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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Beylage XIV.
ist) tritt ein bey denjenigen Rechtsgeschäften, bey welchen
eine freye Beurtheilung eintritt.

Es ist auch noch ein anderer Versuch gemacht worden,
die Unterscheidung der Condictionen von den b. f. actiones
auf ein Princip zurück zu führen, der aber weit weniger
Schein für sich hat, als der eben erwähnte. Bonae fidei
sollen alle Klagen seyn, deren Grund schon auf der na-
türlichen Billigkeit (dem jus gentium) beruht, stricti juris die,
welche durch willkührliche Vorschriften des positiven Rechts
eingeführt sind (e); diese Behauptung muß bey ernstlicher
Betrachtung sogleich verworfen werden. Nichts ist mehr
in der natürlichen Billigkeit gegründet, als daß das gelie-
hene Geld von dem Schuldner zurückgezahlt werde (f),
und doch ist die Darlehnsklage sehr gewiß stricti juris.
Selbst aus dem nudum pactum entsteht eine Verpflichtung
nach jus gentium (g), und es ist nicht einzusehen, warum
diese durch die Hinzufügung der Stipulationsform verhin-
dert oder geschwächt werden sollte; dennoch ist die Stipu-
lationsklage stricti juris. Ja wir würden, bey genauer
Erwägung, kaum andere str. j. Klagen nach dieser Lehre
übrig behalten, als die Klagen auf Geldstrafen; und ge-
rade diese führen wenigstens den Namen stricti juris ac-
tiones
oder condictiones niemals.


(e) Glück B. 13 S. 8.
(f) Gajus III. § 132. Eben so
wird für die condictio sine causa
u. s. w. die Entstehung aus dem
jus gentium ausdrücklich aner-
kannt. L. 25 de act. rer. amot.
(25. 2.).
(g) L. 84 § 1 de R. J. (50. 17.),
L. 5 § 2 de solut. (46. 3.), L. 7
§ 4 de pactis
(2. 14.).

Beylage XIV.
iſt) tritt ein bey denjenigen Rechtsgeſchäften, bey welchen
eine freye Beurtheilung eintritt.

Es iſt auch noch ein anderer Verſuch gemacht worden,
die Unterſcheidung der Condictionen von den b. f. actiones
auf ein Princip zurück zu führen, der aber weit weniger
Schein für ſich hat, als der eben erwähnte. Bonae fidei
ſollen alle Klagen ſeyn, deren Grund ſchon auf der na-
türlichen Billigkeit (dem jus gentium) beruht, stricti juris die,
welche durch willkührliche Vorſchriften des poſitiven Rechts
eingeführt ſind (e); dieſe Behauptung muß bey ernſtlicher
Betrachtung ſogleich verworfen werden. Nichts iſt mehr
in der natürlichen Billigkeit gegründet, als daß das gelie-
hene Geld von dem Schuldner zurückgezahlt werde (f),
und doch iſt die Darlehnsklage ſehr gewiß stricti juris.
Selbſt aus dem nudum pactum entſteht eine Verpflichtung
nach jus gentium (g), und es iſt nicht einzuſehen, warum
dieſe durch die Hinzufügung der Stipulationsform verhin-
dert oder geſchwächt werden ſollte; dennoch iſt die Stipu-
lationsklage stricti juris. Ja wir würden, bey genauer
Erwägung, kaum andere str. j. Klagen nach dieſer Lehre
übrig behalten, als die Klagen auf Geldſtrafen; und ge-
rade dieſe führen wenigſtens den Namen stricti juris ac-
tiones
oder condictiones niemals.


(e) Glück B. 13 S. 8.
(f) Gajus III. § 132. Eben ſo
wird für die condictio sine causa
u. ſ. w. die Entſtehung aus dem
jus gentium ausdrücklich aner-
kannt. L. 25 de act. rer. amot.
(25. 2.).
(g) L. 84 § 1 de R. J. (50. 17.),
L. 5 § 2 de solut. (46. 3.), L. 7
§ 4 de pactis
(2. 14.).
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[510/0524] Beylage XIV. iſt) tritt ein bey denjenigen Rechtsgeſchäften, bey welchen eine freye Beurtheilung eintritt. Es iſt auch noch ein anderer Verſuch gemacht worden, die Unterſcheidung der Condictionen von den b. f. actiones auf ein Princip zurück zu führen, der aber weit weniger Schein für ſich hat, als der eben erwähnte. Bonae fidei ſollen alle Klagen ſeyn, deren Grund ſchon auf der na- türlichen Billigkeit (dem jus gentium) beruht, stricti juris die, welche durch willkührliche Vorſchriften des poſitiven Rechts eingeführt ſind (e); dieſe Behauptung muß bey ernſtlicher Betrachtung ſogleich verworfen werden. Nichts iſt mehr in der natürlichen Billigkeit gegründet, als daß das gelie- hene Geld von dem Schuldner zurückgezahlt werde (f), und doch iſt die Darlehnsklage ſehr gewiß stricti juris. Selbſt aus dem nudum pactum entſteht eine Verpflichtung nach jus gentium (g), und es iſt nicht einzuſehen, warum dieſe durch die Hinzufügung der Stipulationsform verhin- dert oder geſchwächt werden ſollte; dennoch iſt die Stipu- lationsklage stricti juris. Ja wir würden, bey genauer Erwägung, kaum andere str. j. Klagen nach dieſer Lehre übrig behalten, als die Klagen auf Geldſtrafen; und ge- rade dieſe führen wenigſtens den Namen stricti juris ac- tiones oder condictiones niemals. (e) Glück B. 13 S. 8. (f) Gajus III. § 132. Eben ſo wird für die condictio sine causa u. ſ. w. die Entſtehung aus dem jus gentium ausdrücklich aner- kannt. L. 25 de act. rer. amot. (25. 2.). (g) L. 84 § 1 de R. J. (50. 17.), L. 5 § 2 de solut. (46. 3.), L. 7 § 4 de pactis (2. 14.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/524>, abgerufen am 18.05.2024.