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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

In der Anwendung auf einzelne Obligationen sind zu-
erst diejenigen Fälle zu betrachten, worin die aufgestellte
Regel einer reinen und einfachen Anwendung empfänglich
ist, indem keine factische Verwicklungen hinzutreten, wodurch
Zweifel oder auch wirkliche Abweichungen veranlaßt wer-
den könnten. Ich rechne dahin folgende Fälle:

1) Die Delictsobligationen. Sobald das Delict began-
gen ist, hat der Verletzte augenblicklich die Zahlung der
Entschädigung oder der Strafe zu erwarten, und jede
Verzögerung ist eine neue Rechtsverletzung, wodurch eben
die Klage begründet wird (q). Daher fängt die Verjäh-
rung der Klage mit dem vollendeten Delict an, weil es
als Versäumniß betrachtet werden muß, wenn der Ver-
letzte nicht sogleich die Klage anstellt.

2) Ganz dieselbe Natur haben auch die Quasicontracte.
Die Verjährung der tutelae actio fängt also an mit der geendig-
ten Tutel (r), die der condictio indebiti mit der irrigen Zah-

(q) Es ist also unrichtig, wenn
Thon S. 36 behauptet, es sey
etwas Eigenthümliches bey den
Delictsllagen, daß die Verjährung
von einer Rechtsverletzung anfange.
Er verwechselt die in dem De-
lict selbst enthaltene Rechtsverletz-
ung mit der unterlassenen Zahlung;
die erste kommt allerdings nur bey
Delicten vor, die zweyte ist den
Delicten mit anderen Obligatio-
nen gemein, und auf sie allein be-
zieht sich der Anfang der Klagver-
jährung.
(r) Nicht mit der Übernahme
der Tutel, die allerdings den ent-
fernteren Grund der Obligation
enthält, so daß sie den auf die
Entstehungszeit gegründeten Rang
des stillschweigenden Pfandrechts
bestimmt; auch nicht mit der ein-
zelnen Handlung, wenn z. B. der
Vormund während der Vormund-
schaft Geld unterschlägt. Die ei-
gentliche Obligation, also die ac-
tio tutelae,
entsteht erst mit dem
Ende der Tutel. L. 4 pr. de tu-
telae
(27. 3.) "Nisi finita tu-
tela sit, tutelae agi non potest."
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

In der Anwendung auf einzelne Obligationen ſind zu-
erſt diejenigen Fälle zu betrachten, worin die aufgeſtellte
Regel einer reinen und einfachen Anwendung empfänglich
iſt, indem keine factiſche Verwicklungen hinzutreten, wodurch
Zweifel oder auch wirkliche Abweichungen veranlaßt wer-
den könnten. Ich rechne dahin folgende Fälle:

1) Die Delictsobligationen. Sobald das Delict began-
gen iſt, hat der Verletzte augenblicklich die Zahlung der
Entſchädigung oder der Strafe zu erwarten, und jede
Verzögerung iſt eine neue Rechtsverletzung, wodurch eben
die Klage begründet wird (q). Daher fängt die Verjäh-
rung der Klage mit dem vollendeten Delict an, weil es
als Verſäumniß betrachtet werden muß, wenn der Ver-
letzte nicht ſogleich die Klage anſtellt.

2) Ganz dieſelbe Natur haben auch die Quaſicontracte.
Die Verjährung der tutelae actio fängt alſo an mit der geendig-
ten Tutel (r), die der condictio indebiti mit der irrigen Zah-

(q) Es iſt alſo unrichtig, wenn
Thon S. 36 behauptet, es ſey
etwas Eigenthümliches bey den
Delictsllagen, daß die Verjährung
von einer Rechtsverletzung anfange.
Er verwechſelt die in dem De-
lict ſelbſt enthaltene Rechtsverletz-
ung mit der unterlaſſenen Zahlung;
die erſte kommt allerdings nur bey
Delicten vor, die zweyte iſt den
Delicten mit anderen Obligatio-
nen gemein, und auf ſie allein be-
zieht ſich der Anfang der Klagver-
jährung.
(r) Nicht mit der Übernahme
der Tutel, die allerdings den ent-
fernteren Grund der Obligation
enthält, ſo daß ſie den auf die
Entſtehungszeit gegründeten Rang
des ſtillſchweigenden Pfandrechts
beſtimmt; auch nicht mit der ein-
zelnen Handlung, wenn z. B. der
Vormund während der Vormund-
ſchaft Geld unterſchlägt. Die ei-
gentliche Obligation, alſo die ac-
tio tutelae,
entſteht erſt mit dem
Ende der Tutel. L. 4 pr. de tu-
telae
(27. 3.) „Nisi finita tu-
tela sit, tutelae agi non potest.“
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[286/0300] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. In der Anwendung auf einzelne Obligationen ſind zu- erſt diejenigen Fälle zu betrachten, worin die aufgeſtellte Regel einer reinen und einfachen Anwendung empfänglich iſt, indem keine factiſche Verwicklungen hinzutreten, wodurch Zweifel oder auch wirkliche Abweichungen veranlaßt wer- den könnten. Ich rechne dahin folgende Fälle: 1) Die Delictsobligationen. Sobald das Delict began- gen iſt, hat der Verletzte augenblicklich die Zahlung der Entſchädigung oder der Strafe zu erwarten, und jede Verzögerung iſt eine neue Rechtsverletzung, wodurch eben die Klage begründet wird (q). Daher fängt die Verjäh- rung der Klage mit dem vollendeten Delict an, weil es als Verſäumniß betrachtet werden muß, wenn der Ver- letzte nicht ſogleich die Klage anſtellt. 2) Ganz dieſelbe Natur haben auch die Quaſicontracte. Die Verjährung der tutelae actio fängt alſo an mit der geendig- ten Tutel (r), die der condictio indebiti mit der irrigen Zah- (q) Es iſt alſo unrichtig, wenn Thon S. 36 behauptet, es ſey etwas Eigenthümliches bey den Delictsllagen, daß die Verjährung von einer Rechtsverletzung anfange. Er verwechſelt die in dem De- lict ſelbſt enthaltene Rechtsverletz- ung mit der unterlaſſenen Zahlung; die erſte kommt allerdings nur bey Delicten vor, die zweyte iſt den Delicten mit anderen Obligatio- nen gemein, und auf ſie allein be- zieht ſich der Anfang der Klagver- jährung. (r) Nicht mit der Übernahme der Tutel, die allerdings den ent- fernteren Grund der Obligation enthält, ſo daß ſie den auf die Entſtehungszeit gegründeten Rang des ſtillſchweigenden Pfandrechts beſtimmt; auch nicht mit der ein- zelnen Handlung, wenn z. B. der Vormund während der Vormund- ſchaft Geld unterſchlägt. Die ei- gentliche Obligation, alſo die ac- tio tutelae, entſteht erſt mit dem Ende der Tutel. L. 4 pr. de tu- telae (27. 3.) „Nisi finita tu- tela sit, tutelae agi non potest.“

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/300>, abgerufen am 25.11.2024.