Der scheinbarste Grund für jene beschränkte Bedeutung von praescriptio liegt in folgender Stelle der Sammlung von Bonifaz VIII.(r): Sine possessione praescriptio non procedit.
Da nun dieser Satz nur für die Usucapion allgemein wahr sey, für die Klagverjährung größtentheils nicht wahr, so folge daraus, daß das canonische Recht unter dem Ausdruck praescriptio die Klagverjährung gar nicht mit begreife.
Der ganze Titel des Sextus, woraus jene Stelle her- rührt, enthält Rechtsregeln, die fast ganz aus dem Rö- mischen Recht herüber genommen sind, um der Sammlung ein gelehrtes Ansehen zu geben; er ist wahrscheinlich von Dinus verfaßt, welcher Legist, nicht Canonist war (s). Jene Stelle ist entstanden aus folgendem Ausspruch des Licinius Rufinus (t): Sine possessione usucapio contingere non potest.
Daß hier praescriptio anstatt usucapio gesetzt wurde, kam daher, daß jener Ausdruck dem Ende des dreyzehen- ten Jahrhunderts, worin der Sextus erschien, weit geläu- figer war, als der Ausdruck usucapio. Bey sorgfältiger
Zehenten die Rede, worin die Klag- verjährung mit der Usucapion zu- sammen fiel; allein der Ausdruck der zum Beweis der einzelnen Ent- scheidung angeführten allgemeinen Rechtsregel geht auf die Verjäh- rung der Klage, und müßte also auch anwendbar seyn auf die we- gen dieser Zehenten angestellte lo- cati actio.
(r)C. 3 de reg. juris in VI.
(s)Savigny Geschichte des R. R. im Mittelalter B. 5 S. 399. 400. 405.
(t)L. 25 de usurp. (41. 3.).
§. 244. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides.
Der ſcheinbarſte Grund für jene beſchränkte Bedeutung von praescriptio liegt in folgender Stelle der Sammlung von Bonifaz VIII.(r): Sine possessione praescriptio non procedit.
Da nun dieſer Satz nur für die Uſucapion allgemein wahr ſey, für die Klagverjährung größtentheils nicht wahr, ſo folge daraus, daß das canoniſche Recht unter dem Ausdruck praescriptio die Klagverjährung gar nicht mit begreife.
Der ganze Titel des Sextus, woraus jene Stelle her- rührt, enthält Rechtsregeln, die faſt ganz aus dem Rö- miſchen Recht herüber genommen ſind, um der Sammlung ein gelehrtes Anſehen zu geben; er iſt wahrſcheinlich von Dinus verfaßt, welcher Legiſt, nicht Canoniſt war (s). Jene Stelle iſt entſtanden aus folgendem Ausſpruch des Licinius Rufinus (t): Sine possessione usucapio contingere non potest.
Daß hier praescriptio anſtatt usucapio geſetzt wurde, kam daher, daß jener Ausdruck dem Ende des dreyzehen- ten Jahrhunderts, worin der Sextus erſchien, weit geläu- figer war, als der Ausdruck usucapio. Bey ſorgfältiger
Zehenten die Rede, worin die Klag- verjährung mit der Uſucapion zu- ſammen fiel; allein der Ausdruck der zum Beweis der einzelnen Ent- ſcheidung angeführten allgemeinen Rechtsregel geht auf die Verjäh- rung der Klage, und müßte alſo auch anwendbar ſeyn auf die we- gen dieſer Zehenten angeſtellte lo- cati actio.
(r)C. 3 de reg. juris in VI.
(s)Savigny Geſchichte des R. R. im Mittelalter B. 5 S. 399. 400. 405.
(t)L. 25 de usurp. (41. 3.).
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§. 244. Klagverjährung. Bedingungen. Bona fides.
Der ſcheinbarſte Grund für jene beſchränkte Bedeutung
von praescriptio liegt in folgender Stelle der Sammlung
von Bonifaz VIII. (r):
Sine possessione praescriptio non procedit.
Da nun dieſer Satz nur für die Uſucapion allgemein
wahr ſey, für die Klagverjährung größtentheils nicht
wahr, ſo folge daraus, daß das canoniſche Recht unter
dem Ausdruck praescriptio die Klagverjährung gar nicht
mit begreife.
Der ganze Titel des Sextus, woraus jene Stelle her-
rührt, enthält Rechtsregeln, die faſt ganz aus dem Rö-
miſchen Recht herüber genommen ſind, um der Sammlung
ein gelehrtes Anſehen zu geben; er iſt wahrſcheinlich von
Dinus verfaßt, welcher Legiſt, nicht Canoniſt war (s).
Jene Stelle iſt entſtanden aus folgendem Ausſpruch des
Licinius Rufinus (t):
Sine possessione usucapio contingere non potest.
Daß hier praescriptio anſtatt usucapio geſetzt wurde,
kam daher, daß jener Ausdruck dem Ende des dreyzehen-
ten Jahrhunderts, worin der Sextus erſchien, weit geläu-
figer war, als der Ausdruck usucapio. Bey ſorgfältiger
(q)
(r) C. 3 de reg. juris in VI.
(s) Savigny Geſchichte des
R. R. im Mittelalter B. 5 S. 399.
400. 405.
(t) L. 25 de usurp. (41. 3.).
(q) Zehenten die Rede, worin die Klag-
verjährung mit der Uſucapion zu-
ſammen fiel; allein der Ausdruck
der zum Beweis der einzelnen Ent-
ſcheidung angeführten allgemeinen
Rechtsregel geht auf die Verjäh-
rung der Klage, und müßte alſo
auch anwendbar ſeyn auf die we-
gen dieſer Zehenten angeſtellte lo-
cati actio.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/347>, abgerufen am 23.12.2024.
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