Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
andere Klage oder Exception. Wenn also durch Betrug
eine Stipulation bewirkt worden ist, so hat der Betrogene
deswegen nicht die doli actio, weil er durch die doli ex-
ceptio
vollkommenen Schutz gegen die Stipulationsklage des
Betrügers, die ihm allein schaden könnte, erhält (q). So-
gar wenn er zu seinem Schutz eine andere Klage hatte,
diese aber durch Verjährung untergehen ließ, wird ihm
die doli actio versagt, weil es nun seine eigene Schuld
ist, wenn er ohne Schutz bleibt (r). Nur in dem Fall
erhält er dennoch die doli actio, wenn er durch des Geg-
ners Betrug verleitet wird, die Verjährungsfrist ablaufen
zu lassen (§ 245. i), weil nun die Ursache des Verlusts
nicht in der Nachlässigkeit, sondern eben in dem Betrug
liegt (s). Nun argumentiren die Gegner also: Wäre bey
dieser verjährten Klage eine naturalis obligatio übrig ge-
blieben, welche immer eine Exception zur Folge hat (t),

(q) L. 1 § 4 de dolo (4. 3.)
".. si interdictum sit, quo quis
experiri, vel exceptio, qua se
tueri possit
, cessare hoc edi-
ctum."
Allerdings ist hier ganz
besonders auch die doli exceptio
gemeynt, nur nicht diese allein, da
viele andere Exceptionen denselben
Dienst leisten können, und sogar
noch viel bequemer, weil bey ihnen
der schwierige Beweis des Be-
trugs vermieden wird. Wird z. B.
eine Frau durch Betrug zu einer
Bürgschaft verleitet, so braucht sie
weder die actio noch die exceptio
doli,
weil sie ohne alle Beweis-
führung durch die exc. Sc. Vel-
lejani
geschützt ist. Eben so kann
es sich verhalten mit der exc. Sc.
Macedoniani, L. Cinciae, L.
Plaetoriae, rei judicatae
u. s. w.
(r) L. 1 § 6 de dolo (4. 3.)
"... et si alia actio tempore
finita sit, hanc competere non
debere: sibi imputaturo eo, qui
agere supersedit."
(s) L. 1 § 6 de dolo (4. 3.)
unmittelbar hinter den in der Note r
abgedruckten Worten: "nisi in hoc
quoque dolus malus admissus
sit, ut tempus exiret."
(t) Dieses ist insofern wahr,
als einige der positiven Folgen
der naturalis obligatio allerdings

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
andere Klage oder Exception. Wenn alſo durch Betrug
eine Stipulation bewirkt worden iſt, ſo hat der Betrogene
deswegen nicht die doli actio, weil er durch die doli ex-
ceptio
vollkommenen Schutz gegen die Stipulationsklage des
Betrügers, die ihm allein ſchaden könnte, erhält (q). So-
gar wenn er zu ſeinem Schutz eine andere Klage hatte,
dieſe aber durch Verjährung untergehen ließ, wird ihm
die doli actio verſagt, weil es nun ſeine eigene Schuld
iſt, wenn er ohne Schutz bleibt (r). Nur in dem Fall
erhält er dennoch die doli actio, wenn er durch des Geg-
ners Betrug verleitet wird, die Verjährungsfriſt ablaufen
zu laſſen (§ 245. i), weil nun die Urſache des Verluſts
nicht in der Nachläſſigkeit, ſondern eben in dem Betrug
liegt (s). Nun argumentiren die Gegner alſo: Wäre bey
dieſer verjährten Klage eine naturalis obligatio übrig ge-
blieben, welche immer eine Exception zur Folge hat (t),

(q) L. 1 § 4 de dolo (4. 3.)
„.. si interdictum sit, quo quis
experiri, vel exceptio, qua se
tueri possit
, cessare hoc edi-
ctum.”
Allerdings iſt hier ganz
beſonders auch die doli exceptio
gemeynt, nur nicht dieſe allein, da
viele andere Exceptionen denſelben
Dienſt leiſten können, und ſogar
noch viel bequemer, weil bey ihnen
der ſchwierige Beweis des Be-
trugs vermieden wird. Wird z. B.
eine Frau durch Betrug zu einer
Bürgſchaft verleitet, ſo braucht ſie
weder die actio noch die exceptio
doli,
weil ſie ohne alle Beweis-
führung durch die exc. Sc. Vel-
lejani
geſchützt iſt. Eben ſo kann
es ſich verhalten mit der exc. Sc.
Macedoniani, L. Cinciae, L.
Plaetoriae, rei judicatae
u. ſ. w.
(r) L. 1 § 6 de dolo (4. 3.)
„… et si alia actio tempore
finita sit, hanc competere non
debere: sibi imputaturo eo, qui
agere supersedit.”
(s) L. 1 § 6 de dolo (4. 3.)
unmittelbar hinter den in der Note r
abgedruckten Worten: „nisi in hoc
quoque dolus malus admissus
sit, ut tempus exiret.
(t) Dieſes iſt inſofern wahr,
als einige der poſitiven Folgen
der naturalis obligatio allerdings
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0396" n="382"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
andere Klage oder Exception. Wenn al&#x017F;o durch Betrug<lb/>
eine Stipulation bewirkt worden i&#x017F;t, &#x017F;o hat der Betrogene<lb/>
deswegen nicht die <hi rendition="#aq">doli actio,</hi> weil er durch die <hi rendition="#aq">doli ex-<lb/>
ceptio</hi> vollkommenen Schutz gegen die Stipulationsklage des<lb/>
Betrügers, die ihm allein &#x017F;chaden könnte, erhält <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1 § 4 <hi rendition="#i">de dolo</hi> (4. 3.)<lb/>
&#x201E;.. si interdictum sit, quo quis<lb/>
experiri, <hi rendition="#i">vel exceptio, qua se<lb/>
tueri possit</hi>, cessare hoc edi-<lb/>
ctum.&#x201D;</hi> Allerdings i&#x017F;t hier ganz<lb/>
be&#x017F;onders auch die <hi rendition="#aq">doli exceptio</hi><lb/>
gemeynt, nur nicht die&#x017F;e allein, da<lb/>
viele andere Exceptionen den&#x017F;elben<lb/>
Dien&#x017F;t lei&#x017F;ten können, und &#x017F;ogar<lb/>
noch viel bequemer, weil bey ihnen<lb/>
der &#x017F;chwierige Beweis des Be-<lb/>
trugs vermieden wird. Wird z. B.<lb/>
eine Frau durch Betrug zu einer<lb/>
Bürg&#x017F;chaft verleitet, &#x017F;o braucht &#x017F;ie<lb/>
weder die <hi rendition="#aq">actio</hi> noch die <hi rendition="#aq">exceptio<lb/>
doli,</hi> weil &#x017F;ie ohne alle Beweis-<lb/>
führung durch die <hi rendition="#aq">exc. Sc. Vel-<lb/>
lejani</hi> ge&#x017F;chützt i&#x017F;t. Eben &#x017F;o kann<lb/>
es &#x017F;ich verhalten mit der <hi rendition="#aq">exc. Sc.<lb/>
Macedoniani, L. Cinciae, L.<lb/>
Plaetoriae, rei judicatae</hi> u. &#x017F;. w.</note>. So-<lb/>
gar wenn er zu &#x017F;einem Schutz eine andere Klage hatte,<lb/>
die&#x017F;e aber durch Verjährung untergehen ließ, wird ihm<lb/>
die <hi rendition="#aq">doli actio</hi> ver&#x017F;agt, weil es nun &#x017F;eine eigene Schuld<lb/>
i&#x017F;t, wenn er ohne Schutz bleibt <note place="foot" n="(r)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1 § 6 <hi rendition="#i">de dolo</hi> (4. 3.)<lb/>
&#x201E;&#x2026; et si alia actio tempore<lb/>
finita sit, hanc competere non<lb/>
debere: sibi imputaturo eo, qui<lb/>
agere supersedit.&#x201D;</hi></note>. Nur in dem Fall<lb/>
erhält er dennoch die <hi rendition="#aq">doli actio,</hi> wenn er durch des Geg-<lb/>
ners Betrug verleitet wird, die Verjährungsfri&#x017F;t ablaufen<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en (§ 245. <hi rendition="#aq">i</hi>), weil nun die Ur&#x017F;ache des Verlu&#x017F;ts<lb/>
nicht in der Nachlä&#x017F;&#x017F;igkeit, &#x017F;ondern eben in dem Betrug<lb/>
liegt <note place="foot" n="(s)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1 § 6 <hi rendition="#i">de dolo</hi></hi> (4. 3.)<lb/>
unmittelbar hinter den in der Note <hi rendition="#aq">r</hi><lb/>
abgedruckten Worten: <hi rendition="#aq">&#x201E;nisi <hi rendition="#i">in hoc</hi><lb/>
quoque dolus malus admissus<lb/>
sit<hi rendition="#i">, ut tempus exiret.</hi>&#x201D;</hi></note>. Nun argumentiren die Gegner al&#x017F;o: Wäre bey<lb/>
die&#x017F;er verjährten Klage eine <hi rendition="#aq">naturalis obligatio</hi> übrig ge-<lb/>
blieben, welche immer eine Exception zur Folge hat <note xml:id="seg2pn_60_1" next="#seg2pn_60_2" place="foot" n="(t)">Die&#x017F;es i&#x017F;t in&#x017F;ofern wahr,<lb/>
als <hi rendition="#g">einige</hi> der po&#x017F;itiven Folgen<lb/>
der <hi rendition="#aq">naturalis obligatio</hi> allerdings</note>,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0396] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. andere Klage oder Exception. Wenn alſo durch Betrug eine Stipulation bewirkt worden iſt, ſo hat der Betrogene deswegen nicht die doli actio, weil er durch die doli ex- ceptio vollkommenen Schutz gegen die Stipulationsklage des Betrügers, die ihm allein ſchaden könnte, erhält (q). So- gar wenn er zu ſeinem Schutz eine andere Klage hatte, dieſe aber durch Verjährung untergehen ließ, wird ihm die doli actio verſagt, weil es nun ſeine eigene Schuld iſt, wenn er ohne Schutz bleibt (r). Nur in dem Fall erhält er dennoch die doli actio, wenn er durch des Geg- ners Betrug verleitet wird, die Verjährungsfriſt ablaufen zu laſſen (§ 245. i), weil nun die Urſache des Verluſts nicht in der Nachläſſigkeit, ſondern eben in dem Betrug liegt (s). Nun argumentiren die Gegner alſo: Wäre bey dieſer verjährten Klage eine naturalis obligatio übrig ge- blieben, welche immer eine Exception zur Folge hat (t), (q) L. 1 § 4 de dolo (4. 3.) „.. si interdictum sit, quo quis experiri, vel exceptio, qua se tueri possit, cessare hoc edi- ctum.” Allerdings iſt hier ganz beſonders auch die doli exceptio gemeynt, nur nicht dieſe allein, da viele andere Exceptionen denſelben Dienſt leiſten können, und ſogar noch viel bequemer, weil bey ihnen der ſchwierige Beweis des Be- trugs vermieden wird. Wird z. B. eine Frau durch Betrug zu einer Bürgſchaft verleitet, ſo braucht ſie weder die actio noch die exceptio doli, weil ſie ohne alle Beweis- führung durch die exc. Sc. Vel- lejani geſchützt iſt. Eben ſo kann es ſich verhalten mit der exc. Sc. Macedoniani, L. Cinciae, L. Plaetoriae, rei judicatae u. ſ. w. (r) L. 1 § 6 de dolo (4. 3.) „… et si alia actio tempore finita sit, hanc competere non debere: sibi imputaturo eo, qui agere supersedit.” (s) L. 1 § 6 de dolo (4. 3.) unmittelbar hinter den in der Note r abgedruckten Worten: „nisi in hoc quoque dolus malus admissus sit, ut tempus exiret.” (t) Dieſes iſt inſofern wahr, als einige der poſitiven Folgen der naturalis obligatio allerdings

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/396
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/396>, abgerufen am 23.12.2024.