Die erste dieser Stellen, von Cicero herrührend, sagt: er kenne nur Drey Gründe, aus welchen baares Geld in bestimmter Summe durch ein strenges judicium gefordert werden könne: adnumeratio (datio), expensilatio, stipu- latio(a). Der Name condictio kommt darin nicht vor, aber daß Cicero von derselben Klage reden will, die in unsren Rechtsquellen als certi condictio, oder condictio si certum petatur bezeichnet wird, ist nicht zu bezweifeln. Es fragt sich nun, inwiefern Cicero's Angabe der Fälle dieser Klage mit der hier vorgetragenen Lehre überein- stimmt.
Für die meisten Fälle ist die Übereinstimmung ganz einleuchtend. Denn adnumeratio umfaßt wörtlich nicht blos das Gelddarlehen, sondern auch das Depositum, wel- ches der Empfänger angreift (Num. VI.), so wie die Aus- zahlung eines Indebitum und ähnliche Fälle (Num. VII.). Daß die Fälle der incerti condictio nicht erwähnt werden, macht keine Schwierigkeit, da Cicero, nach seiner eigenen Erklärung, nur von der auf eine bestimmte Geldsumme gerichteten strengen Klage reden will, das heißt also nur von der certi, nicht von der incerti condictio. Dagegen fehlen allerdings bey ihm einige Fälle, in welchen nach der oben vorgetragenen Lehre eine certi condictio vorkom- men kann. Dahin gehören die Fälle, worin mein Geld in des Andern Hände kommt nicht durch meine Handlung,
(a)Cicero pro Roscio Comoedo C. 4. 5. Die Stelle ist schon oben abgedruckt Beylage XIII. Num. XI.
Die Condictionen. XXI.
Die erſte dieſer Stellen, von Cicero herrührend, ſagt: er kenne nur Drey Gründe, aus welchen baares Geld in beſtimmter Summe durch ein ſtrenges judicium gefordert werden könne: adnumeratio (datio), expensilatio, stipu- latio(a). Der Name condictio kommt darin nicht vor, aber daß Cicero von derſelben Klage reden will, die in unſren Rechtsquellen als certi condictio, oder condictio si certum petatur bezeichnet wird, iſt nicht zu bezweifeln. Es fragt ſich nun, inwiefern Cicero’s Angabe der Fälle dieſer Klage mit der hier vorgetragenen Lehre überein- ſtimmt.
Für die meiſten Fälle iſt die Übereinſtimmung ganz einleuchtend. Denn adnumeratio umfaßt wörtlich nicht blos das Gelddarlehen, ſondern auch das Depoſitum, wel- ches der Empfänger angreift (Num. VI.), ſo wie die Aus- zahlung eines Indebitum und ähnliche Fälle (Num. VII.). Daß die Fälle der incerti condictio nicht erwähnt werden, macht keine Schwierigkeit, da Cicero, nach ſeiner eigenen Erklärung, nur von der auf eine beſtimmte Geldſumme gerichteten ſtrengen Klage reden will, das heißt alſo nur von der certi, nicht von der incerti condictio. Dagegen fehlen allerdings bey ihm einige Fälle, in welchen nach der oben vorgetragenen Lehre eine certi condictio vorkom- men kann. Dahin gehören die Fälle, worin mein Geld in des Andern Hände kommt nicht durch meine Handlung,
(a)Cicero pro Roscio Comoedo C. 4. 5. Die Stelle iſt ſchon oben abgedruckt Beylage XIII. Num. XI.
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Die Condictionen. XXI.
Die erſte dieſer Stellen, von Cicero herrührend, ſagt:
er kenne nur Drey Gründe, aus welchen baares Geld in
beſtimmter Summe durch ein ſtrenges judicium gefordert
werden könne: adnumeratio (datio), expensilatio, stipu-
latio (a). Der Name condictio kommt darin nicht vor,
aber daß Cicero von derſelben Klage reden will, die in
unſren Rechtsquellen als certi condictio, oder condictio
si certum petatur bezeichnet wird, iſt nicht zu bezweifeln.
Es fragt ſich nun, inwiefern Cicero’s Angabe der Fälle
dieſer Klage mit der hier vorgetragenen Lehre überein-
ſtimmt.
Für die meiſten Fälle iſt die Übereinſtimmung ganz
einleuchtend. Denn adnumeratio umfaßt wörtlich nicht
blos das Gelddarlehen, ſondern auch das Depoſitum, wel-
ches der Empfänger angreift (Num. VI.), ſo wie die Aus-
zahlung eines Indebitum und ähnliche Fälle (Num. VII.).
Daß die Fälle der incerti condictio nicht erwähnt werden,
macht keine Schwierigkeit, da Cicero, nach ſeiner eigenen
Erklärung, nur von der auf eine beſtimmte Geldſumme
gerichteten ſtrengen Klage reden will, das heißt alſo nur
von der certi, nicht von der incerti condictio. Dagegen
fehlen allerdings bey ihm einige Fälle, in welchen nach
der oben vorgetragenen Lehre eine certi condictio vorkom-
men kann. Dahin gehören die Fälle, worin mein Geld in
des Andern Hände kommt nicht durch meine Handlung,
(a) Cicero pro Roscio Comoedo C. 4. 5. Die Stelle iſt
ſchon oben abgedruckt Beylage XIII. Num. XI.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/587>, abgerufen am 22.11.2024.
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