelte allgemeine
Regel der Prozeßzinsen zur Anwendung zu bringen.

Demnach war es selbst bei den Römern nicht die
Natur der strengen Klagen an sich, welche die Verurtheilung
auf Prozeßzinsen ausschloß, sondern lediglich die besondere
Natur der certi condictio, da wo diese zur Anwendung
kam, und wir müssen daher behaupten, daß die Prozeß-
zinsen auch bei den strengen Klagen (nur mit Ausnahme
jeder certi condictio) zur Anwendung kamen (p). Incon-
sequent aber war es, daß Justinian bei der condictio indebiti
den unbedingten alten Grundsatz aufnahm, obgleich zu seiner
Zeit alle Formeln längst verschwunden waren.

3. Endlich ist unter Denen, die überhaupt Prozeßzinsen
zulassen, die Frage streitig geworden, ob dieselben blos bei
liquiden, oder auch bei illiquiden eingeklagten Geldsummen
anzuwenden seyen (q). Soll die Sache irgend einen prac-

(o) Gagus IV. § 49--51. Die
Formel ging nun auf quanti res
est,
oder quidquid dari fieri
oportet.
(p) Die Meinungen sind über
diese Frage von jeher sehr getheilt
gewesen. Verneint werden die
Prozeßzinsen bei allen stricti ju-
ris actiones
von Noodt de foe-
nore et us. III. 12, Winckler
p.
345, Madai Mora S. 369,
Liebe Stipulation S. 52; dage-
gen werden sie zugelassen von
den Glossatoren Martinus und
Jacobus (Haenel diss. do-
minorum § 56 p. 42), Huber,
praelect. in pand. XXII.
1. § 17,
Keller § 21 Note 2 und 10. --
Ich selbst hatte früher die erste
Meinung angenommen (B. 5 S. 141.
142. 465), welche ich jetzt zurück-
nehme.
(q) Für die einschränkende Mei-
nung ist Cannegiesser decis.
Cassell. T. 1 Dec. 56 No.
6,
indem er erst von der festgestellten
10*

§. 270. Wirkung der L. C. — Prozeßzinſen. (Fortſ.)
Condiction, begründet, aber dieſe konnte nur eine incertae
pecuniae Condemnatio
haben (o), und darin lag kein
Hinderniß für den Juder, die oben entwickelte allgemeine
Regel der Prozeßzinſen zur Anwendung zu bringen.

Demnach war es ſelbſt bei den Römern nicht die
Natur der ſtrengen Klagen an ſich, welche die Verurtheilung
auf Prozeßzinſen ausſchloß, ſondern lediglich die beſondere
Natur der certi condictio, da wo dieſe zur Anwendung
kam, und wir müſſen daher behaupten, daß die Prozeß-
zinſen auch bei den ſtrengen Klagen (nur mit Ausnahme
jeder certi condictio) zur Anwendung kamen (p). Incon-
ſequent aber war es, daß Juſtinian bei der condictio indebiti
den unbedingten alten Grundſatz aufnahm, obgleich zu ſeiner
Zeit alle Formeln längſt verſchwunden waren.

3. Endlich iſt unter Denen, die überhaupt Prozeßzinſen
zulaſſen, die Frage ſtreitig geworden, ob dieſelben blos bei
liquiden, oder auch bei illiquiden eingeklagten Geldſummen
anzuwenden ſeyen (q). Soll die Sache irgend einen prac-

(o) Gagus IV. § 49—51. Die
Formel ging nun auf quanti res
est,
oder quidquid dari fieri
oportet.
(p) Die Meinungen ſind über
dieſe Frage von jeher ſehr getheilt
geweſen. Verneint werden die
Prozeßzinſen bei allen stricti ju-
ris actiones
von Noodt de foe-
nore et us. III. 12, Winckler
p.
345, Madai Mora S. 369,
Liebe Stipulation S. 52; dage-
gen werden ſie zugelaſſen von
den Gloſſatoren Martinus und
Jacobus (Haenel diss. do-
minorum § 56 p. 42), Huber,
praelect. in pand. XXII.
1. § 17,
Keller § 21 Note 2 und 10. —
Ich ſelbſt hatte früher die erſte
Meinung angenommen (B. 5 S. 141.
142. 465), welche ich jetzt zurück-
nehme.
(q) Für die einſchränkende Mei-
nung iſt Cannegiesser decis.
Cassell. T. 1 Dec. 56 No.
6,
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[147/0165] §. 270. Wirkung der L. C. — Prozeßzinſen. (Fortſ.) Condiction, begründet, aber dieſe konnte nur eine incertae pecuniae Condemnatio haben (o), und darin lag kein Hinderniß für den Juder, die oben entwickelte allgemeine Regel der Prozeßzinſen zur Anwendung zu bringen. Demnach war es ſelbſt bei den Römern nicht die Natur der ſtrengen Klagen an ſich, welche die Verurtheilung auf Prozeßzinſen ausſchloß, ſondern lediglich die beſondere Natur der certi condictio, da wo dieſe zur Anwendung kam, und wir müſſen daher behaupten, daß die Prozeß- zinſen auch bei den ſtrengen Klagen (nur mit Ausnahme jeder certi condictio) zur Anwendung kamen (p). Incon- ſequent aber war es, daß Juſtinian bei der condictio indebiti den unbedingten alten Grundſatz aufnahm, obgleich zu ſeiner Zeit alle Formeln längſt verſchwunden waren. 3. Endlich iſt unter Denen, die überhaupt Prozeßzinſen zulaſſen, die Frage ſtreitig geworden, ob dieſelben blos bei liquiden, oder auch bei illiquiden eingeklagten Geldſummen anzuwenden ſeyen (q). Soll die Sache irgend einen prac- (o) Gagus IV. § 49—51. Die Formel ging nun auf quanti res est, oder quidquid dari fieri oportet. (p) Die Meinungen ſind über dieſe Frage von jeher ſehr getheilt geweſen. Verneint werden die Prozeßzinſen bei allen stricti ju- ris actiones von Noodt de foe- nore et us. III. 12, Winckler p. 345, Madai Mora S. 369, Liebe Stipulation S. 52; dage- gen werden ſie zugelaſſen von den Gloſſatoren Martinus und Jacobus (Haenel diss. do- minorum § 56 p. 42), Huber, praelect. in pand. XXII. 1. § 17, Keller § 21 Note 2 und 10. — Ich ſelbſt hatte früher die erſte Meinung angenommen (B. 5 S. 141. 142. 465), welche ich jetzt zurück- nehme. (q) Für die einſchränkende Mei- nung iſt Cannegiesser decis. Cassell. T. 1 Dec. 56 No. 6, indem er erſt von der feſtgeſtellten 10*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/165>, abgerufen am 07.05.2024.